Der Kölner Pfarrer Franz Meurer über sein soziales Engagement

Beten reicht nicht

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„Unser Platz ist bei den Menschen“, lautet der Untertitel seines jüngst erschienenen Buches. Und nicht von ungefähr wird Franz Meurer häufig als Sozialpfarrer bezeichnet. Der Kölner Geistliche ist einer, der sich kümmert.

Foto: kna/Harald Oppitz
Kirche muss nützlich sein“: Bei der Lebensmittelausgabe packt der Pfarrer mit an. Foto: kna/Harald Oppitz


Franz Meurer ist viel unterwegs: Der Kölner Pfarrer hört sich die Sorgen seiner Mitmenschen an, tauscht sich mit der evangelischen und muslimischen Gemeinde aus, organisiert soziale Aktionen und Projekte. So will er den Menschen in seinem Viertel helfen. Viele Worte will er darüber aber nicht verlieren. „Wir sollten das nicht so nach außen tragen. In dem Moment, wo wir Christen etwas Positives machen, werden wir auch von anderen angefragt“, sagt er.

Das spiegelt den Vers aus dem Petrusbrief wider, der in der heutigen Lesung steht: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt.“ Franz Meurer ist dieser Vers wichtig – so wichtig, dass er ihn als einen Grund für sein neues Buch „Glaube, Gott und Currywurst“ nennt. „Wir Christen müssen jederzeit bereit sein, wir dürfen aber auch nicht ständig herumlaufen wie Sektierer und dauernd über unseren Glauben reden“, sagt Meurer. Auf die gute Mischung komme es an: „Ich darf den Leuten damit nicht auf die Nerven gehen.“

Die Kirche soll nützlich sein für die Menschen

Meurer hat eine genaue Vorstellung davon, wie die Gläubigen heute das Evangelium verkünden sollten: „Durch Taten, nicht durch Worte!“ Man könne von Gott erzählen und sich an das Evangelium halten, aber man könne den Glauben nicht machen. „Im Französischen heißt es proposer la foi – den Glauben vorschlagen. Das finde ich gut“, sagt Meurer.

Der 69-Jährige leitet seit 1992 die Pfarrgemeinde St. Theodor und St. Elisabeth in den Stadtteilen Vingst und Höhenberg in Köln, die als soziale Brennpunkte gelten. Viele Ausländer leben dort, oft sind Familien auf Sozialhilfe angewiesen. Meurer hat in seiner Kirche in Vingst deshalb eine Lebensmittelausgabe, eine Kleiderkammer, ein Beratungszimmer und eine Gemeindewerkstatt eingerichtet. Er will, dass die Kirche aktiv ist und sich einmischt. „Die Kirche muss nützlich sein. Sie muss auf die Probleme der Leute eingehen. Wenn die Kirche den Menschen nicht nutzt, dann ist sie für die Katz“, sagt er. 

Er hält sich an den heiligen Franziskus von Assisi, der sagte: „Verkündet das Evangelium – notfalls auch mit Worten.“ Dem Kölner Pfarrer ist es lieber, dass sich zwei zusammentun und sie gemeinsam etwas für andere organisieren, als dass sie über ihren Glauben nur theoretisch reden. „Wenn bei mir zum Beispiel Zeugen Jehovas vor der Tür stehen, sage ich immer: ,Reden tu’ ich mit euch nicht, aber wenn wir gemeinsam eine soziale Aktion machen, dann können wir sofort loslegen‘“, sagt Meurer. „Das haben die aber noch nie gewollt.“ 

Aber wer fragt denn noch nach unserem christlichen Glauben? „Wir werden öfter angefragt, als wir meinen“, sagt Meurer. Gerade bei Problemen in der Familie, in Trauerfällen oder bei besonderen Lebensereignissen sei die Kirche gefragt. Darüber hinaus müsse die Kirche aber die Sorgen und Probleme der Menschen erkennen. „Wir müssen im Gespräch sein mit der Gesellschaft. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als kämen wir aus einer anderen Welt und wüssten alles besser“, sagt Meurer.

Dabei denkt er besonders an die vielen Familien in den beiden Kölner Stadtvierteln, die sich zum Beispiel keinen Urlaub leisten können. Um den Kindern in den Sommerferien dennoch etwas zu bieten, hat Meurer gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde das HöVi-Land ins Leben gerufen. Beide Kirchen organisieren mit vielen Ehrenamtlichen eine Zeltstadt, in der rund 600 Kinder aus Höhenberg und Vingst spielen, Spaß haben und übernachten können. Auch das gemeinsame Gebet gehört dazu. „Konfessionell könnten wir alleine gar nichts reißen“, sagt Meurer. „Jesus will, dass wir eins sind. Und wenn wir ökumenisch arbeiten, dann sind die Kräfte verdoppelt und es sorgt für eine wahnsinnig gute Stimmung. Die meisten Christen wollen nicht mehr, dass die Konfessionen sich voneinander absetzen.“ 

Über dieses Angebot für die Kinder lassen sich auch die Eltern ansprechen. Sie helfen beim Aufbau der Zelte, kochen, kümmern sich um die Toiletten oder bewachen die Zeltstadt in den Nächten. „Diese vielen Ehrenamtlichen sind nicht alles Gottesdienstbesucher und immer mehr sind auch nicht evangelisch oder katholisch, sondern muslimisch oder haben gar kein eingetragenes Bekenntnis“, sagt Meurer. Dennoch ist er sich sicher, dass die allermeisten bei den gemeinsamen Gebeten mitmachen. „Durch so eine Aktion verdichtet sich das Evangelium, kann sacken und bekommt auf einmal einen Sinn.“

Die Schwachen müssen beteiligt werden
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Man müsse bereit sein, mit seiner Lebensführung den Glauben zu bezeugen, sagt Meurer. Er selbst widmet sich dazu vor allem den Schwächeren der Gesellschaft. Vor einigen Jahren hat er sich zum Beispiel für einen neuen Ausbildungsberuf starkgemacht. Heute können Förderschüler, die eine schriftliche Prüfung zum Altenpflegehelfer nicht schaffen würden, zum Fachpraktiker in Sozialeinrichtungen ausgebildet werden. „Das ist hier zum Erfolgsmodell geworden. Und warum sollte die Kirche nicht dafür sorgen, dass die Schwachen in der Gesellschaft beteiligt werden?“, sagt Meurer.

Um in den Himmel zu kommen, reiche es nicht, nur zu beten. Wir müssten auch anpacken, sagt Meurer: „Gott hat in der Welt doch nur unsere Augen, unsere Ohren, unsere Hände, unseren Verstand und unser Herz, um anzupacken, mitzudenken und zu helfen. Gott hat nur uns. Das ist seine Chance – oder sein Problem.“

Kerstin Ostendorf