Krippengeschichten

Das Jesuskind ging im Krieg verloren

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Die Weihnachtskrippe weist auf das Wesentliche hin: die Geburt Jesu in Betlehem. Es gibt unzählige Darstellungen: traditionell und modern, naturbelassen, bemalt oder vergoldet, aus Holz oder Pappmaché. Jede Krippe überrascht mit einer ganz eigenen Geschichte. Zum Beispiel die älteste Krippe im Osnabrücker Land.


Krippenexperte Gerhard Lohmeier mit der ältesten Krippe im Osnabrücker Land. Foto: Matthias Petersen

Rund 400 Krippen gehören dem Verein der Krippenfreunde Osnabrück-Emsland. Eine davon hat es Gerhard Lohmeier, dem Vereinsvorsitzenden, besonders angetan. Das hat mit dem Alter der Krippe zu tun und mit geschichtlichen Hintergründen. Wenn Lohmeier über die Krippe aus dem Jahr 1865 erzählt, dann geht es nicht nur um Brauchtum, dann geht es um Pappmaché – und plötzlich auch um die Ökumene.

Denn entstanden ist die Krippe in den Züllchower Anstalten nahe Stettin, einer evangelischen Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche sowie Waisenkinder. Dazu gehörte auch eine Kunstwerkstatt, die sich mehr und mehr einen Namen machte. „Bei den evangelischen Christen waren Krippen damals nicht sehr verbreitet“, sagt Lohmeier. 

Geschenk für evangelischen Pfarrer zur Hochzeit

Dass aber nun eine evangelische Einrichtung Dinge produziert, die eher Katholiken eine Freude macht, sieht er als gelebte Ökumene. Das zeige doch, dass das Zusammenspiel der Konfessionen funktioniere, „wenn man es nur richtig anfängt“. Zudem sieht er in der Kunstwerkstatt einen sozialpädagogischen Aspekt: „Hier bekamen schwer erziehbare Menschen eine hochwertige Beschäftigung, die ihnen einen Schritt ins Leben ermöglichte.“ 

Heute ist die Krippe die wohl älteste im Osnabrücker Land. Von Stettin aus nahm sie zunächst ihren Weg nach Rhynern bei Unna – der Leiter von Züllchow schenkte sie dem dortigen evangelischen Pfarrer zur Hochzeit. Nach dessen Tod wurde sie von der Familie bewahrt und gelangte zu einer der Töchter, die inzwischen in Osnabrück lebte. Die Tochter schließlich schenkte sie Gerhard Lohmeier, der sich seit seiner Kindheit für Krippenkunst interessiert.

„Ich stamme aus Bayern, da kommt man an diesem Brauchtum gar nicht vorbei“, sagt er und nimmt eines der Tiere aus der Schachtel, in der er die Figuren verwahrt. Dann streicht er einem Kamel und einem Schaf über das Fell. Es wirkt wie Samt. „Das ist Tuchstaub“, erklärt Lohmeier, ein Abfallprodukt bei der Stoffherstellung. Die Figuren sind aus Pappmaché hergestellt, nur die dünnen Beine sind aus Holz geschnitzt, damit sie gut stehen können. 

Zunächst war nur die Rückseite mit dem Hirtenfeld zu sehen

„Ich nenne diese Produktionsmethode den Beginn der Demokratisierung der Weihnachtskrippe“, sagt der Experte lächelnd. Denn zuvor gab es nur geschnitzte Krippenfiguren, die sich ausschließlich Reiche leisten konnten – oder eine Kirchengemeinde, wenn es einen Sponsor gab. „Aber jetzt wurde die Weihnachtskrippe zu einem Objekt für jeden.“

31 Figuren gehören zu der Krippe, 30 von ihnen sind im Original erhalten. Ausgerechnet das Jesuskind ging aber in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren und musste ersetzt werden. Das Krippenhaus ist eine Besonderheit: Lohmeier weiß, dass es etwa 14 Tage vor Weihnachten aufgebaut wurde. Zunächst war nur die Rückseite zu sehen, dort wurden Hirten, Frauen und Schafe aufgestellt und symbolisierten das Hirtenfeld. 

Drei Tage vor Heiligabend wurde die Krippe gewendet, so dass jetzt der Stall die Vorderseite bildete. In eine Öffnung im Krippenberg wurde der Weihnachtsbaum gesteckt und geschmückt. Am Tag nach dem Fest der Heiligen Drei Könige durften die Kinder den Baum plündern. Weihnachten war vorbei.

Matthias Petersen

Weitere Krippengeschichten lesen Sie in der Weihnachtsausgabe des Kirchenboten.