Alkoholsucht kann jeden treffen

Gleitend in die Abhängigkeit

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Weintrauben vor einer Weinflasche
Nachweis

Foto: imago/Tetra Images

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Ein Vorschlag: Vierzig Tage gesunde Weintrauben statt Wein im Glas.

Alexander Lattig berichtet über seine Arbeit als Suchtberater der Caritas in Cottbus. Die Fastenzeit sieht er als Chance, auf Alkohol zu verzichten. Wer 40 Tage keinen Alkohol trinkt, tue seinem Körper Gutes.

Zwei Gläser Wein am Abend, oder ein Bier, mal auch drei, dazu ein Kurzer … . Diese Trinkgewohnheiten gehören zu den Ritualen der Deutschen. Mit im Boot ist dabei immer das Risiko, in eine Alkoholabhängigkeit zu geraten. 

Caritas-Suchtberater Alexander Lattig aus Cottbus rät, den eigenen Alkoholkonsum zu hinterfragen. Selbst hat er nach Weihnachten im Januar komplett auf Alkohol verzichtet. Nach dem Karneval der Pfarrei zum Guten Hirten beginnt für ihn eine weitere Abstinenz. „Ich feiere gerne, doch nach dem Rosenmontag werde ich mich auf die 40 Tage ohne Alkohol freuen, es muss auch mal gut sein“, so Alexander Lattig. 

Weintrauben und Weinflasche

Wer es schafft, kann wieder genießen

Der Cottbuser Suchtberater der Caritas betont: „Die Fastenzeit ist eine gute Chance, für 40 Tage auf Alkohol zu verzichten. Ich kann nur dazu einladen, mitzumachen.“ 40 Tage sind eine optimale überschaubare Zeit, so Lattig. Diese Begrenzung ist wichtig, um das Ziel zu erreichen und nicht vorher aufzugeben. Wer es dann geschafft hat, der kann am Ostersonntag wieder genießen. Oder, so der Idealfall, man lässt es einfach ganz. Alexander Lattig: „Für die Gesundheit ist ein Leben ohne Alkohol gut, man schläft besser, fühlt sich wohler.“ Die Schädigungen, die durch übermäßigen Alkoholkonsum entstehen können, sind nicht von der Hand zu weisen. Der Suchtberater zählt auf: „Leber und Bauchspeicheldrüse werden geschädigt, ebenso die Nerven und das Gehirn, das einfach kleiner wird. Die Folge kann hier unter anderem eine eingeschränkte Sicht auf das eigene Leben in einem Schwarz-Weiß Denken sein.“

Lattig weiß um die Suchtgefährdung: „Erst sind es geringe Mengen, die täglich konsumiert werden. Ein Bier vielleicht zur Entspannung. Ist der damit verbundene Kick nur noch schwach, so werden es schnell zwei oder drei Bier.“ Alkoholabhängigkeit entsteht gleitend bis zu dem Punkt, an dem der Betroffene nicht mehr ohne sein kann. Kommt es dann zu Problemen im Leben, ist ein weiteres Abgleiten in eine Sucht die Folge. „Es ist einfach wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, schaffe ich das jetzt ohne Alkohol oder schaffe ich es eben nicht.“ Sich in der Fastenzeit diese Frage zu stellen, bietet eine Chance, so Lattig. Wenn es nicht mehr ohne Alkohol – auch bei regelmäßigen kleinen Mengen – geht, dann sollte eine Suchtberatung aufgesucht werden, empfielt er.

Scham gehört zum Krankheitsbild

Sollten Betroffene Scham haben oder sich gar schuldig fühlen? Alexander Lattig sagt klar: Nein! Er erklärt: „Die Abhängigkeit von Alkohol ist eine Krankheit! Mir ist es wichtig, gegen eine Stigmatisierung tätig zu sein. Schuld- und Schamgefühle sind Symptome der Krankheit.“ Zudem sieht Lattig, dass Alkoholabhängige in ihrer Krankheit zerrisssen sind. „Der gesunde Teil will leben und ist bereit Schritte der Heilung zu gehen. Der kranke Teil hingen will nur eines, konsumieren“, sagt Alexander Lattig.

Jeder kann von Sucht betroffen sein

Von einer Suchtabhängigkeit betroffen seien heute alle Schichten der Bevölkerung. Menschen ohne Wohnung, Bürgergeldempfänger, Angehörige der Mittelschicht bis hin zu Entscheidungsträgern in der Gesellschaft, sie alle können betroffen sein. Alexander Lattig möchte den Betroffenen Mut machen, sich helfen zu lassen. Er sagt: „Einige kommen von selbst in die Beratung, weil sie merken, da ist etwas nicht mehr in Ordnung. Andere werden von Angehörigen begleitet.“ Es kommt aber auch vor, dass das Jobcenter Erkrankte zur Beratung schickt. 

Lattig machte in den zurückliegenden Jahren die Erfahrung, dass eine Krise – beispielsweise Corona – ein Treiber in die Abhängigkeit sein kann. Zahlen belegten dies. Die Caritas beriet vor Corona zirka 120 Personen im Jahr, dann stieg die Zahl auf 150 bis 160 Beratungen an. Gegenwärtig ist die Zahl wieder leicht rückläufig. Die Suchtberatung der Caritas in Cottbus bietet weiter vier Selbsthilfegruppen für Alkoholiker und eine für deren Angehörige an.

In seiner Arbeit hilft Lattig allen weiter, die in einer anderen Suchtfalle stecken. So  beim Konsum von Drogen, Nikotinabhängigkeit oder beim Überwinden einer Spielsucht. Auch hier kann in der Fastenzeit mal ein Stopp gesetzt werden, so der Berater. Dabei erzählt er eine Geschichte aus seinem eigenen Leben: „Während des Studiums habe ich in der Fastenzeit das Rauchen eingestellt. Irgendwann habe ich dann einfach nicht mehr angefangen.“

Hinweis: Wer täglich große Mengen Alkohol zu sich nimmt, so die AOK, sollte nicht von selbst versuchen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Es bestehen gesundheitliche Risiken. Bitte suchen Sie einen Arzt auf

 

Holger Jakobi