Duschmobil des Berliner „Sozialdienstes katholischer Frauen“
„Wasser. Würde. Wohlbefinden“
Fotos: Andreas Kaiser
Der Hit ist das Glasdach über der Duschkabine. So etwas haben wohl die wenigsten Menschen in ihren Wohnungen. Und Menschen, die auf der Straße leben, können sich einen solchen Luxus – in einem abgeschlossenen, gut ausgestatteten sowie wettergeschützten Badezimmer zu duschen und sich gleichzeitig noch von der Sonne verwöhnen zu lassen – ohnehin nicht leisten. Die drei Wörter „Wasser. Würde. Wohlbefinden“ stehen daher ganz sicher nicht umsonst auf dem Duschmobil für obdachlose Frauen, das der „Sozialdienst katholischer Frauen Berlin“ (SkF) seit gut vier Jahren in Berlin betreibt.
Zeitweiser Schutzraum vor Übergriffen
„Wir bieten den Frauen einen Schutzraum. Hier können sie sich ohne jeden Zeitdruck waschen und pflegen. Außerdem dürfen sie bei uns, anders als in vielen Notunterkünften, auch mal die Tür eine längere Zeit hinter sich zumachen“, sagt Tabea Erkens. Die 26-Jährige hat in Marburg Sozialarbeit und Praktische Theologie studiert. Seit Oktober 2020 arbeitet sie beim SkF in Berlin und ist dort zusammen mit ihrer Kollegin Maria del Mar Ruiz Serrano sowie derzeit zwölf ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen für das Duschmobil zuständig. Aus den Gesprächen mit den jährlich rund 400 Besucherinnen des Duschmobils weiß Erkens, wie wichtig eine solche Intimsphäre gerade für wohnungslose Frauen ist.
„Viele Frauen haben negative Erfahrungen mit Männern gemacht“ und wurden bereits lange bevor sie auf der Straße landeten, von ihren Männern, Freunden oder Vätern geschlagen oder sexuell missbraucht. „Wohnungslosigkeit passiert ja nicht von einem Tag auf den anderen“, sagt Erkens. Doch mit der Obdachlosigkeit hört das Leid der Frauen ja keineswegs auf – im Gegenteil. Auf der Straße sind sie gewalttätigen Übergriffen meist schutzlos ausgeliefert. Auch vermeintliche Hilfsangebote von Männern erweisen sich oft als Falle: „Die bieten den Frauen an, komm mit, du kannst bei mir duschen. Dann kommt es zum sexuellen Übergriff“, erzählt Erkens. „Das hören wir von ganz vielen Frauen.“ Viele Frauen wollen auch deswegen nicht, dass man ihnen ihre Obdachlosigkeit ansieht.
Im SkF-Duschmobil ziehen sich die wohnungslosen Frauen um, sortieren ihr Gepäck, desinfizieren ihre Habseligkeiten, kämmen sich die Haare. Einige schminken sich, cremen sich ein und lassen sich von den Helferinnen noch mit Duschgel, einem Deodorant, Tampons, Cremes und auch mal ein wenig Kosmetika oder frischer Unterwäsche versorgen. Zeitdruck gibt es im Duschmobil keinen. Auch einen Kaffee oder Tee bekommt man dort ausgeschenkt. Die Frauen können duschen so lange sie wollen, einfach mal durchatmen. Gut 270 Liter passen in den Tank des gut ausgestatteten Duschmobils. Das reicht für ungefähr fünf Frauen. Sogar eine Ladestation für Mobiltelefone ist an Bord des Wagens, der mittlerweile an sechs Tagen pro Woche an unterschiedlichen Standorten Position bezieht.
Projektidee nach französischem Vorbild
Erworben und in Eigenregie umgebaut wurde das Duschmobil 2019 von dem Berliner Unternehmer Matthias Müller, der sonst Berufsbekleidung herstellt und vertreibt. Zusammen mit seiner Frau, einer Französin, hat er ein ähnliches Projekt, das Mobil’douche, in Paris gesehen. Das wollte er unbedingt auch in seiner Heimatstadt installieren. Inzwischen gibt es auch in Hamburg ein Duschmobil.
Unterstützt wurde das Projekt anfänglich vom Bezirksamt Mitte. Inzwischen jedoch wird das Duschmobil durch den Berliner Senat für Integration, Arbeit und Soziales mit rund 120 000 Euro pro Jahr gefördert. Davon werden die Kosten für Personal und Treibstoff gedeckt. Hygieneartikel und frische Wäsche stammen zumeist aus Sachspenden.
Die Nachfrage steigt weiter
Rund 10 000 Obdachlose soll es derzeit in Berlin geben. Rund ein Drittel von ihnen sind Frauen. Genaue Zahlen allerdings kennt niemand. Doch seit der Coronapandemie und der nachfolgenden Inflation sowie den stetig steigenden Wohnungsmieten werden es beinahe täglich mehr. Diesen Trend beobachtet man auch beim SkF mit Sorge. Nach Angaben von Elke Ihrlich, der Bereichsleiterin für „Offene Sozialarbeit“, sei inzwischen sogar die untere Mittelschicht bedroht. Kein Wunder also, dass sich die christlichen Hilfswerke und Verbände seit einiger Zeit immer breiter in der Wohnungslosenhilfe aufstellen. Neben dem Duschmobil betreibt der SkF im Berliner Wedding die Tagesanlaufstelle „Evas Haltestelle“, das Projekt „Housing First“ sowie „Evas Obdach“ in Neukölln, die einzige ganzjährig nur für Frauen geöffnete Notunterkunft Berlins mit rund 30 Schlafplätzen.
Weitere Informationen:
www.duschmobil.de
skf-berlin.de