Zeltlager-Erfahrungen im Bistum Osnabrück

"Auf die Spinnen hätte ich verzichten können"

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Heike Schröder war als Kind, als Jugendliche und als Gemeindereferentin insgesamt 49-mal im Zeltlager, in manchem Sommer sogar mehrfach. Was ist nötig, damit ein Lager für alle Teilnehmer gelingt? Und welcher Moment ist für sie der schönste gewesen?


Zeltlager-Erfahrungen prägen fürs Leben. Foto: istockphoto.com/StockPlanets

Wie oft sind Sie im Zeltlager gewesen?

Ich komme auf die Zahl von 49. Das 50. Mal wurde mir verwehrt (lacht).

Wie das?

Bis 2018 war ich Gemeindereferentin in der Domgemeinde. Seitdem bin ich Pastorale Koordinatorin in Holzhausen-Ohrbeck, Kinder- und Jugendarbeit gehören leider nicht mehr zu meinen Aufgaben. Andererseits: Ich bin jetzt 52, in dem Alter muss man vielleicht auch nicht mehr ins Zeltlager.

Wann fing das an?

Nach der Erstkommunion. Damals ging es nur mit den Mädchen meiner Heimatgemeinde Rulle in eine Schützenhalle im Sauerland. Das war zwar noch kein klassisches Zeltlager, aber ich zähle das trotzdem mit.

Wie ging es weiter?

Bald darauf sind wir auch mit den Jungen zusammen ins Zeltlager gefahren. Erst war ich natürlich normale Teilnehmerin, dann Gruppenleiterin, bin mehr und mehr in die Verantwortung hineingewachsen und habe später als Hauptamtliche die Verantwortung übernommen. Nur während des Studiums habe ich zwei Jahre ausgesetzt.

Nach unserer Rechnung müssten Sie in manchen Jahren mehrfach im Zeltlager gewesen sein.

Stimmt (lächelt). In einigen Jahren bin ich mit den Teams aus verschiedenen Gemeindeteilen unterwegs gewesen. Mir hat das nie etwas ausgemacht.

Wie muss der normale Teilnehmer gestrickt sein, damit er das Lager genießen kann?

Er oder sie muss mehrere Vorlieben mitbringen: Ein gutes Zeltlagerkind muss bereit sein, 24 Stunden am Tag Menschen um sich herum zu haben und während des Lagers auf einen persönlichen Rückzugsort verzichten können. Zeltlagerwände sind dünn und jedes Zelt ist mit mehreren Kindern gefüllt, da ist eine soziale Einstellung wichtig. Das alles kann man natürlich im Laufe der Tage auch lernen.

Sonst noch etwas?

Man sollte sich nicht vor Dreck und Spinnen ekeln …

Was hat für Sie persönlich ein gutes Lager ausgemacht?

Auf die Spinnen hätte ich gut verzichten können. Aber ich bin gerne mit vielen Menschen zusammen. Langeweile oder Einsamkeit kamen kaum vor. Das war so die Zeit als Kind. Später als Verantwortliche habe ich es genossen, wenn ich die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen erlebt habe. Es war immer beeindruckend zu sehen, was zum Beispiel die Gruppenleiter alles mitbringen und wie sie verändert aus der Lagerzeit hervorgehen.


Heike Schröder hat fast 50 Jahre Zeltlager
miterlebt. Foto: Matthias Petersen

Zum Beispiel?

Sie lassen sich darauf ein, für das Lager viel Zeit zu opfern. So eine Ausbildung zum Gruppenleiter dauert bis zu 50 Stunden. Dabei lernen sie aber auch, auf die Kinder einzugehen, sie zu begleiten und zu unterstützen. Dabei müssen sie manche schwierige Situation überstehen. Heimweh oder ein nächtliches Gewitter können im Zeltlager schon eine große Herausforderung sein.

Und man kommt den anderen sehr nahe.

Ja, man lernt sich intensiv kennen. Oft treffen wir Seelsorger die jungen Menschen ein oder zwei Stunden die Woche. Das ist im Lager natürlich anders. Gespräche am Lagerfeuer sind durch nichts zu ersetzen.

Gibt es eins der 49 Lager, das Sie herausheben können?

Die waren eigentlich alle gut. Manchmal gab es Streit unter den Betreuern, aber solche Konflikte gehören zum Leben. Im Lager konnten wir sie lösen und daraus lernen. Oft haben wir unverhofft Hilfe bekommen. In einem Jahr ist das Lager fast abgesoffen. Da kam der Bürgermeister mit ein paar Frauen, die haben für uns die Wäsche getrocknet. Einmal ist der Lkw steckengeblieben. Ein Landwirt hat ihn mit seinem Trecker wieder flott gemacht und wollte keine Bezahlung.

An welches Lager denken Sie eher ungerne zurück?

Vielleicht an das, bei dem sich bis auf ganz wenige alle mit dem Norovirus angesteckt hatten. Ich sehe noch die Rettungswagen, die immer wieder ein Kind abholen mussten. Nach der Hälfte mussten wir abbrechen, weil es nicht mehr zu verantworten war. 

Gab es besondere Momente während eines Lagers?

Auf jeden Fall zwei: Zum einen, wenn bei der Rückkehr alle Kinder wohlbehalten aus dem Bus gestiegen sind. Und dann, wenn auch die Gruppenleiter zurückgekehrt waren, die noch das Lager abgebaut hatten. Da war ich schon immer sehr erleichtert.

Warum macht sich eine Kirchengemeinde die Arbeit und bietet ein Zeltlager an?

Bei vielen Lagern sind Kinder aus benachteiligten Familien dabei. Als Kirche ist es ja auch unsere Aufgabe, Schwache mitzunehmen und sie zu integrieren. Manches Kind findet durch Gebete und Gottesdienste, die zum Zeltlager dazugehören, einen Kontakt zur Kirche, manche auch durch das Beispiel eines Gruppenleiters. Das ist gelebter Glaube, Verkündigung auf ganz einfache Weise.

Was darf beim Essen in einem Zeltlager auf keinen Fall fehlen?

Nudeln mit Bolognesesoße, das ist ja auch schön kindgerecht. Möhreneintopf kam auch immer gut an. Früher war bei den Kindern Zitronentee angesagt, da wird heute aber mehr Wasser getrunken. Der Kaffee ist für die Gruppenleiter aber in seiner hohen Bedeutung gleichgeblieben.

Haben Sie in all den Jahren einen liebsten Zeltplatz ausgemacht?

Ich war ja schon an vielen Orten, das ging bis nach Trier. Einen Lieblingsplatz habe ich nicht. Die Plätze mit benachbarten Schützenhallen im Sauerland fand ich sehr praktisch, im Emsland liebe ich die Infrastruktur, weil es überall Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gibt. Die braucht man ja auch mal während des Lagers. Aber für die Kinder ist es nach meiner Erfahrung völlig gleich, wo sie sich befinden. Die Landschaft ist egal, Hauptsache, es ist ein richtiger Zeltplatz.

Ist für Sie ein Wunsch offengeblieben?

Ich wollte immer mal auf einen Platz am Meer, aber die waren dann auf Jahrzehnte im Voraus ausgebucht. Aber eigentlich war mir das – wie schon gesagt – auch egal.

Interview: Matthias Petersen

Zeltlager 2021 im Bistum Osnabrück und noch immer Corona-Pandemie: Geht trotzdem - wenn auch ein bisschen anders also sonst. Darüber berichten wir ausführlich in der aktuellen Ausgabe des Kirchenboten.