Die Mainzer Bistumsspitze zur Studie über Missbrauch

Aus der EVV-Studie lernen

"Ich will eine andere Kirche gestalten." Das sagt Bischof Peter Kohlgraf als Reaktion auf die EVV-Studie zum Missbrauch im Bistum Mainz. Diese andere Kirche müsse "Glauben, Bekenntnis und Leben in Übereinstimmung bringen". Sein Vorgänger Kardinal Karl Lehmann hingegen habe "ein menschenfreundliches Gesicht" gezeigt, gegenüber Betroffenen sexualisierter Gewalt jedoch "eine unglaubliche Härte". Von Ruth Lehnen


Von links: Generalvikar Udo Markus Bentz, die Bevollmächtigte des Generalvikars
Stephanie Rieth, Bischof Peter Kohlgraf und Bistumspressesprecher Tobias Blum.
Foto: Ruth Lehnen

Kohlgraf beklagte, dass das Bild vom Priester als "heiligem Mann" verheerende Folgen gehabt habe. Priester hätten in der Gesellschaft eine Rolle gespielt, die sie zu unangreifbaren Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens machten. "Eine solche Kirche will ich nicht mehr." Die Studie spreche es deutlich an: Missbrauch in der Kirche sei immer verbunden mit "Machtausübung, einer bestimmten Sexualmoral und dem kirchlichen Umgang mit ihr, mit männerbündischen Netzen und auch der priesterlichen Lebensform und deren Selbstverständnis – unbeschadet der Tatsache, dass es nicht nur Missbrauchstäter aus dem Priesterstand gab und gibt." Die Studie hatte ergeben, dass es sich bei den Beschuldigten um 118 Kleriker und 63 Laien handelt(e).

Wie Kohlgraf dankten auch Generalvikar und Weihbischof Udo Markus Bentz sowie die Bevollmächtigte des Generalvikars, Stephanie Rieth, den Betroffenen für ihren Mut, die Verbrechen ans Licht zu bringen und mit den Verfassern der Studie zu reden. Rieth betonte zu der Zahl von 181 Beschuldigten und 401 Betroffenen in der Zeit seit 1945: "Da ist in zweifacher Weise Unrecht geschehen, das zum Himmel schreit. Durch den Missbrauch, den Betroffene erleben mussten und durch die Art und Weise, wie damit umgegangen wurde". Es handle sich um die furchtbaren Verbrechen Einzelner und zugleich um das Versagen der Institution.

Stephanie Rieth: "Den innerklerikalen Umgang durchbrechen"

Als nicht-geweihte Person und als Frau in der Bistumsleitung will Rieth eine Perspektive einbringen, die "den bisherigen rein innerklerikalen Umgang mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs durchbricht". Sie sprach auch über die in der Studie angeregten Maßnahmen, um Betroffenen zu helfen wie etwa spirituelle Hilfestellungen. Dazu meldete sich das Mitglied der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Mainz,  Jürgen Herold, zu Wort. Er äußerte Lob für die Studie, stellte aber auch fest, für Betroffene sei der Missbrauch "Teil unseres Lebens und wird es auch bleiben". Er forderte, das Dunkelfeld zu erhellen, das heißt, weiterhin aktiv auf die Suche zu gehen nach Betroffenen.

Herold hält weit größere Opferzahlen für wahrscheinlich als die in der Studie erfassten. Die Idee, zur Bewältigung des Erlittenen spirituelle Angebote zu machen oder Lebensbegleitung anzubieten, wie es die Studie vorschlägt, sei zwar ehrenwert. Er wolle sich als Betroffener aber nicht in die Hände der Institution geben, die den Missbrauch zu verantworten habe. Was Betroffene brauchen, sollten sie selber sagen und entscheiden können. Er fragte, warum das Bistum nicht jedem Betroffenen einen sechsstelligen Betrag zur Verfügung stelle, damit er oder sie selbst entscheiden könne über die Unterstützung, die es braucht.

Bischof Kohlgraf stimmte Herold ausdrücklich zu, dass das Dunkelfeld weiter erhellt werden müsse. Bei der Frage von Zahlungen wollten die Bischöfe an der einmal gefundenen bundesweiten Lösung mit der Unabhängigen Kommission zur Anerkennung  (UKA) festhalten. Kohlgraf gab zu bedenken, dass einzelne Betroffene sehr unterschiedliches Leid erfahren hätten.

Von Ruth Lehnen

Hinweis: Der Artikel wurde aktualisiert.

 

Ruth Lehnen