Kinderschutztag im Erzbistum Berlin

„Bei euch soll es anders sein!“

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Können wir unsere Macht zum Schutz und zur Entfaltung von Kindern und Jugendlichen einsetzen? Dieser Frage gingen Verantwortungsträger aus Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen bei einem Kinderschutztag nach.

Hochmotivierte Teilnehmer: Die Schauspielerinnen Dörthe Beerbaum und Barbara Demmer fassten die Tagung zum Abschluss in einem aufheiternden Improvisationstheater zusammen. Sie brachten ihr Publikum dabei unter anderem durch La-Ola-Wellen in Bewegung.    Foto: Angela Kroell

 

Macht scheint bereits unter den ersten Jüngern Jesu ein „heißes Eisen“ gewesen zu sein, rief der Berliner Jesuit Sebastian Maly am 14. September zur Eröffnung eines Fachtags in der Katholischen Hochschule für Sozialwesen ins Bewusstsein. Ein Zitat aus dem Markusevangelium stand als Motto über der Bildungsveranstaltung des katholischen Netzwerks Kinderschutz: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“. Jesus sei die ambivalente Bedeutung der Macht offenbar bewusst gewesen. In machtfreiem Raum hätte er seinen Zielen gar nicht zum Durchbruch verhelfen können, zugleich erkannte er aber die Gefahr, dass Macht für Eigeninteressen missbraucht wird, die diesen Zielen entgegenwirken.
Das eigene Denken und Handeln gründlich zu reflektieren, empfahl Andreas Zimmer, Präventionsbeauftragter des Bistums Trier, als Voraussetzung für einen guten Umgang mit Macht. Die Rohrstock-Pädagogik und andere „Narreteien“ früherer Generationen im Umgang mit Macht zu erkennen sei einfach, merkte er in seinem Impulsreferat an. Die Herausforderung bestehe darin, die eigenen Narreteien zu entlarven.

Die Macht des Unbewussten
„Benutze ich Macht, weil ich etwas zum Wohl der mir anvertrauten Menschen gestalten will oder weil ich mich durchsetzen will?“, schlug er als möglichen Anstoß zur Selbstreflektion vor. Weitaus stärker als von den eigenen ethischen Prinzipien sei das menschliche Verhalten von unbewussten Gefühlen, Bedürfnissen und kulturellen Prägungen geleitet, machte er deutlich.
Insbesondere bei Stress und Müdigkeit breche Unbewusstes und Verdrängtes hervor. Nicht nur in herausgehobenen Machtpositionen handelten Menschen dann nicht selten im Widerspruch zu ihren Werten und Überzeugungen.
„Machen Sie sich bewusst, welcher Begriff von Macht Ihrem Denken und Handeln zugrunde liegt!“, lautete eine weitere Empfehlung des Referenten an die Haupt- und Ehrenamtlichen aus Gemeinden, Jugendverbänden, Caritas-Einrichtungen, kirchlichen Schulen und Kindergärten. Unter Machtträgern der katholischen Kirche sei ein „verschämter“ Umgang mit Macht verbreitet. Statt von „Macht“ rede man häufig von „Dienst“. Andreas Zimmer ließ Sympathie für eine Machtdefiniton der Publizistin Hannah Arendt erkennen. Ihr zufolge ist Macht immer im Besitz einer Gruppe. Macht kann Einzelnen zugewiesen werden, ist aber immer nur so lange existent, wie die Gruppe zusammenhält. Wenn Macht geschwächt ist, tritt Hannah Arendts Überzeugung nach Gewalt ein.
Wer eine Machtpositon innehabe, tue gut daran, sich vor Augen zu halten, dass ihm die Macht für eine begrenzte Zeit und zu  vereinbarten Spielregeln von anderen übertragen wurde, betonte der Trierer Theologe.
Auf ihre eigenen Erfahrungen im Umgang mit Macht in der Kirche ging die Magdeburger Seelsorgeamtsleiterin Friederike Maier in einem zweiten Impuls ein. Sie wolle mit der ihr übertragenen Macht dazu beitragen, dass Menschen mit ihren Stärken wachsen können und dass gute Anliegen zum Zug kommen. Ein besonderes Augenmerk legt sie dabei auf Leitung im Team, auf transparente Kommunikation und eine stärkere Beteiligung von Frauen an kirchlicher Leitung. Für wichtig halte sie es auch,  Konflikte anzusprechen und dabei nicht „in die Harmonie-Falle zu tappen, gefallen zu wollen“.
Im Verlauf des Tages vertieften die Teilnehmer das Thema unter verschiedenen Blickwinkeln. Um die Stärkung spiritueller Autonomie von Kindern und Jugendlichen ging es etwa bei einem Workshop mit der Gemeindereferentin Regina Harzdorf. Themen in anderen Gruppen waren beispielsweise die Entwicklung einer guten Fehlerkultur, eine gewaltfreie Ausübung von Autorität oder die Problematik einer fehlenden Gewaltenteilung in der kirchlichen Gerichtsbarkeit.

Von Dorothee Wanzek