Brautkleid für Sternenkinder

Großzügige Spende für den Verein SPES VIVA in Ostercappeln. Viktoria Ziebell verschenkt ihr Hochzeitskleid, damit aus dem Stoff kleine Mäntelchen für verstorbene Frühchen genäht werden können.

„Für mich war meine Hochzeit der schönste Tag meines Lebens.“ Am 27. April 2019 hat Viktoria Ziebell ihrem Mann das Ja-Wort gegeben, am selben Tag wurde die heute zweijährige Tochter getauft. Wegen dieses Ereignisses hat sich beim Verein SPES VIVA Ostercappeln vor kurzem ein ganz besonderer Moment ereignet. Die junge Frau aus Bad Essen meldet sich und sagt, dass sie ihr getragenes Brautkleid spenden möchte. Daraus sollen kleine Mäntelchen genäht werden, in denen Sternenkinder beerdigt werden. Das sind Kinder, die tot zur Welt kommen oder schon in den ersten Wochen im Mutterleib gestorben sind

Von der Idee hatte die 31-Jährige im Internet gelesen und war sofort sicher, dass sie das auch machen möchte: „Das Kleid hängt seit unserer Hochzeit nur im Schrank und vergilbt. Dann dachte ich, hier kann es noch einen guten Zweck erfüllen – traurig, aber zugleich schön“, erzählt Viktoria Ziebell von ihrem Plan. Im Team von SPES VIVA löst die Spende große Freude aus. Im vergangenen Jahr kamen in Deutschland über 3000 Kinder tot zur Welt – andere starben schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft im Mutterleib. Alle diese Kinder werden „Sternenkinder“ genannt, denn sie haben nie das Licht der Welt erblickt. 

"Nähen ist meine Leidenschaft"

Eltern, die dieses Schicksal erleiden müssen, befinden sich in einer Schocksituation. Um sie in dieser schweren Zeit zu unterstützen, gibt es bei SPES VIVA in Ostercappeln ein spezielles „Sternenkinder“-Team. Die Ehrenamtlichen bieten kostenlose Hilfe, Information und Beratung an. Außerdem begleitet das Team die Betroffenen, wenn sie persönlich von ihrem Sternenkind Abschied nehmen möchten, gestalten gemeinsam individuelle kleine Begräbnisfeiern auf dem Friedhof und schaffen so einen Ort der Trauer. 

Damit das Sternenkind noch persönlicher verabschiedet werden kann, haben sich mittlerweile zahlreiche Ini­tiativen gegründet, die kleine Mäntelchen oder Kleidchen für die Bestattung nähen – immer öfter auch aus Brautkleidern. So soll ein Teil des Kleidungsstücks, das an einem der schönsten Tage des Lebens getragen wurde, andere in ihren schlimmsten Stunden trösten.

Schnell findet sich auch bei SPES VIVA eine geschickte Näherin, die dieses Projekt umsetzen kann. Rita Kühn wird in diesen Tagen 93 Jahre alt und kam vor zwei Jahren in ein Pflegeheim im Osnabrücker Land – um näher bei ihrem Sohn zu sein. „Ich kann mich bis heute nicht damit abfinden, dass ich mein Haus nach über 90 Jahren verlassen musste“, sagt die Seniorin. Einige vertraute Gegenstände konnten aber mit in das neue Heim umziehen, unter anderem die Nähmaschine. 

„Ich dachte, vielleicht kann ich jemandem eine Freude machen. Nähen ist meine Leidenschaft, das habe ich mir selbst angeeignet“, sagt Rita Kühn. Das gespendete Brautkleid war nun die perfekte Gelegenheit zur Wiederentdeckung des Hobbys. So sind bis heute bereits acht samtene Kleidchen für Sternenkinder entstanden – in liebevoller Handarbeit. Und Rita Kühn ist mit der Arbeit noch nicht fertig: „Sechs Stück könnte ich noch herausbekommen“, meint sie.

Theresa Brandl