Bibelsonntag
Das Buch, in dem noch mehr drinsteckt
Der Bibelsonntag ist in Deutschland noch ziemlich unbekannt - aber eine guter Anlass, die Bibel neu zu entdecken. Denn sie bietet Möglichkeiten, die viele noch gar nicht kennen.
Von Susanne Haverkamp
Theoretisch ist es klar: Die Bibel, das Wort Gottes, ist für Christen von größter Bedeutung. Praktisch kommen viele aber nur im Gottesdienst mit ihr in Berührung. Oder in der Kirchenzeitung.
Es ist ja auch schwierig mit diesem Mammutwerk aus Texten, die 2000 bis 3000 Jahre alt sind – und manchmal noch weiter zurückreichen. Und für Katholiken kommt hinzu: Allzu lange galt es eher als subversiv, die Bibel selbst zu lesen, statt auf amtliche Auswahl und Auslegung zu setzen. Evangelische Christen tun sich da traditionell leichter.
Dabei bietet die Bibel so viele Möglichkeiten. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Weltbund der Bibelgesellschaften Alphabetisierungskurse unterstützt, und zwar mit Hilfe von Bibelgeschichten? Oder dass in China Bibeln knapp und begehrt sind, weil man sie unbeobachtet vom Staat zu Hause lesen kann? Oder dass die Kollekte an diesem Ökumenischen Bibelsonntag in die Ukraine geht, damit speziell geschulte Seelsorgerinnen und Seelsorger aus den verschiedenen Kirchen Kurse zur biblischen Traumabegleitung anbieten können? Trost und Kraft aus der Bibel, das ist das Ziel.
Und hier bei uns? Da ist die Bibel in der Kinderpastoral durchaus beliebt. Sie wird genutzt zum Erzählen, Singen und Basteln zu den Geschichten von David und Goliat, von Jona im Wal und Joseph in Ägypten, vom Kind im Stall, dem blinden Bartimäus und dem zu klein geratenen Zachäus. Aber danach, wenn das Geschichtenerzählen vorbei ist, dann verstaubt der dicke Rest im Regal.
Kürzlich war ich bei einer Gruppe von Engagierten, die Wort-Gottes-Feiern in ihrer Gemeinde vorbereiten. Auch am Sonntag feiern sie die ohne Kommunionspendung. Auf meine verwunderte Nachfrage sagten sie: „Das Wort Gottes hat so viel zu bieten, das reicht doch!“
Der Papst sagt: „Die Bibel ist das Buch des Gottesvolkes“
Tatsächlich könnte man sich Begegnungen vorstellen, die die Bibel mit Kunst in Verbindung bringen. Oder mit Musik. Mit Literatur und Dichtung. Man könnte längere Texte aus der Bibel lesen, nicht nur die kurzen und oft aus dem Zusammenhang gerissenen Abschnitte, die die Leseordnung bietet. Man könnte die Bibel miteinander teilen, statt auf die Predigt eines Einzelnen zu warten.
Im Judentum gibt es das Fest „Simcha Tora“, das Fest der Freude über die Tora. Singend und tanzend ziehen die Gläubigen mit der Schriftrolle durch die Straßen – oder zumindest durch die Synagoge. Auch davon hat sich Papst Franziskus inspirieren lassen, als er 2019 den „Sonntag des Wortes Gottes“ ins Leben rief – auf dass die Bibel „nicht nur einigen wenigen gehöre (...) Das darf nicht so sein. Die Bibel ist das Buch des Gottesvolkes.“ In der Theorie. Aber vielleicht auch in der Praxis – wenn wir den Mut haben, es einfach zu probieren.