Anstoß 08/21

Alles meinem Gott zu Ehren

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Manchmal sind wir ja richtig mutig. Und das ganz unbewusst. Mit „wir“ meine ich all jene, mich eingeschlossen, die in Gottesdiensten (als das möglich war) oder zu Hause so manches Kirchenlied singen, dessen Text es in sich hat.


Also Lieder, deren Worte so etwas wie Versprechen sind. Mir fällt da zum Beispiel das Lied ein: „Alles meinem Gott zu Ehren“ (Gotteslob 455).
Ein schönes Lied, in dem es heißt, dass mein Verlangen und Handeln nur ein Ziel hat, nämlich Gottes Lob und Ehre zu mehren. Oder dass ich nur meinem Gott leben möchte und mich seinem Willen ergebe. Das klingt ziemlich vollmundig. Ich bin ein bisschen ins Grübeln gekommen, ob es für mich persönlich redlich ist, wenn ich dieses Lied so unkritisch (mit)singe. Ich kenne mich zu gut, um nicht zu wissen, dass ich mich manchmal sehr schwer tue mit Gottes Willen, dass ich mit ihm hadere, er mir eigentlich gestohlen bleiben kann und ich ihn schlimmstenfalls übertrete.  Diese Erfahrung lässt mich also zögern, so ganz frank und frei manches Lied zu singen wie obengenanntes. Doch es gibt auch eine schöne Erkenntnis bei all meinen Grübeleien. Nämlich, dass es das im Leben braucht: eine Zusage machen, ehrlich einen Vorsatz fassen, ein Versprechen geben und dann dieses so gut man es möchte und kann, einlösen. Das bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass ich meiner Angst, meinen Bedenken die Stirn biete. Ständig meine Unzulänglichkeiten ins Kalkül ziehen, würde mein Leben kleinhalten. Provokant gefragt, könnten sich dann auch noch Heiratswillige trauen, sich das Versprechen zu geben, sich zu lieben, zu achten und zu ehren in guten wie in schlechten Zeiten, im Wissen auch um Situationen, in denen man den Anderen am liebsten auf den Mond schießen würde?
Ich will – im Bild gesprochen – meinen Hut nehmen und ihn über den Fluss werfen. Und ihm hinterherspringen. Ja, vielleicht verfehle ich das andere Ufer. Dann schwimme ich eben den Rest. Aber der Wille zum Rüberkommen ist da.
In dem Lied endet übrigens jede Strophe mit einer Bitte an Jesus, dass er bei all meinen Bemühungen seine Hilfe dazu gebe. In diesem Sinne kann ich singen: Alles meinem Gott zu Ehren!

Andrea Wilke, Erfurt