Chorsingen im Alter

Zurück zur Leichtigkeit

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Seniorenstimmen klingen nicht mehr schön? Dem widerspricht Professor Kai Koch. Sein Wissen über das Singen im Alter wollte er beim Forum „Chöre im Wandel“ in Frankfurt einbringen. Das fiel wegen Corona aus. Die Kirchenzeitung hat mit Koch gesprochen. Von Barbara Brüning.

Chor
Altere Sängerinnen und Sänger brauchen ein anderes Training als Jüngere. Dann klingen ihre Stimmen auch schön.

„Niemand will in einem Chor zweiter Klasse singen“, sagt Kai Koch, Professor für Musikpädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule München. Kirchenchöre haben jedoch leider mancherorts einen schlechten Ruf. „Da singen nur Alte, und die wollen gar keine Neuen haben“, heißt es schon mal. Und tatsächlich: Manche Kirchenchöre klingen nicht so berauschend. Die Literatur ist oft zu anspruchsvoll für die älteren Stimmen. Von Leichtigkeit und ansteckender Sangesfreude keine Spur. Dabei kann es auch ganz anders aussehen – und vor allem klingen. 

Einer der Pioniere auf dem Gebiet der Seniorenchorleitung

Koch, selbst erst 33, hat eine Doktorarbeit über Chorarbeit mit älteren Menschen geschrieben und ist Gründer und Leiter des Arbeitskreises „Singen im Alter“. Er gilt als einer der Pioniere auf dem Gebiet der Seniorenchorleitung. Sein Wissen geht weit über das hinaus, was an der Universität gelehrt wird. Es war ein Seniorenchor in Münster, der sein Interesse an der Arbeit mit Älteren geweckt hat: „Es war erfüllend und anders“, erinnert er sich heute. Und stellte fest, dass sich niemand bisher systematisch mit Seniorenchören beschäftigt hatte. 

Dabei ist es gar nicht so schwer, einen Chor mit älteren Menschen so zu organisieren, dass er für gute Sänger attraktiv ist, gut klingt und gleichzeitig anspruchsvoll ist. Dann wäre ein Seniorenchor, egal ob er kirchliche oder weltliche Musik im Programm hat, eine wirkliche Alternative zu einem Chor von jüngeren Sängern, erklärt Koch. 

Kai Koch
Professor Kai Koch, München
Foto: privat

Was aber kann man machen? Ist es nicht einfach so, dass Stimmen im Alter nicht mehr so schön klingen? Nein, widerspricht Koch. Empirische Studien zeigen, dass die Qualität der Stimme sehr stark vom Training abhängt. „Natürlich,“ so Koch, „verändern sich Stimmen im Alter.“ Frauenstimmen werden tiefer. Der Regis-terwechsel wird schwieriger. – Aber, so die gute Nachricht: Durch Training bleibt eine hohe Leistungsfähigkeit auch im Alter erhalten. Dafür müsse eben Stimmbildung geübt werden. Ein kurzes Einsingen genüge nicht. Und er fügt hinzu: „Es gibt eine ganze Reihe sehr wirkungsvoller altersspezifischer Übungen.“

Darüber hinaus sei aber auch Wissen über das Altern selbst wichtig: „Da ältere Körper nicht mehr so gut Wasser speichern, trocknen auch die Schleimhäute schneller aus. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass auch während der Proben regelmäßig getrunken wird.“ Und dann ist da ja noch das ganze Kapitel mit der Atmung. Die hängt mit der Bewegung und der Haltung zusammen. – Deshalb ist es wichtig, in den Proben die richtige Atmung, zum Beispiel im Gehen, zu üben und zusätzlich zu dehnen. Dadurch entstehe wieder mehr Lungenvolumen, weil der Brustkorb besser geweitet werde. Es komme zu mehr Weite und Leichtigkeit im Gesang. 

Da die meisten älteren Sänger und Sängerinnen trotzdem nicht mehr die ganze Bandbreite einer Stimme von tief bis hoch abdecken können, weist Koch auf Arrangements speziell für Ältere hin: „Die nehmen darauf Rücksicht, indem die Melodie auf mehrere Stimmen aufgeteilt wird. Dadurch muss sich der Einzelne nicht über Gebühr anstrengen, und es klingt alles besser.“

Beim Singen die Atmung und die Beweglichkeit stärken

Wenn ein Chorleiter all das berücksich-tigt, dann wird das Singen im Kirchenchor wirklich auch für Sänger attraktiv, die eine Alternative zu einem anspruchsvollen und leistungsorientierten weltlichen Chor suchen. Auf diese Art bietet das Singen im Chor nämlich nicht nur die Möglichkeit, richtig gute Musik zu machen, sondern stärkt Atmung, Beweglichkeit und das soziale Miteinander und macht darüber hinaus Mut und Lust, auch andere Projekte anzugehen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Wissen bald zu einem verpflichtenden Teil der Ausbildung für Chorleiter wird.

 

Zur Sache: Viele Anregungen

Das „Handbuch Seniorenchorleitung“, herausgegeben von Kai Koch, Professor für „Musikpädagogik in der Sozialen Arbeit“ an der Katholischen Stiftungshochschule München, ist im Bärenreiter Verlag erschienen und kostet 24,95 Euro. 

Stimmbildungskurse für ältere Chorsängerinnen und -sänger bietet Christiane Hrasky, Chorleiterin und Kirchenmusikerin in Hamburg, an. Ihr Stimmbildungskonzept „schöner singen 60+“ gibt es hier kostenlos zum Download: www.christiane-hrasky.de/stimmbildungskonzept-download (brü)

Das Netzwerk „Singen im Alter“ unter anderem mit Chorliteratur speziell für Ältere findet sich im Internet unter: www.singen-im-alter.de