Lebendige Ökumene mit der Ostkirche

Wo Afrika christlich ist

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Personen in Gewändern agieren miteinander.
Nachweis

Foto: Andreas Hüser

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Liturgie in der äthiopisch-orthodoxen Kirche in Hamburg-Wilhelmsburg. Zu den Gästen gehören Monsignore Wilm Sanders und Weihbischof Horst Eberlein (rechts).

Das Christentum kennt viele Formen des Glaubens und des Gottesdienstes. In Hamburg kann sie direkt nebeneinander erleben – und staunen. Ein Besuch bei der äthiopisch-orthodoxen Gemeinde in Wilhelmsburg.

Von außen sieht die Kirche des heiligen Kidanemhret aus wie viele andere. Aber wer hineingeht, betritt eine fremde Welt. Vorher aber heißt es: Schuhe ausziehen. Es gibt einen getrennten Eingang für Frauen (rechts) und Männer (links). Die Liturgie der äthiopisch-orthodoxen Kirche ist reich an Farben, Gesängen und Symbolen. Weihrauch ist fast das einzige, was an einen katholischen Gottesdienst erinnert. Es gibt aber noch mehr liturgische Gegenstände. Im Laufe des Gottesdienstes werden Schirme über die Vorsteher gehalten. Den Ehrengästen werden lange Gebetsstäbe gereicht, mit denen man im Takt des Gesangs auf den Boden stößt. Die liturgische Sprache – fast alle Texte werden gesungen – ist altägyptisch, notiert in einer 1600 Jahre alten Silbenschrift. Aber auch die Messdiener können lange Gebete auswendig. Was auffällt: Die Ikone der Dreieinigkeit über der Ikonostase zeigt drei identische bärtige Personen – eine Darstellung, wie sie in westlichen Kirchen nicht möglich wäre.

Das zweitrößte Land Afrikas – fast unbekannt

Der ökumenische Freundeskreis Philoxenia hat diese Kirche besucht, und zwar an einem besonderen Tag: zur Vesper des Patronatsfestes. Würdenträger sind gekommen: aus Köln der Erzpriester Merawi Tebege, Oberhaupt seiner Kirche in Deutschland; aus Hamburg  Weihbischof Horst Eberlein und die evangelische Pastorin Annette Reimers-Avenarius, Geschäftsführerin des Arbeitskreises christlicher Kirchen (ACK) in der Hansestadt. „Ökumene ist für uns das tägliche Brot“, sagt Tebege. Nicht nur, weil die Hamburger Gemeinde eine evangelische Kirche in Wilhelmsburg angemietet hat. Er setzt auf die Unterstützung und das Gebet aller Christen. Denn das ist nötig. Wenig weiß man in Deutschland über Äthiopien. Es ist das zweitgrößte Land Afrikas, mehr als die Hälfte der Einwohner sind Christen. 50 Millionen Mitglieder und 1400 Klöster hat die orthodoxe Kirche Äthiopiens, eine der ältesten Kirchen der Welt.

Die Apostelgeschichte (8,27-39) berichtet, wie der Diakon Philippus den äthiopischen Kämmerer, Minister der Königin Kandake, auf dessen Rückreise von Jerusalem taufte. Schon die Königin von Saba, die König Salomo besuchte, soll die uralte Verbindung zwischen Israel und Äthiopien begründet haben. Wenig bekannt ist auch die Gegenwart. Seit 2020 herrscht Bürgerkrieg in Äthiopiens Norden. Mönche wurden ermordet, 500 000 Todesopfer soll es gegeben haben und zwei Millionen Flüchtlinge. Trotz eines Waffenstillstands ist der Krieg nicht beendet.

Gastfreundschaft mit Brot, Fleisch und Tee

In Deutschland leben nicht viele Äthiopier. Flüchtlinge kommen eher aus dem Nachbarland Eritrea. Aber seit 2015 ist auch die äthiopische Gemeinde, die ganz Norddeutschland umfasst, gewachsen. „200 bis 300 Familien“, so schätzt der Priester Hiuie Ermias die Zahl seiner Gläubigen. Es gibt Bibelstunden, Beratung und Betreuung, Taufen und Hochzeiten wie in anderen Kirchen, die Kirche unterstützt junge Diakone.

Frauen bilden eine eigene Gesangsgruppe im Gottesdienst, und sie sind die Chefinnen in der Küche. Foto: Andreas Hüser

Zu Beginn der Vesper sind noch nicht viele Gemeindemitglieder anwesend. Aber die Kirche wird voll werden, die Feier wird die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen dauern. Im Untergeschoss ist auch schon groß aufgetischt worden. Es gibt traditionelle Gerichte mit Injera (Fladenbrot), Fleisch und Salat, Reis und Frischkäse, dazu würzigen Tee. Die Gastgeber freuen sich über den guten Appetit der „Philoxenia“.

Dass die Begegnung diesmal nicht nur im Kloster Nütschau, sondern in Gemeinde vor Ort stattfindet, hat seinen Grund. „Von Anfang an geht es uns um die Begegnung und die Gastfreundschaft“, sagt die Vorsitzende Maria Wedewer-Steffen. „Viele Gemeinden sind in deutschen Kirchen zu Gast, aber wenn wir sie besuchen, können sie auch selbst Gastfreundschaft bieten.“ So soll es auch in Zukunft sein. „Wir waren jetzt in einer altorientalischen Kirche zu Gast, im nächsten Jahr soll es eine Kirche in byzantinischer Tradition sein.“ Kontakt: www.freundeskreis-philoxenia.de

Andreas Hüser