Basilika St. Godehard in Hildesheim
Ausdruck einer ganz neuen Epoche
Die ehemalige Abteikirche St. Godehard im Süden der Hildesheimer Altstadt gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen der Romanik in Deutschland. Sie gilt als ein einheitlich geplantes und gebautes Gesamtkunstwerk.
Schon von weitem sind die drei stolzen Türme von St. Godehard zu sehen. Am südlichen Rand der Hildesheimer Altstadt mit ihren engen Gassen öffnet sich der Godehardsplatz und gibt den Blick frei auf die mächtige dreischiffige Basilika – ein beeindruckendes Bauwerk aus einem Guss. Die Kirche der Benediktinerabtei, die zu Ehren des heiligen Godehard im 12. Jahrhundert erbaut wurde, gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen romanischer Baukunst in Deutschland. Im Gegensatz zu vielen anderen Gebäuden in Hildesheim blieb St. Godehard von den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs weitestgehend verschont. Vom Kreuzgang des Klosters sind jedoch nur noch wenige Teile erhalten geblieben.
„Wir haben hier ein einheitlich geplantes und gebautes romanisches Gesamtkunstwerk“, betont die Kunsthistorikerin und Konservatorin im Bistum Hildesheim Monika Tontsch. Das gilt auch für die geografische Lage des ehemaligen Benediktinerklosters innerhalb der Stadt. Bereits der kunstbegeisterte Bischof Bernward hatte Hildesheim um das Jahr 1000 zu einer bedeutenden Kunstmetropole gemacht, den Dom mit kostbaren Schätzen ausgestattet und mit der Benediktinerabtei St. Michael seine Grablege geschaffen. Mit der Heiligsprechung seines Amtsnachfolgers Bischof Godehard und dem Bau von St. Godehard schloss sich in Hildesheim ein „geistlicher Ring“ an Kirchen und Klöstern: im Westen die Domburg St. Mauritius, im Nordosten das Bartholomäusstift (die „Sülte“) und im Osten das Stift zum heiligen Kreuz. „Eine zweite Benediktinerabtei als Gegenstück zur Abtei St. Michael, mit einer prächtigen Apsis, die der Westapsis der Michaeliskirche entsprach: Das war gewiss geplante Architektur und erweist sich noch heute als ein städtebauliches Geschenk für Hildesheim“, schreibt der langjährige Pfarrer von St. Godehard und Journalist Winfried Henze.
Es war der Ausdruck einer neuen Epoche, denn mit der Romanik formte sich ein erster gesamteuropäischer Kunststil seit der Antike – die geometrischen Formen, Kapitelle und Rundbögen in kompakter Bauweise wurden zum Markenzeichen einer einheitlichen Kunstsprache. Zu den Erfindungen jener Zeit gehörten auch die Bögen über den Kirchenportalen. Das Tympanon als Schmuckfläche über dem Nordostportal von St. Godehard ist eine der ersten Freiplastiken in Niedersachsen. Um sie zu schützen, wurde sie ins Innere der Kirche versetzt, außen hat man eine Kopie angebracht. Im weitläufigen Kirchenschiff ragen schlanke Säulen und Pfeiler im Rhythmus des niedersächsischen Stützenwechsels in die Höhe, die typisch romanischen Würfelkapitelle sind mit Pflanzenornamenten und Fabelwesen geschmückt, an zwei Säulenkapitellen finden sich auch figürliche Darstellungen, möglicherweise in Anspielung auf die bronzene Christussäule, die heute im Hildesheimer Dom steht.
Gründer des Klosters und Bauherr von St. Godehard war der Hildesheimer Bischof Bernhard, ein Verehrer Godehards, der bereits knapp hundert Jahre nach seinem Tod, im Jahr 1131, heiliggesprochen wurde. Zwei Jahre später war Baubeginn von St. Godehard, 1172 war der Bau vollendet. Bischof Godehard, der 1022 – vor genau tausend Jahren – sein Amt in Hildesheim antrat und hier 1038 verstarb, wurde europaweit verehrt, bis heute gibt es zahlreiche Kirchen, Kapellen, Ortschaften und Alpenpässe, die seinen Namen tragen. Bischof Godehard war vor allem Seelsorger, ein Mann des Gebets und der Spiritualität und überdies ein überzeugter Anhänger der klösterlichen Reformbewegung. Die Benediktinerabtei St. Godehard in Hildesheim bestand bis zur Säkularisation 1803.
Aus der ehemaligen Klosterkirche St. Godehard wurde eine katholische Pfarrkirche, das Gotteshaus wird von der Klosterkammer Hannover unterhalten. „Diese Kirche hat schon einiges erlebt“, fasst die Konservatorin Monika Tontsch die Geschichte des Gotteshauses zusammen und verweist dabei auf die Ausstattungsstücke im Kirchenschiff, die aus unterschiedlichen Epochen stammen. Dazu zählt etwa das spätgotische Schnitzwerk, das früher zum Chorgestühl gehörte, oder auch der spätbarocke Benediktus-Altar, die weiß übermalten, mit Gold abgesetzten Figuren stammen teils noch aus dem Mittelalter. Im 19. Jahrhundert wurde die Kirche im Zeichen des Historismus unter der Leitung des hannoverschen Baumeisters Conrad Wilhelm Hase saniert, im romanischen Stil renoviert und nach dem damaligen Zeitgeist der Neuromanik ausgestattet. Die farbigen Ausmalungen, die den Hochchor überwölben, stammen von dem Kölner Kirchenmaler Michael Welter, der Radleuchter in neoromanischem Stil ist ein Geschenk von Königin Marie von Hannover. „Auch im Chorraum haben wir unterschiedliche Stilepochen und Historisierungen, der Altar stammt aus dem 19. Jahrhundert, ebenso der kunstvoll gestaltete Fußboden, der Altarbehang ist aus der Barockzeit, die farbigen Fenster wurden im 20. Jahrhundert eingebaut.“ Der Orgelprospekt auf der Westempore wurde, passend zum Altarraum, ebenfalls im Stil der Neuromanik gestaltet.
Hinter der alten schmiedeeisernen Tür im südlichen Querschiff führt der Weg jedoch nochmals tief in die Vergangenheit von St. Godehard – zunächst in die Sakristei mit ihrem romanischen Gewölbe und in den ehemaligen Kapitelsaal, der heute als Werktagskapelle genutzt wird. Und dann gibt es noch die Schatzkammer: Eine weitere Tür führt hinauf in die mittelalterliche Klosterbibliothek, an den Wänden finden sich noch einige Signaturbuchstaben in gotischer Freskomalerei. Hier oben wurde auch der berühmte mittelalterliche Albani-Psalter aufbewahrt, der inzwischen in der Dombibliothek liegt. Andere Prunkstücke aus dem Schatz von St. Godehard wie der „Bernhardskelch“ oder das Vortragekreuz aus dem 12. Jahrhundert sind heute im Dommuseum zu sehen. Die Gemeinde von St. Godehard besitzt zudem einen reichen Bestand an Altarleuchtern, Monstranzen oder Kelchen aus mehreren Jahrhunderten, einige dieser Kostbarkeiten werden weiterhin im Gottesdienst genutzt. Die Bistumskonservatorin Monika Tontsch würde die ehemalige Klosterbibliothek gern wiederbeleben. „Dann könnten wir den Raum mit dem Schatz von St. Godehard auch öffentlich zugänglich machen“. Wenn nicht täglich, dann vielleicht auf Nachfrage.
Die Basilia St. Godehard ist verlässlich geöffnet. Informationen unter www.st-godehard-hildesheim.de
Karin Dzionara
Stilelemente
Daran erkennen Sie eine Kirche im Stil der Romanik:
- Rundbögen
- Rundbogen- und Radfenster
- Ornamentreiche Würfelkapitelle
- Einfache geometrische Formen