„Den Glauben habe ich von meiner Mutter“

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Die spanischsprachigen Katholiken im Bistum Hildesheim haben wieder einen neuen Seelsorger: Padre Enrique Quiroga kommt aus dem bolivianischen Erzbistum Sucre. Der 58-Jährige arbeitet von der Mission in Hannover aus.


Padre Einrique Quiroga aus Bolivien ist neuer Seelsorger
für die spanischsprachigen Katholken im Bistum Hildesheim

„Den Glauben habe ich von meiner Mutter“, sagt Enrique Quiroga. Es muss ein starker Glauben gewesen sein: „Als Säugling wurde ich sehr krank.“ Die Ärzte hatten ihn schon aufgegeben. Doch seine Mutter nicht. Sie pilgerte mit ihrem Baby zum Wallfahrtsort San Mauro – und der kleine Enrique wurde gesund. Ein Wunder? Quiroga weiß es nicht. Aber große Liebe und fester Glaube.

Geboren und aufgewachsen ist Enrique Quiroga in Padilla, einem traditionsreichen Ort im Bundesstaat Chuquisaca, 175 Kilometer östlich von Sucre gelegen – der verfassungsmäßigen Hauptstadt Boliviens und Sitz des Erzbistums. Quiroga hat fünf Brüder und zwei Schwestern. Die Kirche spielt eine große Rolle: „Ich war von klein auf Messdiener“, erinnert er sich. Als er 14 ist, sagt ihm ein Priester, dass Quiroga auch mal wie er am Altar stehen wird: „Alle haben gelacht, weil ich ein sehr unruhiges Kind war.“

Doch so etwas wie die Saat ist gelegt. Mit 17, gerade den Schulabschluss in der Tasche, haut Quiroga von zu Hause ab – und will nach Sucre ins Priesterseminar. Seine Mutter fängt ihn noch ab, er bittet, es zumindest einen Monat versuchen zu dürfen. Eine Tante meint, Quiroga würde ohnehin noch früher zurückkommen.

Doch aus dem Monat werden drei Jahre. Dann aber kommt eine Krise – und die Vorzeichen ändern sich. Jetzt ist es seine Mutter, die sagt: „Damit musst du klarkommen, so habe ich euch erzogen.“ Quiroga kommt damit klar und wird 1988 zum Priester geweiht. Übrigens nicht in der Kathedrale von Sucre, sondern in seiner Heimatpfarrei.

Erst Klein-, dann Hauptstadt. Drei Jahre arbeitet Quiroga zunächst als Kaplan bei einem deutschen Missionar ganz im Süden des Erzbistums, dann wird er in die Bischofsstadt gerufen. Neben der Tätigkeit in einer Pfarrei ist Quiroga in der Berufungspastoral tätig: „Ich war Ansprechpartner für junge Männer, die gern Priester werden möchten.“ Er organisiert Veranstaltungen, bei denen Interessierte eine Woche im Priesterseminar verbringen können.

„Wie im Buch Exodus“

Später wird er Dozent am Pries­terseminar und 1993 von seinem Bischof zum Philosophiestudium nach Rom an die Gregoriana geschickt. Wieder zurück wartet nach zwei weiteren Jahren als Dozent 1997 eine neue Aufgabe auf ihn, mit der das Erzbistum auf die wachsende innerbolivianische Wanderungsbewegung reagiert: „Viele unserer Leute sind ins Tiefland in die Metropole Santa Cruz gezogen, weil sie sich dort Arbeit erhofft haben.“ Für ein Land, das wie Bolivien von unterschiedlichen indigenen Kulturen geprägt ist, ein großer Schritt – und durchaus mit Widerständen verbunden. Das Erzbistum schickt Quiroga als Missionar im eigenen Land hinterher: „Wie im Buch Exodus“, sagt er und lächelt. Sechs Jahre kümmert er sich in einem Randbezirk der rasant wachsenden Zwei-Millionen-Stadt Santa Cruz vor allem um die soziale Integration der Zugewanderten.

2003 geht es wieder zurück nach Sucre, wobei seine Arbeit in der Pfarrei St. Josef und erneut am Priesterseminar eine Zwischenepisode bleibt. 2007 heißt das neue Ziel Bogota in Kolumbien, der Sitz der CELAM, dem lateinamerikanischen Bischofsrat, dem Zusammenschluss der süd- und mittelamerikanischen Bischofskonferenzen. Quiroga wird Sekretär in der Abteilung Gerechtigkeit und Solidarität. Armut und Klimaschutz, Migration und Menschenrechte werden seine Themen, gerade in einer Zeit, in der sich die CELAM wieder stärker an der „Option für die Armen“ ausrichtet. Für Quiroga ist klar, dass Kirche sich gesellschaftlich einmischen muss, um die frohe Botschaft zu verkündigen.

Mit dieser Erfahrung wird Quiroga 2011 Leiter des Seelsorgeamtes im Erzbistum Sucre. Gleichzeitig wirkt er als Priester in der Pfarrei Santo Domingo im Zentrum der Bischofsstadt. Ideen und neue Perspektiven für die Seelsorge werden im Alltag geprüft und umgesetzt. Erwachsenenbildung und das Übernehmen sozialer Aufgaben sind der eine Schwerpunkt, Angebote für Familien und Jugendliche der andere: Erstkommunionen und Firmung bekamen eine neue Dynamik, berichtet Quiroga. Nicht zuletzt, weil eine große Gruppe von Katechetinnen und Katecheten, Erwachsene wie Jugendliche, sie begleitet. Wichtig ist ihm als Pries­ter, dass die unterschiedlichen Anliegen in der Pfarrei in der heiligen Messe vor Gott gebracht werden: „Wir haben jeden Sonntag fünf Messen für die unterschiedlichen Gruppen gefeiert.“

Bereit mit Herz, Füßen und Händen

Jetzt der Schritt nach Deutschland, nach Hannover: „Mein Bischof hat mich gefragt, ob ich diese Aufgabe übernehmen möchte.“ Quiroga sagte zu, lernt jetzt deutsch und die vielfältige Mission der spanischsprachigen Katholik*innen im Bistum Hildesheim kennen. Wobei: In Hannover war er bereits einmal. 2015 im Rahmen eines Deutschland-Besuches. Nur: „Ich bin die drei Tage allerdings nur hinterhergelaufen.“ Wieder lächelt Quiroga. Er sei aber mit Händen, Füßen und Herz bereit, sich seiner neuen Aufgabe anzunehmen, die zudem ein Ausdruck der besonderen Partnerschaft zwischen der Kirche von Bolivien und dem Bistum Hildesheim ist.

Eines ist für Quiroga sicher: „Gott hat mir immer den Weg gezeigt.“ Ein starker Glaube, ins Herz gelegt von seiner Mutter.

Rüdiger Wala