Pflegekräfte aus dem Ausland

Alles nur eine Formsache?

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Pflegekräfte aus dem Ausland

Dieser Fall hat die deutsche Bürokratie überfordert: Eine ehemalige indische Ordensschwester möchte als Pflegefachkraft in Deutschland bleiben. Katholiken aus Wellingholzhausen kämpfen 16 Monate für die Arbeitserlaubnis.

Sunita Kumasi (Name geändert) hat eine Odyssee hinter sich – eine 16-monatige Irrfahrt durch die deutsche Bürokratie. Sie kam als indische Ordensschwester nach Deutschland, arbeitete zunächst auf Basis eines Gestellungsvertrages als Pflegehilfskraft in einem Seniorenheim. Nach gut einem Jahr entschied sie sich aus persönlichen Gründen gegen das Ordensleben. In Deutschland wollte Sunita Kumasi aber dennoch gerne bleiben und ihre Arbeitskraft als Altenpflegerin oder als in Indien ausgebildete Krankenschwester und Hebamme einbringen. 

Mit dieser Idee landete die 32-Jährige schließlich in Melle-Wellingholzhausen, wo Gemeinde und Pfarrteam um Pfarrbeauftragten Michael Göcking sie herzlich aufnahmen und im Pfarrhaus beherbergten. Schnell bildete sich ein Freiwilligenteam, das dem indischen Gast beim Lernen der deutschen Sprache half, sie unterstützte und begleitete. „Fünf Tage später hatten wir ein Altenheim gefunden, in dem sie hätte arbeiten können. Gerade in der Pflege werden doch Fachkräfte so gesucht“, erzählt Göcking. Also alles kein Problem und nur eine Formsache – dachten alle. 

Doch so einfach war es nicht: Mit dem Austritt aus dem Orden und dem Verlust des Gestellungsvertrages verlor die junge Inderin auch ihr Arbeitsrecht. Selbst die Tätigkeiten, die sie im Seniorenheim bereits über ein Jahr lang ausgeübt hatte, durfte sie nicht mehr übernehmen. Klaus Brokamp, Leiter der Abteilung Personal und Organisation im Generalvikariat, erklärt dies so: „Ein Gestellungsvertrag mit einem Orden ist die übliche Vertragsgestaltung für Sachverhalte, in denen Ordensmitglieder außerhalb ihres Ordens beschäftigt werden sollen.“ Dies sei im Schul- und Gemeindebereich ebenso üblich wie inzwischen auch teilweise in der Pflege: „Der Orden stellt nach einem Gestellungsvertrag Personen zur Verfügung.“ Es handele sich arbeitsrechtlich eher um eine Abordnung denn um ein Dienstverhältnis.

Löse jemand seine Verbindung mit dem Orden, entfalle auch die darüber bezogene Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Brokamp: „Sie ist demnach wie eine normale Person zu behandeln, für die die asyl- und ausländerrechtlichen Bestimmungen Anwendung finden. Würde man woanders für eine Tätigkeit eine ,Greencard‘ erhalten, wäre auch die möglicherweise zweckgebunden.“

Nervenaufreibende Bürokratie endlich beenden

Für Sunita Kumasi und die Gemeinde folgte ein Kampf um Papiere, Genehmigungen und Anerkennungen. Michael Göcking erinnert sich: „Es war schon schwer genug zu erfahren, welche Hürden wir überwinden müssen. Doch nachdem alle Unterlagen, von zugelassenen Dolmetschern für viel Geld übersetzt, eingereicht waren, hat die Behörde für die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen geschlagene zehn Monate für die Prüfung benötigt.“ Weitere drei Monate dauerte es, bis eine Arbeitserlaubnis ausgestellt wurde. Immer wieder führte der Pfarrbeauftragte Telefonate, sprach mit Behörden und Politikern, schrieb E-Mails und Anträge. Nicht nur einmal hörten er und Sunita Kumasi in den Ämtern den Satz: „Ihr Fall ist hier gar nicht vorgesehen.“

In gut verständlichem Deutsch erzählt Sunita Kumasi ihre Geschichte – wie sie mit 15 Jahren Ordensschwester wurde und stets tat, was der Orden für sie plante: sie hielt sich an die Regeln, erlernte den Beruf der Krankenschwester, ging nach Deutschland, als dies für sie vorgesehen war. Das Ordensleben in Indien sah mehr Freiheiten für die Schwestern vor, so konnte Sunita Kumasi zum Beispiel auch Besuche machen. In Deutschland war das nicht vorgesehen, die Schwestern dieses Konventes waren stets unter sich. Nach einem Jahr entschied sie: „Ich will raus aus der Enge. Das Leben in Deutschland ist so frei. Ich will diese Freiheit erleben.“ 

Sie wollte arbeiten – war nach ihrem Austritt aber zunächst zum Nichtstun verurteilt. „Noch nicht einmal ein Praktikum durfte sie in dieser Zeit absolvieren“, sagt Göcking und schüttelt sichtbar verärgert den Kopf. „Wie kann es sein, dass jemand, der hier schon gearbeitet hat, nicht wenigstens in diesem Bereich weiterarbeiten darf?“, fragt er und übt deutlich Kritik am deutschen System: „Vielleicht kann diese nervenaufreibende Bürokratie endlich mal beendet werden.“ 

Sunita Kumasi versuchte, die Zeit sinnvoll zu nutzen, indem sie die deutsche Sprache und  Kultur lernte, Gemeindemitglieder und Pfarrteam mit indischen Gerichten verwöhnte, sich auf die Führerscheinprüfung vorbereitete.

Anfang Februar kam endlich mit einer vorläufigen Arbeitserlaubnis die erlösende Botschaft ins Pfarrhaus: Sunita Kumasi darf als Pflegehelferin im Christlichen Klinikum in Melle arbeiten. Begeistert erzählt sie: „Die Krankenhäuser sind hier besser ausgestattet als in Indien, allerdings gibt es auch viel Bürokratie, viele Vorschriften.“ Nach und nach holt sie die Qualifikationen nach, eine Menge Prüfungen stehen ihr bevor. Bald wird sie in eine eigene kleine Wohnung ziehen – ein weiterer Schritt zu mehr Selbstständigkeit und Freiheit. Nicht nur Michael Göcking freut sich darüber – und ist erst mal erleichtert. Schmunzelnd sagt er: „Sie hatte Glück, dass sie hier gelandet ist – und dass wir gute Nerven hatten.“

Astrid Fleute