"Alte Mauern, neues Leben"
Zu Besuch beim Apostel Simon
„Alte Mauern – neues Leben“: Einmal im Monat führt diese Reiseseite zu Stätten, an denen einst kirchliches Leben blühte. Das ehemalige Kloster der Prämonstratenser in Bendorf-Sayn ist bis heute ein Schatz inmitten von Gottes Schöpfung – auch dank eines rührigen Förderkreises.
Zuweilen wird dem Wanderer ein besonderer Glücksmoment geschenkt: ein herrlicher Ausblick, ein bauliches Kleinod am Weg, ein Aufenthalt in einer besonderen Atmosphäre für Seele, Herz und Hirn. So ist es auf dem „Traumpfad Saynsteig“, einem Wanderweg nördlich von Koblenz. Wer sich vor oder nach dem Besuch im Garten der Schmetterlinge am Schloss Sayn auf den steilen Weg bergan Richtung Burg macht, dem sind in den folgenden gut fünf Stunden herrliche Naturbegegnungen möglich. Und nach der Runde über 15 Kilometer führt einen der Weg im Schlussakkord zur alten Abteikirche der Grafen von Sayn.
Man stelle sich vor, was das in den Gründungsjahren der Abtei – nach 1204 – für ein Gewusel gewesen sein muss. Hochmittelalter. Inbrünstige Verehrung der Reliquien eines Heiligen. Was für ein Geschenk hatte da der Erzbischof von Köln, Bruno von Sayn, ein Bruder des Stifter-Grafen Heinrich II. von Sayn, der Abtei gemacht: die Armreliquie eines Apostels. Simon der Zelot. Einer von den Zwölf. Mehr Anziehung geht nicht. An einem Sonntag im Jahr 1509 sollen sich mehr als 20 000 Wallfahrer an der Abtei versammelt haben. Nach der Reformation schlief das Pilgern ein. Erst 1742 rief Abt Gellert die alte Wallfahrt wieder ins Leben. Der Zuspruch wurde gefördert durch eine neue Schenkung: die Armreliquie der heiligen Elisabeth von Thüringen (heute in der Schlosskapelle).
Bei dieser Pilgergeschichte ist es kein Wunder, dass sich heute noch ältere Einwohner von Bendorf erinnern, was im Ort los war, wenn zum Kirchweihfest, am vierten Sonntag nach Ostern, der Schrein des Heiligen geöffnet auf dem Altar stand. Und eine alte Wetterregel im Westerwald pries den Apostel auf besondere Weise: „Es wird nicht eher warm, bis gezeigt wird Simons Arm.“
Zur Zeit ist der Schrein bis in den Januar kommenden Jahres verliehen nach Magdeburg für die Ausstellung „900 Jahre Prämonstratenserorden“.
Doch die Abteikirche bietet noch sehr viel mehr: einzigartige Außenmalereien aus dem 13. Jahrhundert, einen wunderbar erhaltenen Kreuzgang, einen spätromanischen Taufstein, Dutzende Grabmäler der ehrwürdigen Grafen, eine historische Stumm-Orgel von 1778 …
Bis heute ein beliebter Ort fürs Heiraten
Heute dient die Kirche als Pfarrkirche in Bendorf-Sayn – und als ein beliebter Ort für die kirchliche Hochzeit – mit abschließendem Empfang im Kreuzgang. Für Touristen, die hierher kommen, stehen im Gästehaus der Abtei Betten bereit – das Haus ist verpachtet an den örtlichen „Lindenhof“. Das sei „eine sehr gute Unterkunft an idyllischem Ort“, sagt Dietrich Schabow. Er ist Vorsitzender des Förderkreises der Abtei. Seit 40 Jahren ist es mit dessen Hilfe gelungen, zahlreiche Restaurierungen in Kirche und Abtei durchzuführen. Immer wieder gibt es Ausstellungen, Konzerte, Weinproben, Fahrten und Führungen.
Um die Blütenpracht und die Hege und Pflege der Klosteranlage kümmert sich seit 25 Jahren eine Gruppe von etwa 15 Freiwilligen: die „Donnerstagsmänner“. Jede Woche treffen sie sich, um anstehende Arbeiten zu erledigen. Zwei „Donnerstagsfrauen“ sorgen dann fürs leibliche Wohl. Dietrich Schabow, auch hier selbst mit aktiv, sagt: „Auf die Frühstücksrunde darf nicht verzichtet werden, weil es die einzige Zeit ist, in der die ganze Gruppe zusammenkommt und Informationen austauschen kann. Bei der Arbeit sind wir in kleine Gruppen verteilt.“
In unmittelbarer Nähe der Abtei findet sich eine weitere Attraktion für Tagesgäste und Wanderer: der Garten der Schmetterlinge, ein Allwetterhaus unter Glas mit exotischen Pflanzen, Vögeln, Schildkröten und Insekten – eingebettet in den romantischen Schlosspark von Sayn mit seinen alten Baumriesen, Teichen und Bächen.
Von Johannes Becher
Weitere Informationen über die Abtei Bendorf-Sayn bietet das Buch „Abtei Sayn“ von Franz-Hermann Kemp (erschienen 2002).
Im Verlag Schnell und Steiner ist ein kleiner Kunstführer über die Abtei mit zahlreichen Fotos erschienen.
www.abtei-sayn.de