Dem Helden geht es nicht gut
Vor rund zwei Wochen machte ein Wohnungsbrand in Hammerbrook Schlagzeilen – auch weil ein Zwölfjähriger die Bewohner vor dem Feuer rettete. Ihm und seiner Familie bietet das Erzbistum Unterkunft – vorerst.
Sie müssen – sinnbildlich – über Wasser gehen: Yolande Gnapo, Lazare Koré und sein Sohn Moise. Sie stehen vor einer Herausforderung, wie sie Pastor Jürgen Wätjer in seiner Predigt am 9. August in der Bergedorfer Kirche St. Marien schilderte. Sie knüpfte an die berühmte Bibelstelle an, in der geschildert wird, wie Jesus über das Wasser geht (Mt 14, 22–33). Im Mittelpunkt stehe dabei nicht das Wunder, so legte Wätjer dar, sondern der Mensch, der im Vertrauen auf Gottes Hilfe unmöglich scheinende Dinge vollbringen könne.
Ohne es zu wissen rührte Wätjer die drei damit besonders. Denn ihre Vierzimmerwohnung am Nagelsweg in Hammerbrook war zuvor ausgebrannt. Sie verfügten plötzlich nur noch über das, was sie am Leibe trugen. In den Gottesdienst waren sie und ihre Verwandten, die zu Besuch waren und in der Wohnung übernachtet hatten, aus Dankbarkeit gekommen, dass sie noch lebten.
„Wir fühlen uns wie gelähmt“
Zu verdanken war die Rettung dem zwölfjährigen Moise. Rechtzeitig bemerkte er den Brand, der laut Polizeiangaben durch einen technischen Defekt ausgelöst wurde – möglicherweise durch einen überhitzten Akku eines Mobiltelefons. Moise rief die Feuerwehr, brachte seine zweijährige Cousine Mia aus der Wohnung, weckte die übrigen Angehörigen und warnte die Nachbarn. Die lokale Presse feierte ihn daraufhin als „Held“. Doch dem Helden geht es momentan nicht wirklich gut. Er sei traurig, dass er persönliche Dinge wie Kleidungsstücke durch den Brand verloren habe. Zeitweise fühle er sich schlapp, sagt er. Auch der Rummel um seine Person sei etwas viel gewesen.
„Wir fühlen uns wie gelähmt“, sagt sein 58-jähriger Vater Lazare, der kurz vor Ausbruch des Feuers zusammen mit seiner Frau Yolande Gnapo die Wohnung verlassen hatte. Er stammt aus der Elfenbeinküste, lebt aber schon seit mehr als 30 Jahren in Hamburg und arbeitet als Bühnentechniker am Thalia Theater. „Meine Frau sieht ganz traurig aus“. Sie kauert ein wenig zusammengesunken in einem Sessel neben ihm, hält sich den Kopf, klagt über Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen. Sie arbeitet als Krankenpflegerin, ist jedoch jetzt erst einmal krankgeschrieben.
Zumindest aber musste die Familie vorerst nicht mit einem jugendherbergsartigen Hotel vorlieb nehmen, sondern ist in einer etwas größeren Wohnung des Erzbistums im Stadtteil Bergedorf untergekommen. Lange können sie dort freilich auch nicht bleiben. Dringend suchen sie eine neue Bleibe, denn es könnte ein halbes Jahr dauern, ehe die Wohnung am Nagelsweg wieder hergerichtet ist, sagt Lazare Koré.
Zudem nagen rechtliche und finanzielle Ungewissheiten an den Nerven: Er hat zwar eine Haftpflichtversicherung, aber keine Hausratversicherung abgeschlossen. Für die Schäden am Gebäude muss er somit wohl nicht aufkommen, aber viele seiner Möbel und oft teuren Geräte wie etwa Computer, die verbrannt sind, muss er neu beschaffen. Und natürlich Kleider. Gerade seine Frau vermisst so gut wie alle ihre farbenfrohen, handgewebten afrikanischen Stücke. Nur eines ist ihr geblieben, nämlich jenes, das sie am Tag des Feuers trug. Zwischenzeitlich ausgeholfen hat die Kleiderkammer des katholischen Krankenhauses St. Adolf-Stift in Reinbek.
Hilfe durch Diakon Andreas Petrausch
Arrangiert hat das alles Andreas Petrausch. Der Diakon, der bei der Caritas Hamburg für Flüchtlingsseelsorge zuständig ist, war von der Feuerwehr als Notfallseelsorger gerufen worden. Hinzu kommt: Die Familie ist katholisch. Yolande Gnapo und Moise Koré besuchen regelmäßig Gottesdienste im „Kleinen Michel“.
„Ich bin dankbar, dass das Bistum trotz knapper Mittel die Möglichkeit bietet, die Familie hier unterzubringen“, sagt Petrausch. Es sei schön zu erleben, dass es eine große Hilfsbereitschaft gebe. Die Familie erfuhr sie auch von den Arbeitskollegen Lazare Korés. „Die haben Kleidung und Geschirr für uns gesammelt,“ berichtet er. Für das Geschirr hat er allerdings momentan keinen Platz.
In der Geschichte aus dem Matthäus-Evangelium steigt Petrus aus dem Boot und geht über Wasser auf Jesus zu. „Als er aber den Wind sah, erschrak er und hob an zu sinken, schrie und sprach: Herr hilf mir!“ Daraufhin streckte ihm Jesus seine Hand entgegen und zog in wieder hinauf. „Eine Haltung, die wir leicht selbst übernehmen können. Auch wir können eine helfende Hand sein, in großen, wie in kleinen Dingen“, sagte Pastor Wätjer weiter in seiner Predigt. Yolande Gnapo empfand die Worte, als seien sie für sie geschrieben worden.
Wer die Familie unterstützen möchte – vor allem mit einem konkreten Wohungsangebot – kann sich wenden an Diakon Andreas Petrausch über die Zentrale des Erzbistums Hamburg, Tel. 040 / 248 77-0.
Text u. Foto: Matthias Schatz