Wirkung von Endorphinen

Auch Zuneigung kann Glück bedeuten

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Junge Frau isst sichtlich mit Genuss einen Croissant.
Nachweis

istockphoto/Mixmedia

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Etwas Leckeres zu essen, macht glücklich. Das ist im Menschen angelegt, damit er überlebt.

In seinem Buch „Das Endorphin-Prinzip“ erklärt der Neurologe Borwin Bandelow, wie im Gehirn Glücksgefühle entstehen. Das daran beteiligte Belohnungssystem können die Menschen
nutzen, um zufriedener zu werden, sagt er im Interview.

Herr Bandelow, was macht uns Menschen glücklich?

Glücksgefühle werden von den Endorphinen verursacht, Hormonen, die das sogenannte Belohnungssystem im Gehirn steuern. Wenn wir zum Beispiel etwas essen oder Sex haben, werden im Gehirn Endorphine ausgeschüttet und wir fühlen uns wohl. Das nenne ich das Endorphin-Prinzip.

Wie genau funktioniert dieses Endorphin-Prinzip?

Das Gehirn besitzt Opiat-Rezeptoren. Die Rezeptoren sind gebaut für die körpereigenen Opiate, die Endorphine. Docken diese an den Rezeptoren an, entsteht das Glücksgefühl. Man kann sich diese Endorphine künstlich zuführen, indem man opiodhaltige Medikamente oder Drogen einnimmt. Diese sind den körpereigenen Opiaten so ähnlich, dass sie dieselbe Wirkung haben. Sie sind allerdings gefährlich, weil sie eine Sucht auslösen können. Deshalb sollten wir stattdessen ungefährliche Methoden wählen, legales Doping also.

Warum streben Menschen überhaupt nach dem Glück?

Die Natur hat das Prinzip ‚Ernähren und Vermehren“ erfunden. Ich muss mich ernähren, damit ich weiterlebe. Deswegen bekommen wir, wenn wir etwas Leckeres essen oder trinken, eine Endorphin-Ausschüttung. Aber auch die Menschheit soll überleben. Deshalb bekommen wir beim Sex eine Glückshormon-Ausschüttung. Damit wird garantiert, dass die Welt sich weiterdreht. Wenn Essen und Sex keine Glücksgefühle auslösen würden, würden wir uns dafür nicht anstrengen oder es schlicht vergessen.

Hängt es denn vom Individuum ab, ob es glücklich ist oder spielen äußere Einflüsse eine Rolle?

Äußere Einflüsse spielen eine viel kleinere Rolle als wir gemeinhin annehmen. Die meisten Menschen denken, Glück sei, wenn sie eine hübsche Wohnung, einen Erfolg versprechenden Job oder einen liebevollen Partner finden. Aber viele Menschen haben all das, was landläufig unter Glück verstanden wird, und sind trotzdem nicht glücklich. Es kommt nämlich auch darauf an, welcher Glückstyp man ist: Ob man immer gut drauf ist oder ob man das Gefühl hat, immer Pech im Leben zu haben, ohne dass die äußeren Umstände sich wesentlich unterscheiden würden.

Natürlich gilt auch: Wer arm ist und nichts zu essen hat, fühlt sich eher unglücklich. Aber unter den vielen Menschen, die in unserer heutigen Überflussgesellschaft gut situiert sind, gibt es extrem viele, die unglücklich sind. Umgekehrt können auch Menschen, die viel Leid erfahren hätten, noch glücklich sein. Das hängt mit den biochemischen Vorgängen im Gehirn zusammen und mit den vererbten Persönlichkeitseigenschaften, den Glückstypen.

Wie kann ich denn die Biochemie und das, was vererbt ist, in irgendeiner Form „austricksen“ oder „dopen“, wie Sie sagen?

Daran, welcher Glückstyp ich bin, kann ich tatsächlich wenig ändern. Das macht aber auch nur etwa 50 Prozent meines Befindens aus. Den Rest kann ich beeinflussen. Die Biochemie können wir kontrollieren, das Belohnungssystem stimulieren und für Endorphin-Ausschüttungen sorgen – zum Beispiel virtuell. Ein James-Bond-Film oder ein Liebesfilm sorgen mit der Darstellung von Liebe und Spannung für jede Menge Endorphin-Ausschüttungen. Das zeigt, dass sich das Belohnungssystem leicht austricksen lässt.

Womit kann ich denn das Belohnungssystem sonst stimulieren?

Da ist zum Beispiel das Essen. Nahrung schmeckt dann besser, wenn Eiweiß, Fett, Zucker, Salz und etwas Saures drin ist. Spürt die Zunge diese Geschmäcker, springt das Belohnungssystem an. Das ist so, weil wir all diese Nahrungsbestandteile zum Überleben brauchen. Wenn sie im Essen vorkommen, schmeckt es lecker. Die Zunge filtert also heraus, welche lebenswichtigen Dinge ich essen muss, um sämtliche Körperfunktionen aufrechterhalten zu können.

Welches sind weitere Methoden, um Glücksgefühle auszulösen?

Schöne Musik hören, heiß baden oder Aufmerksamkeit und Zuneigung von anderen Menschen bekommen. Aber auch wenn wir eine besondere Entdeckung gemacht, eine Gefahr unbeschadet überstanden haben oder Sport treiben, haben wir eine Endorphin-Ausschüttung. Es gibt unzählige Gelegenheiten.

Der Körper ist also so aufgebaut, dass alles, was ihm dient, auch gleichzeitig Spaß macht. Müssen wir also nur vielmehr auf unseren Körper hören?

Ja, exakt. Allerdings müssen wir auch aufpassen, es nicht zu übertreiben. Also insgesamt zu viel oder zu süß zu essen, zu viel Alkohol zu trinken oder Computer zu spielen, ist schädlich und ungesund. Es kommt darauf an, das richtige Maß zu finden. Vor allem diejenigen Menschen, die genetisch bedingt kein Glückstyp sind, sollten versuchen, das Belohnungssystem so weit wie möglich mit den positiven, gesunden Methoden zu stimulieren.

Macht Geld auch glücklich?

Bis zum gewissen Grad, ja. Der US-amerikanische Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann hatte 2008 Menschen in den USA dazu befragt. Ergebnis: Bis zu einem Jahreseinkommen von damals 75000 Dollar wurde das Glück immer mehr. Danach stieg das Glücksgefühl nicht mehr.

Wie ist es denn mit Konsum? Shopping und Urlaubsreisen sind für viele heutzutage wichtig.

Man darf davon nicht das große Glück erwarten. Denn Glücksgefühle sind flüchtig. Das gilt allerdings für jede Form von Glücksgefühl. Ich würde niemals sagen, dass man sich den Spaß am Shoppen komplett versagen sollte. Aber auch bei einem neuen Paar Sneaker oder einem Lamborghini hält das Glücksgefühl nicht lange an. Wir verspüren es für maximal drei Wochen.

Sie sagen, Glücksgefühle halten nicht lange an. Viele Menschen streben aber nicht nach solch kleinen Glücksgefühlen, sondern nach dem einen großen ewigen Glück. Wie ist es damit?

Wir müssen uns davon lösen, dass wir irgendwann an einem Punkt ankommen, an dem wir uns rundum glücklich fühlen und das bleibt dann so. Es gibt vielleicht einige wenige Menschen, die aufgrund der Veranlagung ein solches Gefühl haben. Das sind nicht unbedingt die Reichen und Schönen. Es kann der Bauer in Bulgarien sein, der gerne auf seinen Feldern arbeitet und seine Enkelkinder liebt. Aber für die meisten Menschen gilt, dass sie das Absolute nicht erreichen werden.

Zudem sind Endorphin-Ausschüttungen immer relativ. Also wenn ich jeden Monat 1000 Euro überwiesen bekomme, nimmt mein Glücksgefühl darüber im Laufe der Zeit ab. Ein Selbstständiger verdient unregelmäßig mal nur 700, aber dann auch wieder 2800 Euro. Er hat mehr und intensivere Glücksmomente. Wer nie durchs Jammertal gegangen ist, erlebt auch kein Bergfest. Glück ist auch von relativen Veränderungen abhängig.

Interview: Martina Schwager

Borwin Bandelow, Das Endorphin-Prinzip, Wie Glück im Gehirn entsteht, Maximum Verlag, 22 Euro.