Meditationstext der Zisterziensermönche von Neuzelle
Zeit vor dem Allerheiligsten

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Anbetung beim Männer-Einkehrtag in Neuzelle. Fotos: Raphael Schmidt |
Johannes Maria Vianney, der Pfarrer von Ars, berichtete über ein Ereignis, das den heiligen Priester erstaunt hat. In der Kirche nimmt er, wie so oft schon, einen einfachen Bauern wahr, der stundenlang dort verweilt, ohne Buch oder Rosenkranz in den Händen, aber den Blick unablässig zum Tabernakel gerichtet. Der Pfarrer fragt ihn: „Was tust du denn hier die ganze Zeit über?“ Der Bauer sagte: „Ich schaue IHN an, und ER schaut mich an. Das ist genug.“ Der Bauer hat, so ist in einem Meditationstext zu dieser Geschichte zu lesen, erkannt, worauf es ankommt: Gott wahrnehmen, ihn ernst nehmen als denjenigen, dem die Menschheit alles zu verdanken hat: Leben, Sonne und Regen zur rechten Zeit, Gesundheit, Freiheit...
„Sei ein wenig für Gott da. Ruhe doch ein wenig in ihm aus“ so drückt es Anselm von Canterbury aus. Und die Zisterziensermönche aus Neuzelle? Sie haben den folgenden Text beim Einkehrtag der Männer am 14. März vorgestellt. Er stammt von Antonius Maria Claret, geboren 1807 in Sallent bei Barcelona, Spanien. Als Sohn eines Webers war er dazu bestimmt, auch Weber zu werden, doch er fühlte sich als Priester berufen. Er wollte Menschen motivieren „Gott kennenzulernen, ihn zu lieben und ihm zu dienen“. 1835 wurde er geweiht. Er war Ordensgründer und Erzbischof von Santiago in Kuba. 1870 starb er im Kloster Fontfroide bei Narbonne, Frankreich.
Erbitte viel – zögere nicht zu bitten!
„Jesus spricht: Es ist nicht nötig, viel zu wissen, um mir zu gefallen – es genügt, dass du mich sehr liebst. Sprich hier also einfach mit mir, wie du mit deinem engsten Freund sprechen würdest!
Musst du mich für jemanden um etwas bitten? Nenne mir seinen Namen und sage mir dann, was du möchtest dass ich jetzt für ihn tun soll! Erbitte viel – zögere nicht zu bitten! Sprich zu mir auch einfach und aufrichtig von den Armen, die du trösten willst, von den Kranken, die du leiden siehst, von den Verirrten, die du sehnlichst auf den rechten Weg zurückwünscht! Sag mir für alle wenigstens ein Wort!
Und für dich, brauchst du für dich nicht irgendeine Gnade? Mache mir, wenn du es möchtest, eine Art Liste mit allem, was du brauchst, und komm, lies sie in meiner Gegenwart! Sage mir offen, dass du vielleicht stolz, selbstsüchtig, unbeständig, nachlässig bist... und bitte mich dann, dir zu Hilfe zu kommen bei den wenigen oder vielen Anstrengungen, die du machst, um davon loszukommen! Schäme dich nicht! Es gibt viele Gerechte, viele Heilige im Himmel, die genau die gleichen Fehler hatten. Aber sie beteten demütig ... und nach und nach sahen sie sich frei davon. Und zögere auch nicht, um Gesundheit sowie einen glücklichen Ausgang deiner Arbeiten, Geschäfte oder Studien zu bitten. All das kann ich dir geben und gebe ich dir. Und ich wünsche, dass du mich darum bittest, soweit es sich nicht gegen deine Heiligkeit richtet, sondern sie begünstigt und unterstützt. Was brauchst du gerade heute? Was kann ich für dich tun? Wenn du wüsstest, wie sehr ich wünsche, dir zu helfen!
Trägst du gerade einen Plan mit dir herum? Erzähle ihn mir! Was beschäftigt dich? Was denkst du? Was wünschst du? Was kann ich für deinen Bruder tun, was für deine Schwester, deine Freunde, deine Familie, deine Vorgesetzten? Was möchtest du für sie tun? Und was mich angeht: Hast du nicht den Wunsch, dass ich verherrlicht werde? Möchtest du nicht deinen Freunden etwas Gutes tun können, die du vielleicht sehr liebst, die aber vielleicht leben, ohne an mich zu denken? Sage mir: Was weckt heute besonders deine Aufmerksamkeit? Was wünschst du ganz sehnlich? Über welche Mittel verfügst du, um es zu erreichen? Sage es mir, wenn dir ein Vorhaben schlecht gerät, und ich werde dir die Gründe für den Misserfolg nennen! Möchtest du mich nicht für dich gewinnen? Ich bin Herr über die Herzen, und mit sanfter Gewalt bringe ich sie dahin, wo es mir gefällt, ohne ihre Freiheit zu beeinträchtigen.
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Tabernakel in St. Hedwig Görlitz |
Als Lohn wirst du meinen Segen empfangen
Fühlst du dich vielleicht traurig oder schlecht gelaunt? Erzähle mir in allen Einzelheiten, was dich traurig macht! Wer hat dich verletzt? Wer hat deine Selbstliebe beleidigt? Wer hat dich verachtet? Teile mir alles mit, und bald wirst du soweit kommen, dass du mir sagst, dass du nach meinem Beispiel alles verzeihst, alles vergisst. Als Lohn wirst du meinen tröstenden Segen empfangen. Hast du vielleicht Angst? Spürst du in deiner Seele jene unbestimmte Schwermut, die zwar unberechtigt ist, aber trotzdem nicht aufhört, dir das Herz zu zerreißen? Wirf dich meiner Vorsehung in die Arme! Ich bin bei dir, an deiner Seite. Ich sehe alles, höre alles, und nicht einen Augenblick lasse ich dich im Stich. Spürst du Abneigung bei Menschen, die dich vorher gern mochten, die dich jetzt vergessen haben, und sich von dir entfernen, ohne dass du ihnen dazu den geringsten Anlass gegeben hast?
Bitte für sie, und ich werde sie an deine Seite zurückbringen, wenn sie nicht zum Hindernis für deine Heiligung werden.
Und hast du mir nicht vielleicht irgendeine Freude mitzuteilen? Warum lässt du mich nicht daran teilnehmen, da ich doch dein Freund bin? Erzähle mir, was seit dem letzten Besuch bei mir dein Herz getröstet und zum Lächeln gebracht hat! Vielleicht hast du angenehme Überraschungen erlebt; vielleicht hast du glückliche Nachrichten erhalten, einen Brief, ein Zeichen der Zuneigung; vielleicht hast du eine Schwierigkeit überwunden, bist aus einer ausweglosen Lage herausgekommen. Du sollst mir einfach sagen: Danke, mein Vater!
Willst du mir nichts versprechen? Ich lese in der Tiefe deines Herzens. Menschen kann man leicht täuschen, Gott aber nicht. Sprich also ganz aufrichtig zu mir! Bist du fest entschlossen, dich jener Gelegenheit zur Sünde nicht mehr auszusetzen, auf jenen Gegenstand zu verzichten, der dir schadet, jenes Buch nicht mehr zu lesen, das deine Vorstellungskraft gereizt hat, mit jenem Menschen nicht mehr zu verkehren, der den Frieden deiner Seele verwirrt? Wirst du zu jenem anderen Menschen wieder sanft, liebenswürdig und gefällig sein, den du bis heute als Feind betrachtet hast, weil er sich gegen dich verfehlte? Nun gut, gehe wieder an deine gewohnte Beschäftigung zurück! Zu deiner Arbeit, deiner Familie, deinem Studium.
Aber vergiss die Viertelstunde nicht, die wir beide hier verbracht haben! Bewahre, soweit du kannst, Schweigen, Bescheidenheit, innere Sammlung, Liebe zum Nächsten! Liebe meine Mutter, die auch die deine ist! Und komme wieder mit einem Herzen, das noch mehr von Liebe erfüllt, noch mehr meinem Geist hingegeben ist! Dann wirst du in meinem Herzen jeden Tag neue Liebe, neue Wohltaten, neue Tröstungen finden. Das alles ist mein Werk.“
Der meditative Text kann als pdf-Datei auf www.bistum-goerlitz.de heruntergeladen werden.