Friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen
Bewahren, was es schon einmal gab
Ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen aus dem Nahen Osten, darum ging es im Projekt „Erinnerte Zukunft“ der Katholischen Akademie. Mittel dazu war auch das Wissen über die deutsche Geschichte.
In einem Raum hinter diesem Schrank hielt sich eine jüdische Familie vor den Nazis versteckt: Großes Interesse bei den Teilnehmern von „Erinnerte Zukunft“. | Foto: Cornelia Klaebe |
„Das war interessant. Ich habe Parallelen zu unserer eigenen Geschichte entdeckt.“ Sehr beeindruckt ist Orwa aus Syrien von dem, was er im Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt am Hackeschen Markt über den Holocaust und das Schicksal der Juden erfahren hat. Orwa ist einer von 22 Teilnehmern des Projekts „Erinnerte Zukunft“, in dem die Katholische Akademie Personen verschiedener Religionen und Konfessionen aus dem Nahen Osten zusammengebracht hat. Ziel des Projekts, dessen erste Praxisphase an fünf Wochenenden von Mai bis Januar stattfand, ist, etwas zu bewahren, was es in der Heimat der Teilnehmer schon einmal gab: ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen.
„Wir haben uns behutsam an die heißen Themen herangearbeitet“, erzählt Projektmitarbeiterin Marie von Manteuffel. So sei es am ersten Wochenende um die Geschichte des geteilten Berlins gegangen, am zweiten um Religionen in Berlin, bevor man sich dann im Oktober an die „Religionen im Nahen Osten“ herangewagt habe.
Multiplikatoren sein und Wissen weitergeben
Zwei Christen seien in der Gruppe, die eine Minderheit bildeten, aber genauso integriert seien wie Muslime und Agnostiker, erzählt Projektleiter Thomas Würtz. Der Islam- und Politikwissenschaftler ist zufrieden mit dem Verlauf des Projekts, das unter anderem vom Bonifatiuswerk gefördert wurde: „Die Christen und die Muslime haben viel übereinander gelernt.“ Auf dem Programm standen Vortragseinheiten, die durch Ortstermine praktisch ergänzt wurden – wie eben am Abschlusswochenende zum Thema „Antisemitismus und anti-muslimischer Rassismus“. Würtz wünscht sich eine Fortsetzung, in die die Erfahrungen aus dem ersten Durchlauf einfließen können.
Die Teilnehmer, die ihr neues Wissen als Multiplikatoren in ihrer Umgebung weitergeben sollen, haben anhand der deutschen Erfahrung von Krieg und Teilung über ihre eigene Situation nachgedacht. Auch die eigenen Erfahrungen konnten sie dabei reflektieren. So ist Orwa, der als Student der Medienwissenschaften mit einem Stipendium nach Deutschland kam, beeindruckt, dass er hier nicht festgenommen wird, wenn er Behördengebäude fotografiert. Adel, ebenfalls aus Syrien, ist dagegen nach Deutschland geflohen, nachdem er aus dem Gefängnis entkommen konnte. Der Haftgrund, so erzählt er: „Ich habe in Syrien acht Semester Medizin studiert, und wenn irgendwo eine Bombe abgeworfen wurde, bin ich mit dem Motorrad hingefahren und habe Verletzte versorgt. Das war verboten.“
In Deutschland möchte Adel einen Neuanfang machen, zu Ende studieren, wenn seine Zeugnisse anderkannt werden. Aus Interesse an dem Land seiner Zuflucht und aus dem Wunsch nach Frieden hat er an dem Projekt teilgenommen. Neue Freunde hat er aber auch in seinem Wohnort Erfurt gefunden: „Ich bin Freiwilliger bei der Arbeiterwohlfahrt, und ich kenne schon viele Leute“, berichtet er. Mit den anderen Teilnehmern bleibt er ebenfalls in Kontakt: Sie haben eine Facebook-Gruppe gegründet, um sich nicht aus den Augen zu verlieren.
Von Cornelia Klaebe