Kinder- und Jugendkantorei Bremen

Angstfrei singen

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Gemeinsam zu singen, macht Spaß. Aber Ilka Hoppe geht es nicht nur ums Singen, sondern auch um die Gemeinschaft, die in der Corona-Zeit sehr gelitten hat. Seit 2008 leitet Hoppe die Bremer Kinder- und Jugendkantorei. Bei ihr gibt es keinen Leistungsdruck. Und auch die "Brummer" dürfen mitsingen.


Ilka Hoppe hat schon viele Kinder und Jugendliche in Bremen
für das Chorsingen begeistert. Foto: Christof Haverkamp

Auf Schloss Canterville spukt es, und das seit Jahrhunderten – seitdem Sir Simon seiner Frau einen Zahn zog und daraufhin von ihrem Zahnarzt verflucht wurde. Da nützt kein Heulen und kein Zähneklappern, der arme Sir Simon muss sich nun Nacht für Nacht als Gespenst von Canterville abrackern. 

Es ist kaum auszumachen, wer mehr Spaß an diesem lustigen Grusical hat: die Kinder auf der Bühne oder Ilka Hoppe hinter der Bühne. Musiktheater sei ein perfektes Training für die Stimmbildung und auch, um (emotionale) Inhalte musikalisch zu transportieren, findet die Leiterin der Bremer Kinder- und Jugendkantorei. Die Kinder lernen, sich zu konzentrieren, auf den Punkt zu kommen und auf ihre Mitspieler zu achten. „Vielen fällt es schwer, die Konzentration so nach vorn zu bringen“, sagt sie. Aber sicher ist: Nach einem Stück wie „Das Gespenst von Canterville“ hat Ilka Hoppe einen Kinderchor, mit dem sie arbeiten kann. 

Zu spielen, auf einer Bühne zu agieren, tut gut. „Man merkt Kindern an, dass sie in einer Welt leben, die immer digitaler wird.“ Woran macht sie das fest? „Manchmal vergessen Kinder, mich anzugucken, wenn ich mit ihnen rede. Zuzuhören und mit dieser Information etwas anzufangen – das geht verloren. Ich kann aber nur toll Musik machen, wenn ich höre, den gesamten Klang empfinde und mich auch mal unterordnen kann in einer Gemeinschaft.“

Ilka Hoppe, 57 Jahre alt, will anderen Menschen Freude machen mit Musik. Aber es geht nicht nur um das Singen, sondern auch darum, eine Gemeinschaft zu erleben. 

Die studierte Kirchenmusikerin und Meeresbiologin leitet die Bremer Kinder- und Jugendkantorei seit 2008. Es gibt zwei Chöre: den Kinderchor mit aktuell 32 Sängerinnen und Sängern im Alter von fünf bis zwölf Jahren, und den Jugendchor, ebenfalls mit 32 Mitwirkenden im Alter von zwölf bis 22 Jahren. Hoppe beschreibt es als großes Glück, dass die Kinder- und Jugendkantorei vor zwei Jahren ein Förderverein wurde und die Propsteigemeinde mit Unterstützung des Bistums und des Fördervereins ihre Stelle bezahlt. 

Gute Laune, Bewegung und überzeugende Lieder

„Mit Kindern zu arbeiten, ist echt Stress“, sagt sie und lacht laut. Sie liebt diesen Stress, begleitet „ihre“ Kinder über Jahre und weiß, wann sie über- oder unterfordert sind, was zu tun ist, wenn sie ihre müden Phasen kurz vor den Ferien haben. Bei ihr gibt es kein Vorsingen, keine Leistungsvorgaben. Alle Kinder können mitsingen, auch die "Brummer". „Wenn sie gern singen und sich in der Gruppe wohlfühlen, reguliert sich vieles über die Zeit.“ Wichtig sind auch: gute Laune, Bewegung während der Proben und Lieder, „von denen ich selbst überzeugt bin“.


Der Jugendchor der Bremer Kinder- und Jugendkantorei in seiner aktuellen Besetzung, hier in der Propsteikirche St. Johann. Foto: Christof Haverkamp

Kinder und Jugendliche haben einen guten Geschmack, sie spüren Qualität und schätzen Verlässlichkeit. Unterschätzen sollte man sie auf keinen Fall. Davon ist Ilka Hoppe überzeugt. Jede Probe sei auch eine Bewährungsprobe, man müsse immer wieder ein Angebot machen und viel Energie reinstecken, erst dann „fühlen sich Kinder angesprochen“. Zugleich wollen sie gefordert werden. „Vor allem der Jugendchor, der will sich an unseren Programmen ein bisschen die Zähne ausbeißen.“ Bei Ilka Hoppe lernt man auch, loszulassen und angstfrei zu singen. „Wer singt, zeigt Seele. Und wer Seele zeigt, ist mutig.“ 

Von Corona habe sie sich nur ungern ausbremsen lassen, sagt Hoppe. Und hat deshalb vieles ausprobiert: Proben an der frischen Luft, Proben in der Kirche mit Kindern aus zwei Haushalten oder Einzelunterricht. Zoom-Proben mit Kindern, sagt sie, hätten zum Beispiel nicht funktioniert. „Wenn ich den Chor am Bildschirm vor mir habe, fühlt sich das einzelne Kind nicht mehr angesprochen – weil es nur eine Bildkachel unter vielen ist.“ In der Corona-Zeit ging es vielen Kindern schlecht, sie entwickelten Ängste, sind nicht mehr aus dem Haus gegangen – und kamen auch nicht zu den ersten Chorproben. „Das Miteinander hatte sich verändert, wir mussten viel Energie reinstecken, Gespräche führen und erst wieder lernen, aufeinander zuzugehen.“

Ilka Hoppe ist froh, dass diese Zeit vorbei ist. Sie freut sich jetzt auf Advents- und Weihnachtskonzerte und ein großes Musiktheater mit dem Jugendchor. Über eine mangelnde Nachfrage kann sich die Chorleiterin nicht beklagen. Die Mitgliederzahlen steigen sogar. Meistens sind es die Kinder und Jugendlichen selbst, die für ihre Chöre werben. 

Anja Sabel

In der aktuellen Kibo-Ausgabe lesen Sie auch einen Bericht über den neu gegründeten Kammerchor in Bremen und einen Rückblick auf den DIözesanchortag.