"Schwerwiegender Verdacht"
Bischof in betroffener Pfarrei
Vor drei Wochen hat der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode einen Pfarrer vom Dienst suspendiert, weil der kinderpronografisches Material besessen haben soll. Jetzt hat der Bischof die Pfarrei besucht und sich den Fragen der Gemeindemitglieder gestellt.
Bischofsbesuche in den Gemeinden sehen normalerweise so aus: Begrüßung vor dem Pfarrhaus, dann Gottesdienst in der vollbesetzten Kirche. Großer Einzug mit Stab und Mitra durch den Mittelgang, Segen nach links und rechts. Nichts von all dem ist an diesem Abend in der Osnabrücker St.-Elisabeth-Kirche zu sehen. Drei Wochen ist es her, dass Bischof Franz-Josef Bode den Pfarrer der Gemeinde von allen Diensten entpflichtet hat, weil die Staatsanwaltschaft ermittelt. Er soll im Besitz von Kinderpornografie gewesen sein.
Im einfachen Messgewand kommt der Bischof aus der Sakristei, auf dem Kopf keine Mitra, sondern nur den Pileolus, das „Käppi“, begleitet von zwei Messdienern und einer Lektorin. Die Kirche ist gut gefüllt, den es haben nur Genesene und Geimpfte Zutritt, trotzdem tragen alle Maske. Deshalb gibt es auch keinen Gemeindegesang, nur die Organistin singt vor.
Der Bischof begrüßt die Gläubigen und gibt offen zu, selten sei ihm ein Gang in eine Gemeinde so schwer gefallen, trotzdem sei er gerne hier. Es liege ein schwerer Verdacht auf dem entpflichteten Pfarrer, „nichts ist mehr, wie es war“. Der Bischof erzählt, viele im Bistum seien zutiefst erschüttert, niemand habe sich das vorstellen können. Jetzt komme er als Hörender, nicht als Erklärender in die Gemeinde, als Fragender, nicht zuerst als Antwortender, so Bischof Bode.
Er möchte zuerst Eucharistie feiern, dann mit den Gemeindemitgliedern ins Gespräch kommen, hat er angekündigt. Er möchte, das wird in seinen Worten deutlich, die Menschen „mit zu Gott nehmen“, der ein Wort des Trostes sagen kann, „der mitten unter uns ist“.
"Wut, Trauer Ratlosigkeit und Enttäuschung"
In seiner Predigt geht er auf die liturgischen Texte des Tages ein. In der Lesung aus dem Buch Jesaja ist vom Baumstumpf Isais die Rede, aus dem ein Reis hervorgeht. Zunächst ist da der Kahlschlag, wo vorher ein lebendiger Baum stand, „jetzt sind da Wut, Trauer, Enttäuschung, Ratlosigkeit und völliger Vertrauensverlust“. Selten habe ihn etwas so sehr getroffen wie diese Erfahrung, die die Gemeinde jetzt machen müsse, so der Bischof. Zugleich lobt er, dass viele Gemeindemitglieder zum Gespräch bereit seien, auch zum Blick nach vorne. Er dankt dem Leitungsteam der Pfarrei, die Gemeinde reagiert mit Applaus. Der Bischof will aber auch „die eigentlichen Opfer nicht vergessen, die Kinder, die für so etwas missbraucht werden“, wie er sagt.
Die Messe ist zu Ende. Der Bischof kommt ohne Messgewand wieder aus der Sakristei und stellt sich den Fragen der Anwesenden. Der erste hat sich offenbar vorbereitet. Mit einem Zettel in der Hand tritt er ans Mikrofon, liest ab, was er dem Bischof mitteilen möchte. 40 Jahre lang sei er Religionslehrer gewesen, er vermisse Reformen. „Wie lange wollen Sie noch warten?“, ruft der dem Bischof zu. Ob sein sechs Jahre alter Enkel in seinem Leben noch Veränderungen sehen werde? Der Bischof zeigt Verständnis. Ja, auch vor 50 Jahren, als er Priester wurde, habe man sich schon mit den gleichen Fragen beschäftigt, es gebe sicherlich einen Reformstau in der Kirche. „Aber an anderen Punkten sind wir auch weitergekommen“, sagt der Bischof, „auch wenn das jetzt vielleicht komisch klingt.“
Der Bischof holt ein wenig aus, geht auf die zölibatäre Lebensweise ein, sagt, dass er sie grundsätzlich für sinnvoll hält, sie müsse aber vielleicht nicht unbedingt ans Priestertum gebunden sein. „Aber der Zölibat führt auch nicht unbedingt zu Missbrauch.“ Und was die Veränderungen angehe: In seinen 30 Jahren als Bischof habe er sich stets dafür eingesetzt. „Vielleicht fehlt mir da die Kampfbereitschaft. Aber auf behutsame Weise habe ich meiner Meinung nach für das Bistum mehr erreicht.“
Bald soll ein neuer Pfarrer kommen
Es melden sich andere mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu Wort. Einig sind sie sich, dass sie den Pfarrer nicht verurteilen wollen, wohl aber die Tat, die er begangen haben soll. „Wir sollten für ihn beten“, sagt eine Frau, eine andere erinnert an die Kinder, denen Leid zugefügt wird. Mancher will nach vorne sehen, möchte vom Bischof wissen, wie es weitergeht. „Sie werden bald wieder einen Pfarrer bekommen“, sagt der Bischof. Er habe schon jemanden im Auge, der gerade über die Aufgabe nachdenke. Diese Vorläufigkeit räumt er auch der Gemeinde ein. Es sei wichtig, dass nicht einfach ein neuer Pfarrer komme und dann der Eindruck eines „Schwamm drüber“ erweckt werde. „Sie sollen mit dem neuen Pfarrer auch gut auskommen.“
Und dann ist da noch die direkte Frage an den Bischof: Ob der beschuldigte Pfarrer ihm gegenüber etwas zugegeben habe? Es sei ein laufendes Verfahren, antwortet der Bischof, da dürfe er nichts weitererzählen, was ihm im Vertrauen mitgeteilt worden sei. „Wir müssen den staatsanwaltlichen Weg abwarten, der hoffentlich nicht zu lange dauern wird.“ Die Gespräche in der Gemeinde seien noch nicht zu Ende, es blieben weiterhin Fragen. „Aber ich hoffe, dass wir auf einem guten Weg in die Zukunft sind.“
Matthias Petersen
Die Predigt des Bischofs gibt es hier zum Download.