Anstoß 30/21

„Beten, wenn jedes Wort zu kurz greift“

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„Katastrophen machen uns sprachlos“. Wenn kleine Bäche zu reißenden Fluten, wenn ruhige Täler zu Orten des Todes werden. Wenn kein Stein mehr auf dem anderen bleibt.


So wie dieser Tage in vielen Gegenden Deutschlands, Belgiens, den Niederlanden und der Schweiz. Diese Bilder machen ohnmächtig, wir haben keine Macht, diese Gewalten, wenn sie einmal losgelassen sind, im Zaum zu halten. Mag sein, dass wir selbst einen hohen Anteil daran haben, dass es so weit kommen konnte. Vielleicht wäre die Katastrophe ohne Klimawandel, Bodenversiegelung, Flussbegradigungen glimpflicher verlaufen. Vielleicht hätte ein funktionierendes Warn-System, das von den Menschen auch wahrgenommen wird, einiges Unheil verhindern können. Aber jetzt ist es dafür zu spät, die Katastrophe hat stattgefunden.
In der Geschichte der Menschen und der Welt geschieht es immer wieder, dass die Gewalten losbrechen, mal ist es die Natur, mal sind es Kriege, mal sind es Krankheiten. In solchen Situationen, wo jede Antwort zu kurz greift, ist beten eine Möglichkeit, über die Sinnlosigkeit und das Leid hinwegzukommen und auch für die zu beten, die nicht mehr schreien können.
Aus der Tiefe schreie ich zu dir! Herr, höre meine Stimme. „Wende dein Ohr mir zu, achte auf mein lautes Flehen.“ / „Ich hoffte, ja ich hoffte auf den Herrn. Da neigte er sich mir zu und hörte mein Schreien. Er zog mich heraus aus der Grube des Grauens, aus Schlamm und Morast.“ / „Gewähre mir die Gunst Herr und reiße mich heraus. Herr, eile uns zu Hilfe.“ So klingen die Gebetsworte in den jahrtausendealten Psalmen.

Es ist eine zarte Hoffnung, dass Tod, Gewalt und Zerstörung bei Gott nicht das letzte Wort haben. Für Menschen, die daran glauben können, liegt hier eine große Hoffnung. Andere halten es vielleicht für eine Vertrös- tung oder gar für zynisch. Ich hoffe, dass die Kraft der Hoffnung auf Gott und seine Erlösung stärker ist als unsere Sprachlosigkeit und unsere Ohnmacht. Und dass sie uns die Kraft gibt, das Menschenmögliche zu tun, diesen Katastrophen entgegenzuwirken.  Auch, wenn wir sie nie ganz verhindern können.
 
Guido Erbrich, Biederitz