Kreuztracht in Meppen
„Da wird es dann ganz still"
Am Karfreitag kommen mehrere tausend Besucher zur Kreuztracht nach Meppen. Die Prozession durch die Innenstadt stellt den Kreuzweg Jesu dar. Eine Bruderschaft sorgt dafür, dass die Tradition von Jahr zu Jahr fortgeführt wird.
Die Requisiten für die Kreuztracht hängen in zwei Schränken. Das weiße Unterkleid für den Jesus-Darsteller, das grüne Gewand für Simon von Cyrene und die Uniform der römischen Soldaten. Daneben stehen die Symbole für den Leidensweg: der Essigschwamm, die Lanze, die Dornenkrone – geflochten aus einer stachligen Hecke, die vor vielen Jahren auf einer Meppener Weide stand. Werner Schlangen schaut sich alles an, denn in diesem Jahr wird er zum ersten Mal bei der Kreuztracht mitmachen.
Erst seit kurzem gehört der Teglinger der Meppener Kreuzträger-Bruderschaft an – eine Gruppe, die seit vielen Jahren die Kreuztracht aufrechterhält. Heute zählen 15 Männer zwischen 35 und 86 Jahren dazu. Sie kommen aus den Pfarreiengemeinschaften der Stadt: Handwerker, Kaufleute, Landwirte, Lehrer und Ingenieure. „Quer durch alle Schichten“, erklärt Heinz Albers, ebenfalls Mitglied in der Bruderschaft. Nicht jeder kann Mitglied werden, laut Satzung geht die Nachfolge in der Regel vom Vater auf die Söhne über – eine oft über mehrere Generationen hinwegreichende Familientradition. Ist das nicht mehr möglich, schaut sich die Bruderschaft nach neuen Mitgliedern um. Wie jetzt bei Werner Schlangen.
Der gelernte Bautechniker hat sich gern für die Mitgliedschaft entschieden. „Ich empfinde das als große Ehre“, sagt Schlangen, der sich als Kommunionhelfer und Lektor engagiert. Er verhehlt nicht, dass er Respekt vor der Aufgabe hat. Aber zugleich findet es der 68-Jährige wichtig, die Tradition zu erhalten – gerade in der „jetzigen, schwierigen Zeit der Kirche. Damit wird der Glaube an Jesus Christus auf der Straße öffentlich gezeigt und bekundet“. Und er erinnert daran, dass Karfreitag „mehr als nur ein freier Tag ist, an dem man nach Holland zum Einkaufen fahren kann.“
Andere Mitglieder der Bruderschaft nicken bei diesen Worten. „Das gehört zu Meppen einfach dazu“ – als verlässlicher Eckpunkt im kirchlichen Leben der Stadt. Sie erzählen auch, dass die Kreuztracht ihren Glauben jedes Mal aufs Neue stärkt – vor allem, wenn sie sehen und hören, wie viele Menschen diesen Kreuzweg mitgehen und mitbeten. „Das ist beeindruckend“, meint Albers.
Es wird mit jedem Schritt schwerer
Das über drei Meter hohe Holzkreuz tragen meistens die Mitglieder der Bruderschaft selbst – allerdings unerkannt. Eine dichte Perücke verhüllt das Gesicht des Jesus-Darstellers. „Etwa alle sieben Jahre ist jeder von uns mal dran“, sagt Heinz Albers. Falls Alter und Gesundheit das nicht mehr zulassen, springt eine Vertretung ein, oft aus der Familie. Natürlich könnte auch jemand anderer diesen Dienst übernehmen, „aber danach hat schon lange niemand mehr gefragt“.
Auch Heinz Albers hat das über 150 Jahre alte Kreuz schon mehrfach durch die Innenstadt geschleppt. Wie viel die Balken wiegen, weiß er auf Anhieb nicht zu sagen. „Aber es wird mit jedem Schritt schwerer.“ Anfangs spüre man jeden Stein unter den nackten Füßen. Was geht da in einem vor? Bekommt man von den vielen Menschen überhaupt etwas mit? Er schüttelt den Kopf und erzählt, wie konzentriert Jesus und Simon durch die Innenstadt gehen müssen. Da gilt es, die Balance zu halten, damit das Kreuz nicht ins Kippeln gerät. „Genau wie in unserem Glauben“, wirft Werner Schlangen ein. „Da müssen wir auch manchmal ausgleichen.“
Dass für manche Besucher die Kreuztracht vielleicht nur ein frommes Schauspiel sein könnte, glauben die Mitglieder der Bruderschaft nicht. „Die Leute kommen nicht nur zum Gaffen“, sagt Albers entschieden. Er beobachtet, wie viele Menschen sich vom Straßenrand lösen und dem Kreuzweg folgen. Sie beten und singen, hören die Fürbitten – und schweigen, wenn Jesus unter dem Kreuz zusammenbricht und ausgestreckt auf der kalten Straße liegt. „Da wird es dann ganz still und sehr eindringlich“, sagt er. Und Werner Schlangen ist sicher, dass mancher Zuschauer nach der Kreuztracht tief berührt nach Hause geht.
Petra Diek-Münchow
Bischof hält die Predigt
Die Kreuztracht geht auf die Jesuiten ab 1647 zurück. Nach ihrer Vertreibung übernahm eine Kreuzträger-Bruderschaft die Tradition. Es beginnt am Karfreitag um 9.30 Uhr mit einem Wortgottesdienst in der St.-Vitus-Propsteikirche. In diesem Jahr hält Bischof Franz-Josef Bode die Predigt. Danach trägt ein Mitglied der Bruderschaft ein Kreuz durch die Innenstadt. Übertragen werden Gottesdienst und Kreuztracht vom Radiosender Ems-Vechte-Welle. Davor und danach werden Musik sowie Texte von Schülern der Marienhausschule Meppen gesendet.