Interview mit Weihbischof Udo Markus Bentz

Würde des Lebens bis zuletzt

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Gemeinsam haben sich evangelische und katholische Kirche klar gegen aktive Sterbehilfe ausgesprochen. Doch evangelische Theologen erschüttern diese Position. Weihbischof Udo Markus Bentz widerspricht einem Zeitungsartikel.


Weihbischof Udo Markus Bentz ist Generalvikar des Bistums und auch Vorsitzender des Caritas-Aufsichtsrats.

Frage: Drei evangelische Theologen haben kürzlich in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) den Vorschlag gemacht, in kirchlichen Einrichtungen „abgesicherte Möglichkeiten eines assistierten Suizids“ anzubieten, zu begleiten oder zumindest zuzulassen. Wie ist Ihre Haltung dazu – auch als Vorsitzender des Caritas-Aufsichtsrats?
Weihbischof Udo Markus Bentz: Ganz klar: Ich kann mir das für unsere Einrichtungen nicht vorstellen! Unser Auftrag ist es, dem Leben zu dienen. Das Leitwort der Caritas heißt: „Not sehen und handeln!“ Wir nehmen die Not unerträglich leidender, unheilbar kranker Menschen wahr. Unser Handeln als Antwort auf die Not heißt: Helfen, den assistierten Suizid zu verhindern, aber nicht zum Suizid verhelfen! Wir wollen Orte des Lebens und würdigen Sterbens anbieten. Wir stehen für die Überzeugung der unantastbaren Würde des Lebens bis zuletzt.
Niemand soll verurteilt, erst recht nicht seelsorglich im Stich gelassen werden. Nur eines ist auch klar: Nach dem assistierten Suizid verlangt man kaum aus souveräner Freiheit, eher aufgrund gefühlten oder echten Drucks von außen, vor allem aber aus Verzweiflung und Angst: über die Ausweglosigkeit ihres Leids, vor untragbaren Schmerzen oder zu einer unerträglichen Last für ihre Angehörigen zu werden. Hier setzt unsere Alternative an: die seelsorgliche Begleitung, eine zugewandte pflegerische und psychologische Betreuung; eine intensive palliative Versorgung; eine wirksame Schmerztherapie und die Unterstützung der Angehörigen.
Es braucht mehr Aufklärung, was alles möglich ist. Ich wünsche mir, dass wir konkret darüber sprechen, welche Erfahrungen Sterbende und ihre Angehörigen, Seelsorger, Pfleger und Ärzte mit einer solchen Begleitung des Sterbens in Würde machen. Das nimmt die Angst und verändert die Einstellung zum assistierten Suizid.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Stellungnahme zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidbeihilfe verfasst. Wenn jetzt führende evangelische Theologen von dieser Haltung abweichen, inwieweit wirkt sich das auf die Ökumene aus?
Der Vorstoß war sehr überraschend. Ich bin dankbar, dass der frühere Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Wolfgang Huber, diesen Vorstoß als „bemerkenswert unsensibel“ bezeichnet hat. Das gemeinsame Zeugnis gerade bei gesellschaftlich relevanten Themen provoziert immer wieder ein ökumenisches Ringen, ist aber wichtiger denn je.
Fragen: Anja Weiffen