Für Josef Antony aus Aurich ist der Glaube die Basis für sein Leben

"Wissenschaft hat nicht auf alles eine Antwort"

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Ein Mann steht vor einem Bücherregal.
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Foto: Petra Diek-Münchow

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Belesen und interessiert: Josef Antony hat schon immer nach Hintergründen, nach dem „Wie und Warum“ gefragt.

16 Nobelpreisträger hat Josef Antony für die „Auricher Wissenschaftstage“ schon nach Ostfriesland geholt und hunderten von jungen Leuten Forschungsstipendien in aller Welt verschafft. Aber die wichtigsten Antworten für sein Leben findet der engagierte Katholik in seinem Glauben: „Ich bin aufgehoben in einer guten Hand“.

Dass Josef Antony gute Literatur schätzt, macht der Blick in sein Bücherregal schnell deutlich. Da liegt bei ihm zu Hause in Aurich das spirituelle Tagebuch des früheren UN-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld über dem Lesebuch zu Heinrich Böll, da steht das „Heimatmuseum“ von Siegfried Lenz nicht weit von der Geschichte der Gebrüder Mann. Aber für ein Foto zieht der 76-jährige Wahl-Ostfriese lieber ein Werk von Walter Jens aus dem Stapel. Was einer Ehrerbietung gleichkommt, denn Antony hat über Jahrzehnte mit dem Schriftsteller und dessen Ehefrau Inge oft korrespondiert – und diesen Diskurs außerordentlich geschätzt.  Sinn-Zusammenhänge aus einer christlichen Nähe zu hinterfragen und mit freiem Geist zu reflektieren, das hat diesen beiderseits gepflegten Kontakt ausgezeichnet.

Denn Fragen nach dem „Wie“ und „Warum“, gepaart mit einer bodenständigen Zielstrebigkeit – das zieht sich wie eine klare Spur durch das ganze Leben von Josef Antony. Aufgewachsen ist er mit drei Geschwistern in einer nordrhein-westfälischen Handwerkerfamilie. Der Vater, ein treues Kolpingmitglied, arbeitet als Schuhmachermeister, die Kirche spielt durch die tiefgläubige Mutter eine zentrale Rolle zu Hause.

Als Jüngstes der Kinder macht Antony nach der Volksschule zuerst eine Lehre als Schlosser, aber die Eltern und ein Lehrer ermuntern ihn zu mehr: zur Abendschule und zum Abitur. „Das war barfuß durch die Hölle“ skizziert er mit einem seufzenden Lächeln den anstrengenden Weg, der ihn schließlich ins Maschinenbaustudium führt. Ingenieur will er werden, Wissen sammeln, begreifen, verstehen, erfinden. Einige Jahre arbeitet er danach in der Industrie – aber ganz zufrieden macht ihn das nicht.

"Ich wollte das schaffen"

Noch einmal studiert er deshalb, Mathematik und Physik für das Lehramt an der Sekundarstufe II. Seine Frau trägt diese Suche nach dem richtigen Weg mit, auch wenn das finanziell nicht einfach ist. „Ich habe mich immer gefreut, wenn die Patentante mal einen Karton Persil mitbrachte. Aber anfangen und aufhören, das kam nicht in Frage. Ich wollte das schaffen.“ Und am Ende bringt dieser Weg ihm die große Erfüllung, Wissen an junge Leute weiterzugeben. Zuerst arbeitet Antony in der Selmer Heimat als Lehrer, nach der Versetzung nach Aurich ab 1986 dort am beruflichen Gymnasium und bis zur Pensionierung später zusätzlich am Ulricianum, dem größten Gymnasium in Niedersachsen.

Der Beruf, das ist der eine Pol in seinem Leben, die Familie und die Kirche der andere. Sein Glaube ist für ihn eine tragfähige Basis, auf der er sein Leben baut und sich danach ausrichtet. „Das hält und trägt mich.“ Sein Bild von Kirche ist eines von einer Zuflucht, in der man Schutz in allen Zeiten findet. Wie bei den ostfriesischen Gotteshäusern: früher gebaut auf einer aufgeschütteten Warft, als Herberge für die Menschen auch bei Sturmfluten. Denn gerade in schweren Zeiten, da hilft Antony sein Gottvertrauen. Wenn er abends am Kanal joggt, spricht und betet er still mit Gott: Das ist Selbstbegegnung, Kraftquelle und Kontemplation in einem.

Mit seiner Frau und den Kindern engagiert er sich daher schon früh in der Gemeinde. Sitzt in Selm in Gesprächskreisen und diskutiert mit anderen über Glaubensinhalte – ein (hinter)fragender, debattierfreudiger, reflektierender, zuweilen auch ein mit sich und der Kirche ringender Christ. Das setzt sich in Aurich, zuerst im Pfarrgemeinderat, dann bis jetzt über Jahre im Kirchenvorstand fort. „Gerade in der Diaspora will ich nicht einfach nur sonntags zur Messe kommen und dann wieder gehen“, sagt er. Antony will „Flagge zeigen“, mit Namen und Gesicht. 

Sein Name und Gesicht – beide stehen auch für die „Auricher Wissenschaftstage“, die er vor nun gut 34 Jahren gegründet hat: weil er jungen Menschen helfen will, ihre Talente zu entdecken und damit den richtigen beruflichen Weg zu finden. Eine Herzensangelegenheit, in die er immer noch viel Zeit investiert. Die Veranstaltungsreihe verbindet Vorträge renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter bisher 16 Nobelpreisträger, mit einem Stipendiatenprogramm für junge Leute. Antony hat damit Aurich und Ostfriesland auf die wissenschaftliche Landkarte gebracht, heißt es in einer Laudatio, als er im vergangenen Jahr für dieses Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wird.

Die öffentlichen und mit bis zu 400 Gästen gut besuchten Vorträge erlauben einen spannenden Blick in Themen wie den Klimawandel, den Stand der Krebsforschung, europäische Integration oder Quantenphysik. „In diesem Jahr kommt Christian Drosten und spricht über die Corona-Pandemie“, weist er auf das neue Programm hin (Siehe auch „Termine“). Noch wichtiger ist dem Pädagogen – neben spannenden Zeitzeugen-Schüler-Interviews – aber die zweite Säule der Wissenschaftstage: die Stipendien für junge Leute aus der Oberstufe. Mehrere Wochen dürfen sie damit auf Forschungsschiffen im Polarmeer mitfahren, auf Expedition durch den Regenwald gehen, im kunsthistorischen Institut in Florenz oder im Forschungszentrum für Teilchenphysik in Genf mitarbeiten. Immer wieder erlebt er, wie verändert sie danach zurückkommen: selbstbewusster, mit gestärktem Geist, voller Neugierde und einer Ahnung, wie es weitergehen kann. 

Glauben zu dürfen, ist für ihn eine Gnade

Von seinem Glauben hat ihn der wissenschaftliche Drang nie gelöst. Ganz im Gegenteil. Glauben zu dürfen, ist für ihn eine Gnade, denn „Wissenschaft hat nicht auf alles eine Antwort“, sagt Josef Antony. Jahrzehntelang hat ihn die Frage nach Zeit, Raum und Universum umgetrieben. Und er kommt doch mit allen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht weiter, nicht zum Ende. Die Antworten darauf findet er eher in „einer schauenden Demut. Ich bin aufgehoben in einer guten Hand, in der Hand Gottes.“

Petra Diek-Münchow

Die „Auricher Wissenschaftstage“ starten am 11. September und dauern bis zum 28. Oktober. Auf dem Programm stehen Vorträge aus den Bereichen Kunst, Medizin, Archäologie und Politik. Am 13. September ist dabei der aus dem mittleren Emsland stammende Virologe Christian Drosten zu Gast. Er gibt einen Rückblick auf die Covid-19-Pandemie in Deutschland. Weitere Infos zum Programm: https://www.auricher-wissenschaftstage.de