Serie zur Fastenzeit, Teil 1

Denke neu - über Gott

Österliche Bußzeit – so heißen die Wochen vor Ostern. Es ist die Zeit, das eigene Leben zu hinterfragen, falsche Wege zu verlassen und neu zu beginnen. Zum Beispiel in der Beziehung zu Gott. Teil 1 unserer Fastenserie.

Nein, denken Sie jetzt vielleicht, in meiner Beziehung zu Gott ist eigentlich alles okay: sonntags in die Messe, vielleicht manchmal sogar am Werktag, Gebet vor dem Essen, Vaterunser am Abend, dazu eine Fürbitte für die Enkel. An Gott glaube ich fest. Das läuft.

Schön, wenn es so ist. Wenn Sie zu den regelmäßigen Kirchgängern und zu den fleißigen Betern gehören. Wenn Sie glaubensstark und ohne Zweifel sind. Bewahren Sie sich das!
Und doch ist die Fastenzeit seit jeher die Zeit für Buße und Umkehr. Und damit für ein Umdenken, denn das bedeutet das griechische Wort „metanoia“ wörtlich übersetzt: Umdenken. Umkehr heißt dann: Denke anders. Verlass die vertrauten Wege.

Denke neu und handle neu.
 

Neu denken: Das ist immer unbequem. Wir haben unsere festen Vorstellungen, Werte, Überzeugungen. Von Kindheit an geprägt, im Erwachsenenleben gefestigt. Jedem modernen Trend hinterherzulaufen, das kann wirklich kein Gewinn sein.
Auch für den Glauben gilt das. Was wir gelernt und eingeübt haben, was uns seit Jahrzehnten trägt, daran halten wir fest. Neu denken über Gott? Führt das nicht zur inneren Verwirrung, zu Verunsicherung? Schwächt es den Glauben nicht mehr, als es ihn stärkt?

Merkwürdigerweise spricht die Bibel oft davon, dass die Gläubigen zu Gott umkehren sollen. Obwohl sie doch gläubig sind. Obwohl sie die Gebote beachten, die vorgeschriebenen Opfergaben darbringen und ihre täglichen Gebete verrichten. Sie machen und glauben alles, was geschrieben steht. Warum sollen sie da umkehren? 

Gott? Ja, klar: Über den weiß ich alles
 

Nun, vielleicht, weil wir Gläubigen oft meinen, über Gott schon alles zu wissen: Wie er ist. Was er will. Was er wie beurteilt. Wen er erwählt und wen nicht. Aber kann man da so sicher sein? Muss man nicht manchmal umdenken?
Ijob musste es. Der biblische Ijob, Sie wissen schon. Er war „untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse“, so erzählt die Bibel. Auch wenn er es selbst nicht nötig hatte, brachte er sicherheitshalber für seine Kinder Sühnopfer dar. „Denn Ijob sagte: Vielleicht haben meine Kinder gesündigt und Gott gelästert in ihrem Herzen.“ Von Gottes Gerechtigkeit war er fest überzeugt. Er wusste ganz genau, wie glauben geht und was Gott will.

Bis das Schicksal zuschlägt und ihm Besitz, Familie und Gesundheit nimmt. Da muss er umdenken. Und seine Freunde, die ihn trösten wollen, auch. Die sind überzeugt, dass Ijob irgendetwas gemacht hat, was Strafe verdient. Denn das meinte man damals über Gott zu wissen: Gott sieht alles, er belohnt und er bestraft. Mehr als 30 Kapitel lang diskutieren Ijob und seine Freunde klug darüber, wie Gott ist und wie er warum handelt. Sie wissen genau Bescheid. Seit Kindheit an.

Wissen wir über Gott wirklich alles?
 

Aber dann ergreift Gott selbst das Wort. Er wirft alle vorgefassten Meinungen über den Haufen. „Ich bin anders!“, sagt er. „Und ihr wisst nichts!“ Und Ijob gibt kleinlaut zu: „Ich habe im Unverstand geredet. Vom Hörensagen nur hatte ich von dir gehört. Darum widerrufe ich. Ich bereue in Staub und Asche.“

Das ist mal ein Satz für die Fastenzeit: Ich bereue in Staub und Asche, dass ich meinte, alles über Gott zu wissen. Dass ich eine fix und fertige Meinung über ihn im Kopf und im Herzen hatte. Dass nichts und niemand an meinen Überzeugungen rütteln konnte.

Und das ist eine Aufgabe für die Fastenzeit: neu zu denken über Gott. Auch unbequeme Gedanken zuzulassen. In Erwägung zu ziehen, dass Gott anders ist. Dass das, was wir über ihn zu wissen meinen, nur ein ganz kleiner Tropfen im Meer seiner Unendlichkeit ist. 

Gott neu denken: Das macht demütig und bescheiden. Aber es macht auch großmütig und offen gegenüber Andersglaubenden. Es kann befreien aus Ängsten und wecken aus allzu großer Sicherheit. Gott ist größer als unser Herz und unser Verstand. Wer an ihn denkt, denkt nie aus.

Susanne Haverkamp