Die ersten 100 Tage Papst Leo XIV.

Wohin steuert der neue Papst?

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Papst Leo XIV. mit Kreuz
Nachweis

Foto: Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

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Auf ihm ruhen viele Hoffnungen: Papst Leo XIV. trägt das Jubiläumskreuz des Heiligen Jahres 2025 über den Petersplatz und führt eine Prozession mit Mitgliedern der römischen Kurie zur Heiligen Pforte des Petersdoms an.

Seit gut einem Monat ist Leo XIV. im Amt und inzwischen sind erste Linien seines Pontifikats sichtbar. Bei Synodalität und der Rolle von Frauen in kirchlichen Führungspositionen setzt er auf Kontinuität zu seinem Vorgänger. Im Kontakt mit Gläubigen, Kurienmitarbeitern und Kardinälen geht er eigene Wege.

Der Bewahrer

Leo XIV. hat sich in einigen Punkten explizit in die Kontinuität von Aussagen und Entscheidungen von Franziskus gestellt. Das gilt für die Ernennung von Frauen in vatikanischen Führungsämtern ebenso wie für seine Würdigung der Umwelt-Enzyklika Laudato si und die Vision einer Kirche, die ohne Diskriminierung auf alle Menschen zugehen soll. Der erste US-Amerikaner auf dem Stuhl Petri ist also offenbar kein Frauenverachter, kein Klimaleugner und keiner, der ein geschlossenes Kirchenbild mit Wagenburgmentalität hat. Daneben greift der neue Papst immer wieder auf Kerngedanken der beiden Päpste vor Franziskus zurück. Mit Johannes Paul II. verbindet ihn der Wunsch nach einer Wiederbelebung der missionarischen Dynamik der Kirche. Und mit Benedikt XVI. die Wertschätzung für die transzendente Dimension der Liturgie und das Betonen der kirchlichen Wahrheit, die aus seiner Sicht gleichberechtigt neben der Liebe und der Sorge für alle Menschen stehen soll.

Der Ausgleichende

Die unter Benedikt und Franziskus gewachsene Polarisierung innerhalb der Kirche war in den Versammlungen der Kardinäle vor der Papstwahl wiederholt Thema. Dass er die Einheit der Kirche fördern und interne Spaltungen überwinden will, damit diese zu einem Vorbild in einer zerstrittenen Welt werden kann, ist die bislang klarste Ansage des neuen Papstes. Er hat sie in mehreren Ansprachen wiederholt und vertieft.

Der Formelle

Seit seinem ersten Auftritt mit der papstgemäßen Mozetta hat Leo XIV. deutlich gemacht, dass er zwischen dem bisweilen traditionell-nostalgisch wirkenden Auftreten von Benedikt XVI. einerseits und dem sehr saloppen Umgang von Papst Franziskus in Fragen von Kleidung und Protokoll andererseits einen Mittelweg wählt. Zum neuen Stil von Leo XIV. gehört auch das Comeback des Ringkusses bei Audienzen: Franziskus zog oft seine Hand weg, Leo XIV. lässt es zu. Wenn er Kinder segnet, tut er das ohne viel Körperkontakt: Ein Kreuzzeichen auf die Stirn und ein Schulterklopfen treten an die Stelle des Küssens und Herzens. Geändert hat sich auch das päpstliche Brustkreuz: Statt schlichtem Silber ist jetzt wieder Gold zu sehen. Und das gesellige „Guten Appetit“ des argentinischen Papstes am Ende des sonntäglichen Mittagsgebets ist ersatzlos entfallen.

Der Rückkehrer

Im Vatikan laufen Vorbereitungen für eine Rückkehr des Papstes in seine Dienstwohnung im Apostolischen Palast. Das Leben von Papst Franziskus im Gästehaus Santa Marta hat laut Schätzungen italienischer Medien pro Jahr mehrere hunderttausend Euro gekostet – durch entgangene Mieteinnahmen und durch Kosten für mehr Sicherheitspersonal. Hinzu kommen nun erhebliche Renovierungskosten, denn die päpstliche Wohnung ließ Franziskus nie instand halten. In der vatikanischen Kurie gilt die Renovierung der Papstwohnung und die Rückkehr dorthin inzwischen als symptomatisch für den Unterschied beider Pontifikate: Bei Franziskus ging es um die Inszenierung von Bescheidenheit und Volksnähe, bei Leo sind Aufräumarbeiten und die Wiederherstellung von Ordnung angesagt. 

Der Teamplayer

Anders als Franziskus scheint Leo XIV. die Kardinäle und vatikanischen Behördenleiter stärker an Entscheidungen beteiligen zu wollen. In seiner ersten Predigt auf dem Petersplatz sagte er, ein Papst dürfe niemals „der Versuchung erliegen, ein einsamer Anführer zu sein“. Gleich bei seinem ersten Treffen mit dem Kardinalskollegium ließ der neue Papst eine längere Debatte zu. Und in seiner Ansprache an die Kurie sagte er: „Die Päpste kommen und gehen, die Kurie bleibt.“ An diesem Punkt zeigt sich der schärfste Bruch mit dem Denken des Vorgängers, der für sich in Anspruch nahm, alleiniger Entscheider und Garant der Einheit der Kirche zu sein. Leo XIV. hingegen kündigte an, er wolle „sich selbst klein machen“.

Der Delegierende

Franziskus hatte mit der Tradition gebrochen, einen persönlichen Privatsekretär zum wichtigsten Vertrauten und zum Herrn über den Terminkalender des Papstes zu machen. Leo XIV. hat Edgard Ivan Rimaycuna Inga (36), den er aus seiner Zeit als Bischof in Peru kennt, zu seinem Privatsekretär gemacht. In den ersten Wochen schien der allerdings mit der neuen Aufgabe überfordert zu sein: Eine zu dicht getaktete Terminfolge und Verspätungen des Papstes waren die Folge.

Der Haushälter

Beobachter vermuten, dass die unter Franziskus nur noch spärlich geflossenen Spenden aus den USA unter einem amerikanischen Papst wieder reichlicher sein werden. Ob das ausreicht, um das Loch im vatikanischen Haushalt zu stopfen, oder ob Leo XIV. außerdem das bisherige Entlassungsveto in der päpstlichen Personalpolitik aufbrechen wird, bleibt abzuwarten.

Der Synodale

Zwar hat Leo XIV. bekundet, dass er den Weg der Synodalität seines Vorgängers fortsetzen will. Doch wird von dem promovierten Kirchenrechtler erwartet, dass er die von vielen Kardinälen geforderte Balance zwischen den Prinzipien der Synodalität und der bischöflichen Kollegialität herstellt. Möglicherweise wird er neben der seit Paul VI. bestehenden Bischofssynode eine Art kirchliche Generalversammlung etablieren, bei der auch Laien mitbestimmen können. 

Der Außenpolitiker

Franziskus agierte in der Außenpolitik oft mehrgleisig: Er handelte manchmal selbst, gelegentlich setzte er informelle Sonderbeauftragte ein, daneben ließ er aber auch die vatikanische Diplomatie weiterarbeiten. Leo XIV. steht für eine weniger sprunghafte Außenpolitik unter klarer Federführung des Staatssekretariats. Allerdings hat er bereits gezeigt, dass er in entscheidenden Momenten – etwa beim überraschenden Telefonat mit Russlands Präsident Putin – die Außenpolitik auch jederzeit wieder zur Chefsache machen kann.

Der Chef

Das von Papst Franziskus einberufene, aber institutionell nie klar definierte Beratungsgremium zur Reform der vatikanischen Kurie hat unter dem neuen Papst noch nicht getagt. Ob er es überhaupt beibehalten will oder an seiner Stelle die seit Jahrzehnten geforderten Sitzungen der 16 Kurienchefs (und -chefinnen) einführen wird, ist völlig offen.

Ludwig Ring-Eifel