Zeichen für Religionsfreiheit
Das Kolosseum strahlt in rot
Weltweit ist es nicht gut bestellt um die Religionsfreiheit. Auch Christen leiden in vielen Ländern darunter. In Rom machte eine aufsehenerregende Aktion nun darauf aufmerksam.
Im kalten römischen Abendregen erklingen die erste Takte von Bachs Matthäus-Passion. "Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen" - während der ersten Zeilen des Anfangschorals erstrahlen die grauen Mauern des Kolosseums nach und nach in rotem Licht. Rot wie das Blut der Märtyrer, das vor 2.000 Jahren in der gigantischen antiken Arena geflossen sein soll. Rot wie das Blut der getöteten und verletzten Christen des 21. Jahrhunderts, von denen Fotos auf einer Leinwand gezeigt werden. Mit ihrer Aktion machte die italienische Sektion des Hilfswerks "Kirche in Not" am Wochenende auf die aktuelle Verfolgung von Christen aufmerksam.
Politische, aber vor allem kirchliche Prominenz ist gekommen, etwa der Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, Bischof Nunzio Galantino. Am beeindruckendsten aber sind die Zeugnisse zweier Opfer von Christenverfolgung, die auf der Bühne am Largo Gaetana Agnesi gegenüber des Kolosseums sprechen.
"Märtyrerinnen des Glaubens"
Die Tochter der in Pakistan wegen Blasphemie zum Tod verurteilten Christin Asia Bibi, Eisham Ashiq, erinnert sich, wie ihre Mutter vor bald neun Jahren mit einem Gürtel als Halsband, blutend und ihrer Kleider beraubt von einem Mob wie ein Hund durch die Straße ihres Dorfes gezerrt wurde. Sie solle ihrem Glauben abschwören und einen Muslim heiraten. Nein, habe ihre Mutter gesagt, "Jesus Christus und meine Familie verlasse ich nicht". Dann muss Eisham Ashiq unterbrechen und einige Tränen abwischen.
Ähnlich ergeht es Rebecca Bitrus. Die von Mitgliedern der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram entführte und in den zwei Jahren ihrer Gefangenschaft misshandelte nigerianische Katholikin erzählt, wie die Terroristen ihren einjährigen Sohn in einen Fluss warfen, weil auch sie ihrem christlichen Glauben nicht abschwören wollte. Die beiden Frauen und Asia Bibis Ehmann Ashiq Masih waren am Samstagvormittag von Papst Franziskus in Privataudienz empfangen worden. Dabei hatte Franziskus Asia Bibi und Rebecca Bitrus als "Märtyrerinnen des Glaubens" bezeichnet.
Kein Gegeneinander von Christen und Muslimen
Eine undifferenzierte Frontstellung "Christen gegen Muslime" kommt bei der Kundgebung am Samstagabend nicht auf. Dafür sorgen nicht nur die Forderungen Parolins und Tajanis, Religionsfreiheit müsse für die Verfolgten aller Religionen gelten. Bei einer Live-Schaltung in die zeitgleich rot angestrahlte Paulus-Kathedrale in Mossul bedankt sich dort Pater Jalal Yako für die Anwesenheit etlicher Muslime. Ihre Solidarität mache Mut. Und aus der ebenfalls zugeschalteten Elias-Kirche in Aleppo berichten Sprecher der dortigen Kundgebung von den gemeinsamen Versuchen eines Neuanfangs.
Aleppo und Mossul seien beides "Symbolorte für ungeheures Leid, verursacht durch Fundamentalismus und geopolitische Interessen", so Parolin. Zugleich betont er, ein "Naher Osten ohne Christen ist sinnlos, sie sind fundamentaler Teil dieser Region". Eindringlich warnen Galantino sowie der Vorsitzende von "Kirche in Not"-International, Kardinal Mauro Piacenza, vor internationaler Gleichgültigkeit. Sie mache die Verfolgten ebenso zu Opfern wie die Gewalt der Täter. Tajani fordert von den Vereinten Nationen «den Mut des Europaparlaments, Christenverfolgung als Genozid zu bezeichnen».
Auch der Trevi-Brunnen leuchtete rot
Die italienische Sektion von "Kirche in Not" hatte erstmals im April 2016 eine derartige Aktion für verfolgte Christen durchgeführt. Damals wurde der Trevi-Brunnen in Rom rot angestrahlt. Ähnliche Aktionen fanden bereits am Londoner Parlamentsgebäude Westminster, der Pariser Kirche Sacre Coeur sowie an der Christus-Statue in Rio de Janeiro statt.
Das als "Kolosseum" bekannte Amphitheater in Rom wurde zwischen 72 und 80 nach Christus gebaut. Dass darin neben Gladiatoren- und Tierkämpfen auch Hinrichtungen von Christen stattfanden, ist laut neuerer Forschung nicht sicher. Seit 1744 aber gilt das Kolosseum als Gedenkstätte für die frühen christlichen Märtyrer - und ist als solche an diesem Wochenende blutrotes Mahnmal für die heutigen Opfer von Christenverfolgung.
von Roland Juchem / KNA