Beerdigungen in Corona-Zeiten
Abschied nur im kleinsten Kreis
Keine Messe in der Kirche, keine Umarmung auf dem Friedhof, kein Kaffee mit den Freunden: Bei Beerdigungen darf in diesen Tagen nur ein kleiner Kreisam offenen Grab stehen. Was bedeutet das für Familien und Seelsorger?
Nur ganz klein war die Trauergemeinschaft, mit der Bernhard Skeide seine Frau Maria zu Grabe getragen hat. Die Familie, einige wenige Verwandte und Pfarrer Jürgen Altmeppen. „Elf Leute waren wir mit dem Pfarrer“, sagt der 87 Jahre alte Mann aus Dalum. Skeide hat die Regelung klaglos akzeptiert, dass wegen der Corona-Pandemie Beerdigungen nur im engsten Kreis stattfinden dürfen. Nicht einmal alle seine Kinder konnten kommen. Ein Sohn ist krank, eine Tochter sitzt auf dem Kreuzfahrtschiff fest, auf dem sie arbeitet. „Es musste jetzt so sein. Wir haben als Familie von Maria Abschied genommen, für uns war das gut. Und die Trauerfeier hat unser Pfarrer wirklich sehr schön gemacht.“
Aber natürlich ist Bernhard Skeide schon traurig, dass die Freunde und Nachbarn, die Kegelbrüder und -schwestern, die Chormitglieder und andere Bekannte nicht dabei sein durften. „Es wäre sicher eine große Beerdigung geworden“, sagt er und denkt daran, wie viel Kondolenzkarten er bekommen hat. Und dann will er gern erzählen von seiner 84 Jahre alten Ehefrau und ihrem Leben – all das, was die Gäste sonst im Auferstehungsamt über sie gehört hätten.
Über 60 Jahre sind die Skeides verheiratet gewesen, im vergangenen August feiern sie noch die diamantene Hochzeit. „Da haben wir schön getanzt.“ Wie früher, denn bei einem Tanz damals in Lingen lernen sie sich kennen. In Dalum ziehen sie vier Kinder groß. Der gelernte Schlosser arbeitet in der Erdölindustrie, seine Frau am Wochenende in ihrem Beruf als Fleischereifachverkäuferin. Beide sind gut eingebunden in das kirchliche und gesellschaftliche Leben. Maria Skeide macht in einer Gymnastikgruppe, im Kegelverein, im Kirchenchor, in der Frauengemeinschaft und bei der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung mit. „Sie war sehr sozial eingestellt und hatte immer gute Laune“, sagt Bernhard Skeide. „Meine Frau war ein sehr liebevoller Mensch, sie war ein Engel für uns.“
Und bis zu ihrem 80. Geburtstag muss Maria Skeide nur selten zum Arzt, sagt ihr Mann. Aber dann wird sie krank und schnell schwächer – es gibt Herzprobleme und am Ende versagen die Nieren ihren Dienst. „Es war eine Erlösung von einem Leben, das zuletzt sehr schwer war.“ Dabei ist Bernhard Skeide froh, dass er bis zum Schluss bei seiner Frau gewesen ist, dass er noch ihre Hand halten, danke und „Auf Wiedersehen“ sagen konnte. „Das ist jetzt ein großer Trost für mich“.
Keine Nachbarn und keine Vereinsabordnung
Wie sehr die Pandemie die Bestattungs- und Trauerkultur geändert hat, spüren auch die Seelsorger. Gerade auf dem Land falle es zu Corona-Zeiten schmerzlich auf, wenn eine Beerdigung wenige Teilnehmer habe, sagt Martina Panner, Gemeindereferentin in St. Bartholomäus Wellingholzhausen und St. Petrus Gesmold. Keine Nachbarn, keine Vereinsabordnung, keine Fahne, kein letzter Gruß der Frauengemeinschaft: „Solche großen Beerdigungen sind gar nicht mehr möglich.“ Die Leute trauten sich nicht, andere einzuladen und diejenigen, die sonst gekommen wären, bleiben weg. So allein am Grab zu stehen, sei für viele bitter, meint Panner, denn „alles andere fällt ja auch weg – der Beerdigungskaffee, die tröstenden Worte und der Händedruck derjenigen, die kondolieren.“
In der Kapelle herrscht eine bessere Atmosphäre
Dass Trauerfeiern nur draußen stattfinden dürfen, hat Auswirkungen auf deren Gestaltung. Gemeinsames Beten, das Hören von biblischen Texten und tröstende Worte der Person, die die Trauerfeier leitet, sind im geschlossenen Raum besser zu verstehen als unter freiem Himmel. Die Atmosphäre in einer Kapelle sei einfach anders als am Grab, sagt Pastoralreferent Christian Adolf, der in Bremen in St. Raphael zum Team von Priestern, Diakonen und Pastoralreferenten gehört, die Bestattungen leiten. Draußen würden die Menschen eher abgelenkt, selbst wenn es nur wenige sind, die sich versammeln.
In Bremen, wo viele Angehörige eines Verstorbenen nicht mehr kirchlich gebunden sind, falle die Beschränkung der Teilnehmerzahl durch die Corona-Vorschriften kaum auf. Wie Joachim Dau, Pfarrer in St. Raphael, sagt, kämen zu einer Beerdigung im Schnitt höchstens 30 Personen. „Große Beerdigungen mit 100 Leuten wie im Emsland gibt es hier ohnehin nicht“, sagt Dau, und auch ein Requiem sei selten. Ob die Gemeinde später im Jahr Familien, die es wünschen, anbietet, in einem Gottesdienst noch einmal für ihre Angehörigen zu beten, sei noch unklar.
Danach nicht einfach zur Tagesordnung übergehen
Das hat Pfarrer Jürgen Altmeppen von der Pfarreiengemeinschaft Geeste, der unter diesen besonderen Bedingungen bereits acht Gemeindemitglieder beerdigen musste, schon für sich entschieden. „Nach Corona“ will er nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren. Sobald es wieder gestattet ist, öffentliche Gottesdienste zu feiern, will Altmeppen alle betroffenen Familien persönlich mit einem Brief zu einem Auferstehungsamt einladen. Andere Verwandte, Freunde, Nachbarn und Kollegen dürfen gern dazukommen.
Bisher denkt er an zwei Eucharistiefeiern in seinen vier Gemeinden. Dort sollen die Namen genannt und für jeden Verstorbenen eine Kerze entzündet werden – als Zeichen, dass keiner von ihnen vergessen ist. „Es ist wichtig, dass die Menschen noch einmal alle zusammenkommen dürfen,“ sagt er. Dass sie reden und sich in den Arm nehmen dürfen, dass sie weinen und sich erinnern können. In Gemeinschaft.
Petra Diek-Münchow/Andrea Kolhoff
Zur Sache
Die CDU in Niedersachsen will nicht länger hinnehmen, dass von den staatlichen Beschränkungen in der Corona-Krise auch Beerdigungen und Trauerfeiern massiv betroffen sind. Es müsse Lockerungen geben, sagte Dirk Toepffer, CDU-Fraktionschef im Niedersächsischen Landtag, der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Was passiert mit uns als Gesellschaft, wenn wir Gartencenter und Baumärkte quasi für systemrelevant halten und sie öffnen, gleichzeitig aber Menschen verweigern, sich von verstorbenen Angehörigen im üblichen würdevollen Rahmen zu verabschieden?“
Die bisherigen Regeln müssen nach seinen Worten im Sinne der Humanität überarbeitet werden. Toepffer forderte ausdrücklich, Friedhofkapellen sollten wieder geöffnet sein dürfen. (epd)