50 Jahre Reittherapie bei Vitus in Meppen
"Auf dem Pferd bin ich größer"
Foto: Vitus
Auf dem Pferd hat jeder Mensch vier gesunde Beine, hat Gottfried von Dietze einmal gesagt, der Wegbereiter des therapeutischen Reitens in Deutschland. Dies ist auch das Motto bei Vitus in Meppen, wo das therapeutische Reiten seit 50 Jahren fester Bestandteil des Angebotes für Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen ist. An drei Standorten in Meppen und Twist können Betreute und Beschäftigte von der Kindertagesstätte (Kita) bis zur Rente von den positiven Effekten des Reitens profitieren.
1974 war das therapeutische Reiten in der Einrichtung für Menschen mit Behinderung gestartet - als Angebot für die Tagesbildungsstätte und dem ersten Therapiepferd in der Reithalle Altmeppen in Meppen-Nödike. Die neue Therapieform wurde sehr gut angenommen und das Programm wuchs schnell, sodass bald auch Beschäftigte der Werkstatt und Kitakinder auf dem Pferderücken Platz nehmen konnten. Später wurde dann eine neue Reithalle an der Liebigstraße gebaut.
Geschäftsführerin Mary Fenske, die fast von Beginn an Teil des Teams des therapeutischen Reitens bei Vitus ist, erinnert sich: „Ich habe mit meinem Mann im Vorfeld eine Rundreise quer durch Deutschland gemacht, um Ideen zu sammeln, wie eine Reithalle möglichst barrierefrei gestaltet werden kann.“ Kernstück des Konzeptes ist eine Rampe geworden, an der die anderen Maße des Geländes ausgerichtet sind und die einen Zugang von Menschen im Rollstuhl von der Box bis auf den Pferderücken ermöglicht.
Ein weiterer Meilenstein war der Neubau der Reithalle an der Landwehr durch den Familienhof Brüning. Diese Halle ersetzte die Halle Altmeppen und ermöglichte durch die räumliche Nähe zur Tagesbildungsstätte sowie dem heilpädagogischen Kindergarten das therapeutische Reiten fest in den Stundenplan aufzunehmen. Inzwischen besteht das multiprofessionelle Team aus über 20 Fachkräften der pferdegestützten Therapie und Förderung, Trainern im Pferdesport, Motopäden, Heilerziehungspflegern und Ehrenamtlichen. Sie begleiten Kinder der Vitus Kindertagesstätten, Schülerinnen und Schüler der Jakob-Muth- und der Helen-Keller-Schule sowie Beschäftigte der Werkstatt bei den regelmäßigen Therapien auf dem Pferd.
Therapeutisches Reiten hat große Vorteile
Das therapeutische Reiten umfasst bei Vitus die sogenannte Hippotherapie sowie die Pferdgestützte Heilpädagogik mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten. Allen Anwendungen gemein sind jedoch die größten Vorteile der Therapie auf dem Pferd. „Der dreidimensionale Schritt des Pferdes überträgt sich auf die oder den Reitenden und erzeugt dadurch Bewegungen wie beim Laufen, die bei herkömmlicher Physiotherapie so nicht nachgeahmt werden können“, erklärt Mary Fenske. „Gerade für motorisch beeinträchtigte Menschen, die beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind, wirken sich diese Bewegungen der Gelenke und der gesamten Wirbelsäule sehr vorteilhaft aus und können zur Verringerung von Schmerzen führen.“
Auch die Psyche der Patienten profitiert, insbesondere beim Ausritt in der freien Natur. Der spielerische Charakter der Therapie steigert die Motivation und die Auseinandersetzung mit dem Pferd fördert die emotionale und soziale Kompetenz. Dieser Effekt steht auch bei einem Kursangebot der Werkstatt im Vordergrund, das speziell die Begegnung mit dem Pferd und nicht das Reiten aufgreift. Reiten und der Umgang mit Pferden wirkt ganzheitlich auf den Menschen und ist somit auch bei geistigen oder psychischen Einschränkungen ein wertvoller Bestandteil der Therapie. Fenske erinnert sich an die Aussage eines Patienten im Rollstuhl, die es auf den Punkt bringt: „Im Rollstuhl muss ich immer hochschauen, aber auf dem Pferd bin ich größer als alle anderen“.
Das therapeutische Reiten hat sich laut Vitus absolut bewährt und wird deshalb von der Einrichtung seit 50 Jahren finanziell getragen, obwohl die Kosten dieser Maßnahme inzwischen nicht mehr durch die Krankenkassen übernommen werden. Auf die Frage, was sie sich für die Zukunft wünschen würde, antwortet Mary Fenske: „Ich würde mich freuen, wenn dieses tolle Angebot so weitergeführt werden kann. Dafür braucht es aber auch junge Fachkräfte mit Interesse an der pferdegestützten Therapie, die nachkommen.“ Und noch ein weiteres Therapiepferd, ergänzt Fenske, das sei auch immer hilfreich.
Vitus in Meppen engagiert sich auf der Grundlage eines christlichen Menschenbildes unter anderem in den Feldern kindliche Entwicklung und Familie, schulische Bildung und Berufsvorbereitung, berufliche Qualifizierung und Teilhabe am Arbeitsleben, Wohnen und Lebensgestaltung sowie Begleitung & Entlastung Angehöriger. Über 950 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigen an rund 50 Standorten im mittleren Emsland jährlich über 2 000 Menschen darin, neue Perspektiven für ihr Leben zu entwickeln. Infos: https://www.vitus.info