Streit um Paragraph 219a
Bundestag debattiert über Werbeverbot
Streichen, reformieren oder so belassen: Der Bundestag debattiert über das Werbeverbot für Abtreibungen im Paragraphen 219a.
Der Fall sorgt weiter für Wirbel: Im November hatte das Amtsgericht Gießen die Ärztin Kristina Hänel verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage unerlaubte Werbung für Abtreibungen gemacht habe. Über einen Link auf ihrer Website ließ sie Frauen Informationen zu einem Schwangerschaftsabbruch zukommen. In einer für jeden zugänglichen pdf-Datei erhielten Interessierte vor allem gesetzliche und medizinische Informationen. Später bot die Ärztin nur noch an, dass weitere Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch per E-Mail zugesendet werden.
Der entsprechende Passus, auf den sich das Gericht beruft, ist Paragraf 219a im Strafgesetzbuch. Er untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen" aus einem finanziellen Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Er trat zwar 1933 in Kraft, die Konzeption reicht jedoch zurück in die Zeit der Weimarer Republik.
Die Politik griff den Fall auf. Zunächst waren es Abgeordnete der Grünen und Linken, die der Ärztin den Rücken stärken wollten und mit einem Mal die Chance sahen, den aus ihrer Sicht veralteten Paragrafen 219a ganz zu streichen. Er sei "schlicht und einfach falsch und muss weg", meint etwa die Grünen-Abgeordnete Renate Künast. Die Gegner dieser Position - vor allem aus den Unionsreihen - warnen davor, den mühsam erzielten Kompromiss in der Abtreibungsfrage wieder infrage zu stellen. Und damit auch Paragraf 218, der besagt, dass ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig ist, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt.
Am Donnerstag debattiert der Bundestag darüber, ob der entsprechende Paragraf im Strafgesetzbuch reformiert, gestrichen oder - so will es die Union - beibehalten werden soll.
Politisch sind die Fronten nicht mehr so klar wie noch vor einigen Wochen: Für eine komplette Streichung sprechen sich inzwischen nur noch die Grünen und die Linken aus. Sie wollen dazu jeweils einen eigenen Gesetzentwurf einbringen. Einen eigenen Entwurf hat ebenfalls die FDP. Dieser sieht keine Streichung, sondern lediglich eine Einschränkung des Werbeverbots vor.
SPD will sich mit der Union einigen
Die SPD, die sich zunächst für eine Abschaffung ausgesprochen hatte, will ihren Entwurf nun nicht mehr einbringen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl hofft auf eine Einigung mit der Union, die an dem Paragrafen in der bestehenden Form festhalten will. Auch die AfD sieht keinen Änderungsbedarf.
Die katholische Kirche plädiert ebenfalls dafür, nicht am Schutzkonzept zu rütteln und durch eine Streichung von Paragraf 219a "eine wichtige Säule daraus herauszubrechen", wie es die stellvertretende Leiterin des katholischen Büros, Katharina Jestaedt, formuliert. Sie sieht die Gefahr, dass bei einem Wegfall "alte Verwerfungen" wieder aufleben und ein Abbruch mehr und mehr zu einer "normalen" Dienstleistung des Arztes wird. Jestaedt betont, dass über das bestehende Beratungskonzept eine umfassende Information gewährleistet sei.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken argumentiert ähnlich und warnt vor einer Streichung. Fiele das Werbeverbot weg, würde der Schwangerschaftsabbruch auf eine Stufe mit anderen ärztlichen Dienstleistungen gestellt. Auch der Katholische Deutsche Frauenbund hat sich entsprechend aufgestellt.
Bei der evangelischen Kirche sind die Positionen dagegen unterschiedlich: Während sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, gegen die Abschaffung des Werbeverbots aussprach, plädieren die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) für eine Abschaffung: Frauen hätten derzeit in Notlagen keine Möglichkeit, "sich eigenständig und unabhängig von offiziellen Beratungsstellen zu informieren", so die EFiD-Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth. Für sie ist der Paragraf sogar verfassungswidrig.
Inzwischen machen auch zivilgesellschaftliche Gruppen mobil: Mitglieder des Bundesverbandes Lebensrecht starteten bereits im vergangenen Jahr ihre Kampagne zur Beibehaltung des Paragrafen. Ein Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung will parallel zur Bundestagsdebatte vor dem Reichstag für eine Streichung demonstrieren.
kna