Politiker und Familien im Dialog
Familien, wo drückt der Schuh?
Fotos: Katholischer Familienbund
Was könnte Familien motivieren, am Familienforum teilzunehmen, das die Brandenburger Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände zum zweiten Mal initiiert hat?
Sie werden dort Gelegenheit haben, Politikern gegenüber deutlich zu sagen, wo sie der Schuh drückt – und damit auch Gehör zu finden. Als Veranstaltungsort haben wir den Landtag gewählt, denn wir möchten deutlich machen: Familien sind wichtig. Dort, wo wesentliche Entscheidungen für das Land gefällt werden, müssen sie präsent und bemerkbar sein. Beim ersten Familienforum, das wir im vergangenen Jahr unter dem Eindruck der Corona-Pandemie veranstaltet haben, kamen gegen Ende die Kinder mit in den Plenarsaal und nahmen mitten im Saal auf dem Boden Platz. Sie brachten ihren Wunschbaum mit, voller Bilder, auf denen sie zuvor all das gemalt hatten, was ihnen am Herzen liegt. „Vergessen Sie dieses Bild nicht“, habe ich den anwesenden Politikern damals gesagt, „bei allem, was Sie hier verhandeln und beschließen, gehören Kinder und Familien immer in die Mitte.“
Haben Familien beim ersten Familienforum vor einem Jahr Probleme aufgezeigt, die den Politikern neu waren?
Im Vorfeld hatten wir eine Umfrage gemacht, in der Eltern gefragt wurden, wie sie während der Pandemie zurechtgekommen waren. Viele haben berichtet, wie belastend es für sie war, im Homeoffice zu arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder zu Hause zu beschulen. Für Familien war oft allein schon die technische Ausstattung ein Problem, wenn alle Kinder ihre Schulaufgaben am einzigen Familienlaptop zu erledigen hatten. Bei einigen kamen noch Existenzsorgen dazu. Mehrere Abgeordnete waren dankbar für die O-Töne, die wir zusammengetragen hatten, und sagten, dass sie sich die Situation so drastisch nicht vorgestellt hatten.
Eltern forderten unter anderem mehr Aufholangebote an Schulen, einen Schub für die Digitalisierung, ein stärkere Augenmerk auf Kindeswohlgefährdung und einen Ausbau der Hilfen für Familien mit behinderten Kindern. Wurde inzwischen etwas von diesen Anregungen umgesetzt?
Die Erwartung, dass ihre Anliegen umgehend 1:1 umgesetzt werden, haben wir von vornherein gedämpft. Politische Prozesse laufen oft sehr langsam.
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Familienbände hat die Forderungen alle aufgenommen und in verschiedenen Gremien eingebracht. Unter anderem haben wir sie in Handlungsempfehlungen für die Familienberatung in Brandenburg einfließen lassen. Die Familienzentren im Land, in denen belastete Familien beraten werden und Unterstützungsangebote kennenlernen, sind in diesem Jahr finanziell stärker gefördert worden. Ich denke, dass unser Forum als ein Baustein dazu beigetragen hat.
Sieht sich der Katholische Familienbund eher als Lobbyist für katholische Familien oder sind Sie für alle Familien da?
Ganz eindeutig: für alle. Das Katholische zeigt sich besonders in der christlichen Soziallehre, die unserer Arbeit zugrunde liegt, es bedeutet nicht, dass wir den Fokus nur auf Menschen legen, die dem sogenannten klassischen katholischen Familienmodell entsprechend leben. Familie ist für den Familienbund überall da, wo Menschen generationenübergreifend und auf Dauer angelegt Verantwortung füreinander übernehmen und füreinander sorgen.
Wenn man in den Gemeinden des Erzbistums unterwegs ist, könnte man den Eindruck gewinnen, katholischen Familien geht es eigentlich ganz gut. Trügt dieser Eindruck?
Wenn man die Gottesdienstbesucher betrachtet, scheinen in der Tat vielerorts Familien aus einem bürgerlichen Milieu zu überwiegen, sicherlich gibt es überdurchschnittlich viel kinderreiche Familien. Mir ist es aber wichtig, genauer hinzuschauen. Häufig ist Armut nicht auf den ersten Blick sichtbar. Auch in katholischen Familien gilt: Alleinerziehende, Mehrkindfamilien und migrantische Familien sind am meisten von Armut betroffen. Wir wollen Gemeinden für Armut sensibilisieren. Ein Beispiel: Die meisten Gemeinden pausieren in den Schulferien mit ihren Angeboten für Kinder. Es gibt Ferienfahrten und RKWs, aber selten durchgehende Angebote. Viel läuft über Ehrenamtliche, die auch eine Pause brauchen. Aber selten wird daran gedacht, dass in Berlin und Brandenburg viele Kinder nie in den Urlaub fahren. Die sind also zu Hause und hätten es in den Ferien sogar besonders nötig, eine Anlaufstelle zu haben. Einige Gemeinden haben arme Kinder und Jugendliche gut im Blick, sie öffnen sich auch in den Sozialraum, kennen die städtischen Familienzentren und Beratungsstellen in ihrer Nähe.
Aber das ist längst nicht flächendeckend so. Das zu ändern, ist auch ein Ziel des Diözesanrates, in dem ich in der Arbeitsgemeinschaft Kinder-, Jugend- und Familienarmut mitarbeite. Eine gute Pfarrgemeinde ist wie ein Familienzentrum. Sie schafft Angebote für alle Altersgruppen und ermöglicht Begegnungen. Wo es Möglichkeiten der Unterstützung gibt, spricht sich dort oft von alleine herum.
Aus welchen Beweggründen engagieren sich Menschen denn in Ihrem Verband?
Sie wollen die Gesellschaft mitgestalten, sich als Christen einbringen, etwas verändern.
Welche Veränderung, die der Katholische Familienbund bisher bewirkt hat, beflügelt Sie zum Weitermachen?
Das ist ein Teilerfolg des Familienbunds auf Bundesebene. Der Familienbund hat, auch in Berlin und Brandenburg, die Klagen von drei Familien aus Freiburg begleitet und unterstützt. Diese haben 16 Jahre lang durch alle gerichtlichen Instanzen geklagt, um eine Benachteiligung von Familien in der Beitragsbemessung für Renten-, Kranken- und Pflegekassen aufzuheben. Ihr Argument: Familien investieren überdurchschnittlich in die Sozialversicherungen. Sie zahlen Beiträge wie Kinderlose auch, darüber hinaus ziehen sie die Generation auf, die für alle die Leistungen sichert. Oft nehmen sie dabei durch unterbrochene Erwerbsbiografien auch noch finanzielle Nachteile in Kauf.
So ein deutliches Ergebnis kann ich für Berlin und Brandenburg nicht benennen. Ich sehe es aber als Erfolg, dass wir vor politischen Entscheidungen, die Familien betreffen, angehört werden, natürlich gemeinsam mit den anderen Familienverbänden. Als Katholiken sind wir hier ja eine sehr kleine Minderheit.
Dass Sie zusammen mit anderen mehr erreichen können, leuchtet ein. Gibt es dennoch etwas, was Sie als Katholischen Familienbund von anderen Familienverbänden unterscheidet? Warum sollte sich, wer sich für Familien einsetzen möchte, ausgerechnet für Sie entscheiden?
Wir möchten, dass in jeder Familie die Partner frei entscheiden können, wie sie ihr Familienleben gestalten möchten, wie sie Erwerbs- und Familienarbeit unter sich aufteilen, ohne dass sie dadurch Nachteile erfahren. Die Politik muss dafür die Rahmenbedingungen setzen. Dazu gehört für uns zum Beispiel der Erhalt des Ehegattensplittings und der vollen Kinderfreibeträge, aber auch der Einsatz für gerechte Löhne und flexible Arbeitszeitmodelle. Wir setzen uns für die Ehe ein. Die Ehe ist das am meisten gelebte Partnerschaftsmodell und in Ehen leben die meisten Kinder. Diese Entscheidungsfreiheit ist auch den jungen christlichen Familien sehr wichtig. Die Politik sollte durch die Rahmenbedingungen, die sie schafft, kein bestimmtes Modell forcieren, sondern die Wahlfreiheit ermöglichen.
Ahnen Sie bereits, welche Themen die Familien in diesem Jahr einbringen werden?
Da kann ich tatsächlich nur mutmaßen. Ich denke, dass die gestiegenen Energie- und Heizkosten, aber auch die Probleme in der Bildung, der Personalmangel in Schulen und Kitas sicher zur Sprache kommen werden. Ich lade alle Familien herzlich ein, nach Potsdam zu kommen und auch ihre Kinder mitzubringen. Während die Eltern mit den Politikern im Gespräch sind, gibt es für die Kleinen ein eigenes Programm.
Familien, die mit Politikern über Probleme Brandenburger Familien ins Gespräch kommen wollen, können sich jetzt schnellstmöglich für das Familienforum anmelden. Es findet am 18. November von 10 bis 15 Uhr im Landtag Potsdam statt. Mehr: www.lagf-brandenburg.de