Wie eine Neuköllner Sprachschule Antisemitismus und Islamismus bekämpft

„Wir wollen sozialen Frieden“

Schule in Berlin-Neukölln

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Sprachunterricht abseits der Koranschulen: Die Ibn-Khaldun-Schulen setzen sich für Freiheit und Toleranz ein.

In Berlin-Neukölln gibt es massive Integrationsprobleme. Hudhaifa Al-Mashhadani will als Leiter der Sprachschule Ibn Khaldun gegensteuern. Er wirbt für Toleranz und Demokratie und setzt mit seinem Antisemitismusprojekt dort ein Zeichen gegen Judenhass, wo er besonders verbreitet ist.

In Berlin-Neukölln sehen etliche Straßenzüge eher aus wie ein arabisches Viertel in Nahost als wie eine deutsche Metropole. Statt Kuchen gibt es Baklava. In vielen Bekleidungsgeschäften hängen Burkas und Palästinensertücher aus. Das religiöse Leben vieler Zuwanderer wird von Moscheegemeinden bestimmt, „die einem radikalmuslimischen Gedankengut anhängen und es verbreiten“, sagt der deutsch-irakische Politikwissenschaftler Hudhaifa Al-Mashhadani. Vor allem die Muslimbruderschaft und die islamistische Bewegung Hizb ut-Tahrir, die die Errichtung eines globalen Kalifat-Staates postuliert, seien hier aktiv, sagt er: „Denen geht es nicht um Integration, sondern um die Verbreitung einer Ideologie. Sie arbeiten gegen die demokratische Gesellschaft in Deutschland. Über Imame und die sozialen Medien verbreiten sie Hass und Antisemitismus.“

„Ich stehe auf der Todesliste der Hamas“

Al-Mashhadani ist Generalsekretär des Deutsch-Arabischen Rates und Leiter der säkularen Ibn-Khaldun-Sprachschulen mit rund 1000 Schülerinnen und Schülern. Die Schulen mit Standorten in Berlin, Chemnitz, Dortmund und Köln setzen sich bewusst gegen die Bildung von Parallelgesellschaften und für den interkulturellen Austausch ein. Gegründet wurde das Projekt von arabischen Akademikern. Sie wollten damit ihren Kindern einen heimatkundlichen Sprachunterricht abseits der Koranschulen ermöglichen. „Mit unserem Engagement setzen wir außerdem ein starkes Zeichen gegen Terror und Antisemitismus. Wir wollen sozialen Frieden in Neukölln“, sagt Al-Mashhadani.

Al-Mashhadani
Hudhaifa Al-Mashhadani im Hinterhof seiner Schule. Foto: imago/Funke Foto Services

Wie weit sich etliche Zuwanderer Neuköllns vom demokratischen Konsens verabschiedet haben, wurde in der Vergangenheit immer mal wieder deutlich. Etwa am alljährlichen, sogenannten Al-Quds-Tag, an denen Muslime zur Eroberung Jerusalems aufrufen. Früher blieben solche Demonstrationen, auf denen manche arabische Zuwanderer ihren Israel-Hass herausschreien, noch die Ausnahme. Seit dem Massaker der Hamas an israelischen Bürgern und dem nachfolgenden Krieg in Gaza hat sich die Lage in Neukölln jedoch verschärft. Über Monate kam es im Kiez zu pro-palästinensischen Demonstrationen, Juden wurden zusammengeschlagen, Autos gingen in Flammen auf, Polizeibeamte wurden mit Pyrotechnik beschossen. 

Stefanie Dietrich
Stefanie Dietrich. 
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Das gefiel Al-Mashhadani, der sich bereits im Irak gegen den Islamismus starkgemacht hatte, überhaupt nicht. Sofort ging er selbst auf die Straße, mischte sich ein, besuchte abends die Familien von gewaltbereiten Jugendlichen. An seiner Schule richtete er mit der Schauspielerin Stefanie Dietrich, der Mutter eines deutsch-arabischen Kindes, das Antisemitismus-Projekt Goom ein. Zudem wurde dort ein Hebräisch-Unterricht etabliert. „Seitdem stehe ich auf der Todesliste der Hamas“, sagt Al-Mashhadani. Die Ibn-Khaldun-Schule wurde mehrfach mit islamistischen Parolen beschmiert. „Einmal flogen sogar Steine ins Klassenzimmer und haben mehre Schülerinnen und Schüler verletzt“, erinnert sich die Ehrenamtlerin Dietrich. Seither steht die Neuköllner Schule unter Polizeischutz. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf. Bislang allerdings erfolglos.

Von den Anfeindungen beirren lassen wollten sich Al-Mashhadani und seine 24 Lehrerinnen an der Neuköllner Schule jedoch nicht. Sie machten weiter. Und haben neuerdings sogar vermehrt Zulauf. „Erst neulich sind 70 Mädchen im Alter von 9 bis 13 Jahren auf einmal zu uns gekommen. In einer Koranschule hatte man sie von einem Tag auf den anderen gezwungen, sich ein Kopftuch aufzusetzen“, erinnert sich Dietrich. 

Vor gut einem Jahr organisierte Dietrich mit Al-Mashhadani und dem Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) ein Treffen von 120 arabischstämmigen Berliner Jugendlichen mit 40 jungen Israelis. Die Stimmung war rasch ausgelassen. „Man tauschte sich über Berliner Clubs und die besten Strände in Israel aus“, erinnert sich Dietrich. Freundschaften entstanden. „Nach 75 Jahren Krieg in Israel und Nahost möchte ich endlich eine neue Generation haben. Ich möchte, dass David und Mohammed in Zukunft friedlich auf der gleichen Straße spazieren gehen können“, sagt Al-Mashhadani. In den Neuköllner Moscheen jedoch werde das Gegenteil propagiert. „Die Mädchen sollen jung heiraten. Araber sollen unter sich bleiben. Vertraut den Deutschen nicht. Und Judenhass“, so fasst der Politologe in seinem noch etwas gebrochenem Deutsch den Duktus der Koranschulen zusammen.

Viele sind zum Wandel bereit

Scheerin Saadi
Die 18-jährige Scheerin Saadi.
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Diese feindselige Grundstimmung ist auch Stefanie Dietrich nicht verborgen geblieben. Sie glaubt jedoch, dass das Gros der arabischen Zuwanderer bereit zum Wandel sei. „Das Problem ist, dass die Radikalen und die Nicht-Integrationsbereiten immer viel lauter agieren. Und viele Araber haben es einfach nicht gelernt haben, öffentlich Position zu beziehen. In ihrer alten Heimat liefen sie Gefahr, dafür erschossen zu werden“, sagt Dietrich. 

Finanziert wird die Ibn-Khaldun-Schule ausschließlich über private Mittel. Alle Versuche einer öffentlichen Förderung scheiterten bisher. Rund 3000 Menschen engagieren sich im Elternbeirat und die meisten von ihnen tragen Al-Mashhadanis interkulturellen und interreligiösen Kurs voll mit. Für viele liberale Migrantenkids ist das Schulgebäude in der Uthmannstraße zu einem „Safe-Space, einem sichereren Ort“ geworden, berichtet etwa die 18-jährige Scheerin Saadi. Sie sieht zwar, dass viele arabische Zuwanderer in Sachen Toleranz noch einen langen Weg vor sich hätten. Aber sie sagt: „Allein schon, weil wir hier sind und mit dem, was wir machen, bringen wir andere zum Nachdenken.“

Andreas Kaiser

Zur Person

Hudhaifa Al-Mashhadani ist Politikwissenschaftler und Leiter der säkularen Ibn-Khaldun-Sprachschulen mit rund 1000 Schüler-innen und Schülern in Deutschland.