Bistum stellt Kirchenbücher online

Ältestes Exemplar aus dem Jahr 1612

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Die Kirchenbücher des Bistums sind für viele Familienforscher eine wichtige Quelle und oft der einzige Nachweis, dass eine Person überhaupt existiert hat. Nun hat das Bistum diese Dokumente online gestellt. Ein Jahr lang haben Mitarbeiter des Bistumsarchivs diesen kostenlosen Service vorbereitet.


Georg Wilhelm, Joachim Hermann und Maria Rehnen (v.l.) aus dem
Bistumsarchiv zeigen die alten Kirchenbücher und die eingescannte
Version, die nun im Netz zu finden ist. Fotos: Matthias Petersen

„Unser berühmtester Eintrag“, erklärt Georg Wilhelm stolz. Mit weißen Handschuhen zeigt der Leiter des Bistumsarchivs im Taufbuch 13 der Osnabrücker Domgemeinde vorsichtig auf die Nummer 261. Gut zu lesen steht dort in schnörkeliger Schrift: „Remark, Erich Paul, geboren 22. Juni 1898, getauft 3. Juli 1898. Vater: Buchbinder Peter Franz, Mutter: Anna Maria, geborene Stallknecht.“ Diese Daten sind ein Original – erst später gab sich der berühmte Schriftsteller den Künstlernamen Erich Maria Remarque, erklärt Wilhelm.

So wie dieser Eintrag wurden in dem großen historischen Buch der Domgemeinde alle Taufen akribisch und sauber aufgelistet. Auch Trauungen und Sterbefälle wurden in Büchern notiert. Das ist eine Pflicht, die seit dem Konzil von Trient 1570 und bis heute für alle katholischen Gemeinden besteht: Selbst im digitalen Zeitalter müssen in den Kirchenbüchern alle Taufen, Trauungen und Sterbefälle in der Gemeinde auf genormtem Papier handschriftlich notiert werden. Das schreibt das Kirchenrecht vor. Die Bücher sind im Bistum Osnabrück  Eigentum der Gemeinden und „oft das Älteste, was die Gemeinden haben“, erklärt Wilhelm. Das älteste Exemplar im Bistum stammt aus Groß Hesepe und beginnt mit dem Jahr 1612. Diese Bücher sind eine wichtige Quelle und Identität der Pfarreien. Jeder Priester erhält im Rahmen seiner Ausbildung eine Einführung, wie sie zu führen sind.

Anfragen auch aus den USA und den Niederlanden

Auch für Geschichtsinteressierte und Familienforscher sind die kirchlichen Register eine wichtige Quelle ihrer Nachforschungen, denn erst 1876 wurden in Deutschland die Standesämter eingeführt. Die Aufzeichnungen sind daher oft der einzige Nachweis, dass eine Person überhaupt existiert hat. Seit November können die Bestände des Bistums Osnabrück nun auch online abgerufen werden. Bislang konnten Interessierte nur im Lesesaal des Bistumsarchivs in Osnabrück oder in der Forschungsstelle Meppen die Daten einsehen.

Dieser neue Service ist den Verantwortlichen im Archiv und im Bistum sehr wichtig. Ein Jahr lang haben Georg Wilhelm und seine Mitarbeiter Joachim Herrmann und Maria Rehnen darauf hingearbeitet, Kirchenbücher mit einem Hochleistungsscanner eingescannt und wichtige Zusatzinformationen zu Gemeindeentwicklungen und deren Zugehörigkeiten herausgesucht: „Es gibt kaum ein anderes Hobby, das so onlinebasiert ist, wie die Familienforschung. Die Menschen sollen die Daten sehen und Zugang dazu haben“, erklärt Wilhelm. Seit Jahren erreichen das Archiv zahlreiche Anfragen vor allem aus den USA und den Niederlanden, wo heute noch viele Nachfahren von Auswanderern aus dem Bistum leben.

Für sie und alle anderen wurde jetzt eine Datenmenge von 133 Gigabyte online hochgeladen: Das sind etwa 220 000 Seiten aus fast 3000 Kirchenbüchern. Zu finden ist das kostenlose Angebot auf der Plattform „Matricula“, einem anerkannten Portal für Familienforschung, dessen Träger ein kirchliches Archiv in St. Pölten/Österreich ist. Auch die Bestände der Nachbarbistümer Hildesheim und Münster (mit Offizialatsbezirk Oldenburg) sind dort bereits zu sehen.

Wer sich nun auf der Plattform auf die Suche macht, wird Daten und Informationen aus 145 Pfarreien finden – jenen Pfarreien, die sich um das Jahr 1900 auf dem heutigen Bistumsgebiet befanden. Grund dafür ist der Datenschutz: Taufen sind erst nach 100 Jahren, Ehe- und Sterbedaten erst nach 120 Jahren freigegeben. So können bisher nur Daten bis zum Ende beziehungsweise zum Beginn des 19. Jahrhunderts veröffentlicht werden. Daher haben die Mitarbeiter des Bistumsarchivs besonderen Wert darauf gelegt, die Nutzer auch darüber zu informieren, wie die Pfarrei sich im 20. Jahrhundert weiterentwickelt hat, wo sie genau liegt, welche Bauerschaften oder Ortsteile dazugehörten und gehören und zu welcher Pfarrei, Pfarreiengemeinschaft und Kommune die Gemeinde heute gehört. Ein Service, der viel Arbeit gekostet hat, aber helfen wird, sich besser zurechtzufinden. Für neuere Daten kann man auf staatliche Quellen zurückgreifen.

Viele Zusatzinformationen zu den Gemeinden

Für Georg Wilhelm sind die Kirchenbücher aber weit mehr als nur eine wichtige Quelle für persönliche Familiendaten: „Man kann unheimlich viel an den Büchern ablesen“, erklärt der Archivar. Zum Beispiel, welche Folgen die große Grippekatastrophe nach dem Ersten Weltkrieg für die Menschen hatte, wie sich Eheschließungen entwickelt haben, wie und wohin sich Wanderungsbewegungen ausgedehnt haben und wie hoch die Kindersterblichkeit zu einer bestimmten Zeit war. Das zum Beispiel zeigt auch der Eintrag von Erich Maria Remarque: „Seine Taufe war erst zehn Tage nach seiner Geburt. Zu dieser Zeit ist die Kindersterblichkeit schon zurückgegangen. Als sie noch sehr hoch war, wurden die Kinder bereits ein oder zwei Tage nach der Geburt getauft“, erläutert Wilhelm die Zusammenhänge. So kann er an vielen Zahlen und Daten aus den Gemeinden geschichtliche und gesellschaftliche Entwicklungen ablesen und einordnen.

Viele Menschen sind an den Daten des Bistums interessiert. Das zeigen schon  die ersten Tage im Netz: Rund 1100 Besucher klicken sich seit Anfang November täglich online durch die Osnabrücker Kirchenbücher. Die große Resonanz freut die Archivare. „Die Bücher sind die wichtigste Quelle im Bistum“, meint Wilhelm. Wer Schwierigkeiten hat, die alte Schrift zu lesen, dem bietet das Archiv für 40 Euro an, eine Stunde lang in seinem Auftrag zu forschen. Darüber hinaus sind im Internet Lesehilfen zu finden.

Astrid Fleute

www.bistum-osnabrueck.de/familienforschung/