Auf ein Wort
Wo fängt die Liebe an?
Es berührt mich immer wieder aufs Neue, wenn bei einer Trauung sich zwei Menschen zusagen: „Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens.“
Liebe in Achtung und Ehrfurcht zeigt sich darin, dass ich meinen Partner ernst nehme. Das kann auch bedeuten, unangenehme Dinge ins Wort zu bringen oder aus Überzeugung in einen Konflikt zu gehen. Dann ist mir mein Gegenüber nicht gleichgültig, sondern ich bin bereit, um und mit ihr oder ihm zu ringen. Streiten kann Ausdruck von Liebe sein! Eli Wiesel formulierte es so: Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.
Wenn Jesus im Evangelium zur Feindesliebe auffordert, heißt das: Auch die Menschen, mit denen ich mich schwer tue, die mir Böses angetan haben und mir feindlich begegnet sind, bleiben Gottes geliebte Kinder und haben eine unantastbare Würde. Diese gilt es zu achten und zu ehren und damit zu lieben. Das mag nicht immer einfach sein, aber es hilft, dass das Böse nicht so sehr Macht über uns bekommt oder uns im Herzen verbittert.
Der heilige Benedikt empfiehlt: Non maledicere, sed benedicere – nicht fluchen, sondern segnen. Das ist eine gute, aber schwere Übung: Trotz allem, was du mir angetan hast, wünsche ich dir nichts Böses. Vielmehr stelle ich dich unter die Augen Gottes: Er soll dich segnen, schließlich bist und bleibst du sein Kind. Er soll sich um dich kümmern. „Mit dem Segnen fängt die Liebe an“, sagt eine kluge, ältere Benediktinerin – auch im Umgang mit unseren Feinden.