Vatikanisches Weißbuch zu Palliativmedizin

Würde bis zum Tod

Viele unheilbar kranke Menschen werden nicht gut genug betreut. Die Deutsche Bischofskonferenz und der Vatikan tun etwas dagegen. Sie machen Vorschläge, wie das Gesundheitswesen geändert werden müsste, um das Leid der Sterbenden besser zu lindern.

In Deutschland sterben jährlich rund 800 000 Menschen, von denen ein Drittel bis die Hälfte eine gute schmerzmedizinische Versorgung bräuchte. Tatsächlich aber erhielten nur gut zehn Prozent der Patienten eine Behandlung, die ihnen schlimme und oft unnötige Qualen abnimmt, sagt Thomas Sitte, der Präsident der Deutschen Palliativstiftung. 

Weil die Betreuung unheilbar kranker Menschen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ein Problem ist, haben der Vatikan und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) nun ein Weißbuch zur globalen Förderung der Palliativversorgung vorgelegt. Darin empfiehlt die Kirche Kliniken, ambulanten Diensten, Pflegeheimen und vor allem den politischen Entscheidungsträgern praxisnah, was sie zum Aufbau eines Gesundheitswesens beitragen können, in dem Menschen in Würde sterben können. Denn Ziel der Palliativmedizin ist nicht Heilung, sondern die bestmögliche Versorgung von unheilbar Kranken, etwa durch die Gabe starker Schmerzmittel. 

Der Vatikan und die Bischofskonferenz wollen mit dem Weißbuch, an dem der Mediziner Sitte maßgeblich mitgearbeitet hat, ein Zeichen setzen. Und zwar gegen „die Versuchungen der Euthanasie und der Tötung auf Verlangen“, wie Erzbischof Vincenzo Paglia, der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, sagte. Es gelte eine „Kultur der Sorge“ zu etablieren, „die es möglich macht, eine liebevolle Begleitung bis an die Schwelle des Todes anzubieten“. Dazu gehört neben medizinischen Maßnahmen die spirituelle Begleitung von todkranken Menschen. 

Bischof Franz-Josef Bode, der Vorsitzende der Pastoralkommission der DBK, bezeichnete die palliative Fürsorge als die beste Antwort auf die Suizidwünsche kranker und hilfsbedürftiger Menschen und rief die deutsche Politik zu einem flächendeckenden Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung auf. „Die gesetzlichen Maßgaben und deren Umsetzung reichen noch nicht aus“, sagte er. In Umfragen hatten sich zuletzt bis zu zwei Drittel der Deutschen für die Legalisierung der Sterbehilfe ausgesprochen. Zwar hat der Bundestag der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe, wie sie selbsternannte Sterbehelfer in der Schweiz, Belgien und den Niederlanden betreiben, hierzulande 2015 einen Riegel vorgeschoben. Doch inzwischen sind sechs Verfassungsklagen gegen den Paragraf 217 anhängig. Das Bundesverfassungsgericht will im Herbst entscheiden. 

Palliativversorgung muss weltweit wichtig werden

Einige Beobachter befürchten, dass Karlsruhe das Verbot am Ende kippen könnte. Dazu sagte DBK-Sprecher Matthias Kopp: „Wir halten das Gesetz für eine sachgerechte und maßvolle Regelung und hoffen, dass sich diese Sichtweise durchsetzen wird.“

Quasi zeitgleich zur Weißbuchvorstellung fand in Berlin ein internationaler Palliativkongress statt. Darin machten sich die rund 3000 Teilnehmer aus 100 Ländern für ein weltweites Grundrecht auf die ganzheitliche Behandlung unheilbar Kranker stark. „Die Palliativversorgung muss Teil der globalen Gesundheitsagenda sein“, sagte Phil Larkin, der Präsident der Europäischen Gesellschaft für Palliativversorgung.

Andreas Kaiser