Fastenaktion in Meppen

Das Leid ins Kreuz legen

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Wer in diesen Tagen durch die Meppener Fußgängerzone läuft, sieht vor dem Ladenlokal der Stadtpastoral „Kirche in Meppen“ (KIM) ein schlichtes Kreuz – mit zwei offenen Balken. Dort hinein können Passanten kleine Holzscheite legen, auf die sie ihre eigenen „Leid-Worte“ schreiben. „Karfreitagswelt“ heißt diese Fastenzeitaktion. Denn viele Menschen durchleben gerade ihre persönlichen Karfreitage.

 


Ein Kreuz der Hoffnung steht in Meppen in der Fußgängerzone. Foto: Sabine Kuper

„Man muss doch nur die Zeitung aufschlagen“, sagt KIM-Leiterin Sabine Kuper. „In allen Ecken der Erden gibt es eine große Vielfalt an Leid, aber auch bei uns hier nebenan.“ Das KIM-Team hat dazu eindrucksvolle Fotos ins Schaufenster gehängt. Vom Krieg in der Ukraine und vom Erdbeben in der Türkei und Syrien, von der Dürre in Italien und den Waldbränden in Südamerika, vom Missbrauch in der Kirche. Und vom tragischen Autounfall auf der Straße – der vielleicht den Vater, die Partnerin, den Sohn, die Freundin von einer Minute auf die andere aus dem Leben reißt. Solche Kreuze wiegen schwer und lassen den Alltag aus dem Gleichgewicht geraten. Symbolisch hängt deshalb im zweiten KIM-Schaufenster ein schiefes Kreuz, gebildet aus zwei lila Tüchern.

Doch die Aktion will nicht bei diesen „Leid-Bildern“ stehenbleiben. Das Kreuz soll zu einem Symbol der Hoffnung werden, in das die Menschen ihre schmerzlichen Erfahrungen ablegen und zumindest für einen kurzen Moment vielleicht loslassen können. Dafür gibt es kleine Holzscheite, auf die jeder Gast ein Leid-Wort schreiben kann.

Das wird laut Sabine Kuper seit Beginn der Fastenzeit rege genutzt. Was auf diesen Stücken steht? Begriffe wie zum Beispiel Schuld oder Krankheit, Hass oder Missbrauch, Enttäuschung oder Respektlosigkeit. Und manchmal auch nur einzelne Buchstaben oder ein Symbol. „Das bleibt dann das Geheimnis des Menschen“, sagt Kuper. „Aber vielleicht hat es ihm und ihr für diesen kleinen Augenblick geholfen, das Leid einmal niederzuschreiben und das Gefühl zu bekommen: Ich werde gesehen, mein Schmerz wird wahrgenommen.“

Nicht alle Passanten, die vor dem Kreuz stehen bleiben und schauen, machen gleich mit. Aber Sabine Kuper und die anderen Haupt- und Ehrenamtlichen von KIM spüren, dass „das etwas mit ihnen macht“. Denn manchmal kommen auch einige Gäste hinein und suchen das Gespräch, zu dem das Team ausdrücklich einlädt. Kuper erinnert sich an eine Frau, die von einem schweren Verlust erzählt, der sie einfach nicht loslässt. Ein Mann dagegen nimmt einen Holzscheit zunächst nur mit, kommt dann Tage später ins Haus und berichtet, dass er etwas aufgeschrieben hat – aber sein Leid-Wort noch nicht abgeben kann. „Das hat uns sehr berührt.“

Nach der Passionszeit verschwinden die Holzscheite übrigens nicht einfach. Sie werden gesammelt und bei Osterfeuern in den Stadtgemeinden verbrannt. „Damit so aus unseren Karfreitagen ein Ostersonntag werden kann.“

Petra Diek-Münchow

Das Haus der Stadtpastoral „Kirche in Meppen“ (KIM) steht am Markt 34 nahe des historischen Rathauses. Dort können Gäste zu den Öffnungszeiten dienstags bis freitags von 10 bis 12.30 Uhr und 14.30 bis 17 Uhr sowie samstags von 10 bis 12.30 Uhr bei der Aktion mitmachen.