Größte Orgel im Bistum steht in Papenburg
"Dann wird es echt gewaltig"
In Papenburg steht künftig die größte Orgel im Bistum. Die meisten Arbeiten in der St.-Antonius-Kirche sind schon abgeschlossen. In diesen Wochen sorgen Fachleute für den richtigen Klang der über 7000 Orgelpfeifen.
Marco Ellmer nimmt die kleine Orgelpfeife aus der Halterung und bläst kurz hinein. Ganz zufrieden ist er mit ihrem Klang noch nicht. Ein paarmal schlägt er deshalb mit seinem Uhrmacherhammer sachte auf das Labium – das Gesicht der Pfeife. So kann er Klangfarbe und Lautstärke verändern. „So, jetzt passt es“, sagt der Orgelbauer und greift nach der nächsten Pfeife im Schwellwerk. Heute stehen fast 600 Pfeifen vor ihm – 600 von insgesamt 7245. Und jede einzelne müssen er und sein Kollege Maximilian Paroth nacheinander in die Hand nehmen und mit Spezialwerkzeugen bearbeiten. Mal ist das der kleine Hammer, mal auch Instrumente, die tatsächlich aus einer Zahnarztpraxis stammen. Intonation nennt sich dieser Vorgang. Und danach müssen die Pfeifen noch gestimmt werden. „Das alles ist echte Hand- und Hörarbeit“, sagt Marco Ellmer.
Und eine Wissenschaft für sich, findet Pfarrer Franz Bernhard Lanvermeyer. Immer mal wieder steigt er mit Kirchenmusiker Ralf Stiewe die Stufen hoch auf den Orgelboden, um Ellmer, Paroth und ihre Kollegen von der Orgelbaufirma Seifert bei der Arbeit zu beobachten. Schon seit September wird die „Walcker-Orgel“ in die St.-Antonius-Kirche eingepasst. Die meisten der reinen Bauarbeiten dafür sind mittlerweile abgeschlossen, jetzt geht es um den Klang in der mit 550 Sitzplätzen größten Hallenkirche der Region. Eine Aufgabe, die sich nicht immer nach einem Stundenplan takten lässt. Manchmal sitzt Marco Ellmer noch spätabends auf dem Orgelboden – wenn der Lärm der nahen Bundesstraße nicht mehr so stört.
So ein Klangbild gibt es nur selten
Am Pfingstsamstag soll das Instrument eingeweiht werden und man merkt, wie Lanvermeyer und Stiewe sich auf diesen Tag freuen. Nicht nur, weil der Bischof in St. Antonius die dann größte Orgel im Bistum einweiht. Bisher konnte die St.-Bonifatius-Kirche in Lingen diesen Platz für sich verbuchen. Aber beiden Männern geht es weniger um den Superlativ als mehr um die Möglichkeiten, die das Instrument künftig bietet. Pfarrer Lanvermeyer vergleicht die aus Gelsenkirchen stammende Orgel mit ihren über 7000 Pfeifen und 98 Registern mit einem großen Orchester. „Unser Kirchenmusiker kann damit auf 98 verschiedene Klangfarben zugreifen – wie 98 Instrumente. So ein großes Klangbild gibt es nur selten.“
Ralf Stiewe kann es kaum erwarten, die Orgel zum ersten Mal im Gottesdienst zu spielen. Er weiß zudem um ihre kulturhistorische Bedeutung: als einzige noch gebliebene „Walcker-Orgel“ dieser Dimension aus der Weimarer Republik und als größte erhaltene Konzertsaalorgel Deutschlands. Als sie 1927 gebaut worden ist, sprachen Experten damals von einer „Wunderorgel“ und beschrieben sie als eine der wichtigsten Orgeln ihrer Zeit. Stiewe kann verstehen, dass die Gelsenkirchener die Orgel nur „schweren Herzens“ haben nach Papenburg umziehen lassen.
Wegen ihrer Ausmaße war der Einbau in die St.-Antonius-Kirche laut Lanvermeyer schon eine Herausforderung. Immerhin misst die längste Orgelpfeife 5,50 Meter. „Wir stehen hier in zwei Einfamilienhäusern“, sagt der Pfarrer oben auf dem Orgelboden. Nach einem Architektenwettbewerb ist das Instrument zum Teil schwebend in die Kirche eingefügt worden: zwei der Gehäusetürme hängen befestigt mit Stahlseilen vom Gewölbe herab. So passt sich die Orgel seiner Meinung nach gut in den Kirchenraum ein und wirkt nicht so wuchtig. Die Orgelpfeifen selbst verbergen sich hinter einem schlichten, schnörkellosen Prospekt aus senkrecht verlaufenden, zu den Schallaustritten aufgebogenen Lamellen. Die sind hergestellt aus Reisspelzen – einem modernen Baustoff unserer Zeit. Je nach Standort sehen Besucher die silbrig- oder goldschimmernde Seite der Lamellen.
Schon jetzt fragen Organisten, wann sie spielen dürfen
In den nächsten Wochen wird unten im südlichen Querschiff der Kirche noch der zweite Teil der Orgel eingebaut – die kleinere Begleitorgel für den Chor, auch Fernwerk genannt. Und es gibt eine weitere Besonderheit: Ralf Stiewe und Gastorganisten werden mit dem Spieltisch nicht auf dem Orgelboden sitzen, sondern unten in der Kirche. Moderne Computertechnik und Netzwerksteuerungen machen das möglich.
Mit der „Walcker-Orgel“ wird Papenburg zugleich zu einem neuen Konzertstandort im Emsland und im Bistum. Bis zu 15 Konzerte pro Jahr sind schon gesetzt. An jedem dritten Sonntag im Monat wird es ein Konzert geben: Acht werden von der Kirchengemeinde veranstaltet, eines im Quartal von der Stadt Papenburg. Im Sommer sind außerdem zusätzliche Konzerte geplant. Und schon jetzt fragen Organisten aus dem näheren und weiteren Umkreis an, „wann sie hier mal spielen dürfen“, sagt Pfarrer Lanvermeyer. Das Interesse ist groß. Ralf Stiewe denkt schon an den Einsatz der Orgel in der Liturgie – in Gottesdiensten, in Bibelnächten mit Kunst und Lyrik, an geistliche Soireen.
Und noch jemand freut sich auf das erste große Konzert, wenn die Orgel mit ihrem Klang jede kleinste Ecke der Kirche ausfüllen wird – Marco Ellmer. „Das wird richtig gut“, sagt er mit einem Lächeln. „Wenn die kleinste Pfeife ertönt, muss man die Luft anhalten, um sie zu hören. Und wenn die größte erklingt, dann wird es echt gewaltig.“
Petra Diek-Münchow
Die Orgelweihe findet am Pfingstsamstag, 30. Mai, um 17 Uhr statt. Dazu kommt Bischof Franz-Josef Bode nach Papenburg.