Dombauverein unterstützt Sanierung der Annenkapelle
Wo das Jesuskind Unfug macht
Die Annenkapelle im Kreuzgang des Hildesheimer Domes ist ein Schmuckstück. Jetzt wird sie saniert - mithilfe des Dombauvereins.
Man muss den Kopf in den Nacken legen und genau hinschauen, doch dann erschließt sich dem Betrachter eine großartige Symbolik: Die Schlusssteine des gotischen Gewölbes zeigen einen Löwen, einen Pelikan und einen Phönix – alle drei sind Auferstehungssymbole. Der Löwe haucht in der Mythologie seinen toten Jungen Leben ein, der Pelikan tränkt seine Brut mit eigenem Blut und der verbrannte Phönix steigt aus der Asche zu neuem Leben hervor.
Zu finden sind das Gewölbe und die Schlusssteine in der Annenkapelle, die im romanischen Kreuzgang des Hildesheimer Domes steht. Otto II. hat sie 1311 als Friedhofskapelle errichten lassen. Es ist das erste gotische Gotteshaus in Hildesheim. Offenbar wollte Otto einen eigenen Raum außerhalb des Domes für die Totenliturgie schaffen. In der Kapelle vermengen sich der christliche Auferstehungsglaube und mythologische Erzählungen.
Anders als der Dom selbst blieb die Kapelle vom Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges verschont. Dennoch muss das Gotteshaus jetzt in Teilen saniert werden, was ein weiterer Blick nach oben verrät: Der Putz bröckelt, einzelne Steine haben sich gelockert, an der Fassade macht sich sogenannter „Mauerpfeffer“ breit – kleine Pflanzen, die die Fugen zwischen den Sandsteinen besiedelt haben.
Das Bistum hat zunächst eine Voruntersuchung in Auftrag gegeben, im Herbst sollen die Arbeiten starten. Dass die Sanierung dieses Kleinods jetzt überhaupt in Gang kommt, ist auch dem Dombauverein (DBV) zu verdanken. Er hat die Kosten für die Voruntersuchung mit 20 000 Euro gefördert und will sich voraussichtlich auch an der Finanzierung der Sanierung beteiligen. Das Projekt reiht sich nahtlos in die übrigen Fördermaßnahmen des Dombauvereins ein: Er hat bereits die gärtnerische Neugestaltung des Annenfriedhofs mitfinanziert und rund um den Kreuzgang erstreckt sich der Zeitstrahl – ebenfalls ein Projekt des DBV. „Die Annenkapelle ist ein zentraler Ort der liturgischen Tradition und gehört zum unmittelbaren Domumfeld“, sagt Dr. Ralf-Dieter Tappe, ehemaliger Geschäftsführer des Dombauvereins.
Die Annenkapelle sei ein „kleines Schatzkästchen“, meint Professor Dr. Claudia Höhl, Vorstandsmitglied des Dombauvereins und Direktorin des Dommuseums. Tatsächlich hat das kleine Gotteshaus noch mehr zu bieten als die markanten Schlusssteine, zum Beispiel Wasser speiende Fabelwesen an der Außenfassade: Hunde, Affen, Flugdrachen, die einem regelrecht Angst einflößen können. Aber auch eine plastische Darstellung von Anna Selbdritt mit Maria und dem Jesuskind über dem Eingangsportal. Das Besondere hier: Das Jesuskind macht Unfug und reißt Maria die Krone vom Kopf.
Die Kapelle wurde bereits in den 70er- Jahren des letzten Jahrhunderts gründlich renoviert. Die Fehler, die beim Wiederaufbau des Domes in den 50er-Jahren gemacht wurden (unter anderem eine Anpassung an den damaligen Zeitgeist), wurden in der Annenkapelle nicht wiederholt. Und so geht es jetzt auch nicht darum, das Gebäude wie den Dom zu entkernen, sondern vor allem, nötige Erhaltungsmaßnahmen in Angriff zu nehmen.
Fugen müssen erneuert, Risse beseitigt und die Wasserspeier von Moos befreit werden. Außerdem soll die Kapelle ein neues Lichtkonzept erhalten. „Wir mussten erst einmal nachvollziehen, was schon in den 70er-Jahren gemacht wurde. Bislang hatten wir keine Pläne für das Bauwerk“, erläutert Dom- und Diözesanbaumeister Norbert Kesseler. „Wir wollen die Kapelle als Gottesdienstraum erhalten und stellen auch die Frage, wie man diesen wundervollen Raum künftig liturgisch nutzen kann“, sagt Kesseler.
Von Matthias Bode