Wigbert Siller schuf 2006 die „Meditation in der Krypta“ in St. Ludwig, Berlin

In christlicher Versenkung

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Während in Berlin buddhistische Zentren und Yoga-Kurse überall locken, gibt es kaum christliche Kontemplationsangebote. Also schuf Wigbert Siller 2006 selbst eines – die „Meditation in der Krypta“ in St. Ludwig.


Ihm liegt „das Benediktinische“: Wigbert Siller schätzt die Kontemplation. Foto: Andreas Kaiser

Von Andreas Kaiser
Es ist ein irgendwie vergessener Ort. Wir befinden uns in einem großen, geräumigen Keller. Alles ist in Grau-Braun-Tönen gehalten. Die Wände sind rau verputzt. Die 1970er Jahre lassen grüßen. Nur der wuchtige, steinerne Altar in der Mitte des Raumes erinnert daran, dass dies eine Krypta ist. Wigbert Siller hat ein paar Kerzen aufgestellt. „Das ist einer der stillsten Orte, die du in Berlin finden kannst.“ Und tatsächlich, obwohl der Kudamm nur einen Steinwurf entfernt ist, dringt kein Geräusch ins Innere.
Im Untergeschoss der Albertus-Magnus-Kirche bietet Siller seit Advent 2006 christliche Mediationen oder Kontemplationsabende an. Jeden ersten und dritten Dienstag im Monat wird hier in der Nestorstraße in Stille gesessen. Zweimal 25 Minuten. Wer mag, nimmt sich ein Gebetsbänkchen. Aber auch Stühle und Decken stehen beziehungsweise liegen bereit.
Am Anfang der Meditation stehen eine kurze, meditative Musik, ein Textimpuls sowie ein paar „Körperbewusstseins­übungen“, die Siller von dem Kapuzinermönch und Exerzitienmeister Nikodem Röösli übernommen und leicht abgewandelt hat. Die sanften Übungen lernte der 61-jährige Beamte, der sich mindestens zweimal im Jahr zu Einkehrtagen in ein Kloster zurückzieht, in der Schweiz kennen. Die Kapuziner dort hatten sich unter dem Dach ihres inzwischen aufgehobenen Klosters eine Art Zen-Dojo – eine Übungshalle – nach fernöstlichem Vorbild eingerichtet. Die regelmäßigen Meditationen morgens – noch vor Laudes und Messe – und abends bezeichnet Siller als „eine ganz starke Erfahrung“. Zurück in Berlin stellte er bald fest, wie schwer es ist, eine monastische Spiritualität in den Alltag zu retten. „In einer guten Gruppe fällt vielen Menschen das Meditieren leichter. Man kommt schneller in Versenkung.“
Doch während in Berlin zig buddhistische Zentren entstanden sind und überall Yoga-Kurse locken, gibt es kaum christliche Kontemplationsangebote. Also sagte sich Siller, der beruflich das Wahlamt in Berlin-Mitte leitet, „dann mache ich es selbst“. 2006 machte ihn Pater Ottmar von St. Ludwig auf die Krypta in der Filialkirche der Franziskaner aufmerksam. In der Gemeinde ist Siller gemeinsam mit seiner Frau Judith seit 1987 aktiv. Er geht dort nicht nur regelmäßig zur Messe, sondern hat zusammen mit Judith auch den Weltladen „A Janela“ mitbegründet.

In schweigender Gruppe die Kirche beschreiten
Zur „Meditation in der Krypta“ kommen zwischen sechs und 16 Menschen, sagt Siller. Alle stehen im Berufsleben. Spätestens bei der Gehmeditation zwischen den beiden „Sitzungen“ ist man angekommen. Das hat etwas. In einer kleinen, schweigenden Gruppe bedächtigen Schrittes eine nur spärlich beleuchtete Kirche zu beschreiten. Schritt für Schritt, Blick für Blick, langsam an den Bänken entlang, vorbei an Marien-Statue, dem Altar, dem Allerheiligsten. Sillers Spiritualität ist anders als der kirchliche Mainstream. Ihm liegt „das Benediktinische“. Die übervolle Messe am Heiligen Abend etwa meidet er lieber. Stattdessen geht er am ersten Weihnachtsfeiertag frühmorgens. Die Meditationsimpulse, die er auch im Internet veröffentlicht, entnimmt er meist der Mystik. Mal ist das Meister Eckhart. An diesem Abend liest Siller aus der „Wolke des Nichtwissens“, einem Buch, das bereits Ende des 14. Jahrhunderts entstanden ist. Die Schrift eines unbekannten Mönches, wahrscheinlich einem Kartäuser, wurde durch Anhänger der christlichen Zen-Bewegung wieder entdeckt und gilt inzwischen als eines der bedeutendsten Werke der Kontemplation.
Die Meditation in der Krypta kostet nichts. Nicht mal eine Spendenbox steht bereit. „Ich finde, Spiritualität ist etwas, das allen Menschen kostenlos zur Verfügung stehen muss.“ Außerdem sagt Siller, „ich kann ich von meinem Job gut leben.“ Der Beamte hat da in Wilmersdorf etwas Wunderbares geschaffen. Seit gut fünf Jahren bietet Siller einmal im Jahr im Kloster Hülfensberg im Eichsfeld auch Meditations-Intensivkurse an.

Infos: www.sanktludwig.de/liturgie-glaube/meditation-in-der-krypta


 

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