Ein Pilot, der Priester werden wollte

Der fliegende Reverend

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Markus Hoffmann ist Pilot bei der Lufthansa. Ursprünglich hatte er einen anderen Berufsweg eingeschlagen, er wollte Priester werden. Das hilft ihm, als 2015 die Germanwings-Maschine in den französischen Alpen abstürzt. Er bietet seine Unterstützung an und leistet am Unglücksort einen wichtigen Dienst.

Foto: privat
Markus Hoffmann im Cockpit des Airbus A 380.
Für die Fliegerei interessiert er sich
seit frühester Jugend. Foto: privat

Der 24. März 2015 ist für Markus Hoffmann zunächst ein ganz normaler Tag. Das ändert sich auf dramatische Weise, als er am Vormittag auf dem Handy die Nachricht vom Absturz eines deutschen Passagierflugzeugs liest. Wenig später ist klar: Ein Flugzeug der Lufthansa-Tochtergesellschaft Germanwings ist in den französischen Alpen abgestürzt. 150 Menschen sind ums Leben gekommen. Die Untersuchungen ergeben später, dass der Co-Pilot das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht hatte.

Markus Hoffmann ist Pilot bei der Lufthansa. Er fliegt als Senior First Officer – letzter Rang vor dem Flugkapitän – das größte Passagierflugzeug der Welt, den A 380. Ziele sind zum Beispiel Hongkong, Los Angeles oder Neu-Delhi. 
Jetzt zögert er nicht lange. Er meldet sich bei seinem Vorgesetzten und bietet seine Hilfe an. Tatsächlich bitten wenig später Lufthansa-Mitarbeiter vom Unglücksort um Unterstützung bei der Organisation eines Gottesdienstes.  

Schon früh interessiert Hoffmann die Fliegerei

Markus Hoffmann ist dafür der richtige Ansprechpartner, denn bevor er Pilot geworden ist, verfolgte er ein anderes Berufsziel: Er wollte katholischer Priester werden. Das hat ihm bei den Kollegen nicht nur den Spitznamen „Reverend“ eingebracht, sondern auch eine Rolle dabei gespielt, dass er Vertrauenspilot geworden ist. 

Seinen Glauben trägt er nicht wie eine Monstranz vor sich her, aber: „Ich versuche mein Leben danach zu gestalten und mit meinen Mitmenschen entsprechend umzugehen.“ Wenn das Gespräch im Cockpit dann doch einmal auf seinen ersten Berufswunsch kommt, wird er zwar manchmal belächelt, aber meist trifft er auf Erstaunen, Respekt und Interesse.

Für die Fliegerei hat Markus Hoffmann sich schon als Jugendlicher interessiert. Zugleich war er in seiner Kölner Pfarrgemeinde engagiert, vor allem in der Ministrantenarbeit. Priester werden oder Pilot? Das war schließlich die Frage nach der Schule. Der Wunsch, Seelsorger zu werden, war größer, und Markus Hoffmann wurde Priesterkandidat für das Erzbistum Köln. Während der Freisemester in München wurde ihm allerdings klar, dass er nicht ehelos leben wollte. Dennoch setzte er sein Theologiestudium fort, um später in der theologischen Wissenschaft zu arbeiten. Ein eher zufälliger Kontakt zu einem Flugkapitän und dessen Erzählungen vom Pilotenberuf führten ihn zur Fliegerei zurück.

Nach dem Anruf der Kollegen von der Unglücksstelle zögert Markus Hoffmann nicht: Er packt eine Bibel ein, eine Kerze und einige CDs mit Kirchenmusik. Dann ruft er einen befreundeten Benediktinerpater an, bittet ihn um Unterstützung und macht sich auf den Weg zur Unglücksstelle. Der Gottesdienst fand am Ostermontag statt. Die Begegnung mit den trauernden Angehörigen lässt auch bei Markus Hoffmann die Frage aufkommen: Warum hat Gott das zugelassen? Eine Antwort hat er bis heute nicht. 

„Von meinem Glauben her bin ich der festen Überzeugung, dass alles im Leben seinen Sinn hat. Das ist auch durch das Unglück nicht erschüttert worden. Aber angesichts einer solchen Katastrophe steht man sprachlos da“, gesteht Markus Hoffmann. „Die Hoffnung, mit der wir Christen leben, haben wir natürlich im Gottesdienst angesprochen, aber nur sehr vorsichtig. Den Angehörigen kann man die Hand reichen, ihnen Anteilnahme zeigen und Begleitung in ihrer Trauer anbieten. Aber man kann ihnen gegenüber nicht einfach so vom lieben Gott sprechen.“

Hoffmann gestaltet das Gedenken am Jahrestag

Foto: Lufthansa
Für jedes Opfer ein Puzzleteil: Eine Sonnenkugel
erinnert an der Unglücksstelle an die Opfer des
Flugzeugabsturzes. Foto: Lufthansa

Seitdem hat Markus Hoffmann das Angehörigengedenken an jedem Jahrestag des Absturzes mitgestaltet. Eine besondere Herausforderung war der erste Jahrestag. Auch, weil das öffentliche Interesse groß war. Bei der Gestaltung des Gottesdienstes waren die Angehörigen intensiv einbezogen. „Die meisten Opfer waren Christen, einige Juden, Muslime und Buddhisten.“ Ökumenischer Wortgottesdienst oder multireligiöse Feier?

„Wir haben uns für einen ökumenischen Wortgottesdienst entschieden, bei dem die Vertreter anderer Religionen zu Wort kamen.“ Dieser fand am Vorabend des Jahrestages in Marseille statt. Am Jahrestag selbst gab es dann die offizielle Gedenkfeier in Le Vernet nahe der Unglücksstelle mit Gedenkminute um 10.41 Uhr und der Verlesung der Opfernamen.

Seit dem zweiten Jahrestag gibt es – in Rücksprache mit den Angehörigen – nur noch eine Feier, den Gottesdienst, der jetzt in der Kathedrale von Digne-les-Bains gefeiert wird. Die Schweigeminute und die Verlesung der Opfernamen sind den Angehörigen dabei sehr wichtig. Außerdem haben sie die Möglichkeit, eigene Beiträge in den Gottesdienst einzubringen. Geleitet wird der Gottesdienst von dem mit Markus Hoffmann befreundeten Benediktiner und einer evangelischen Pfarrerin.
Aktuell laufen die Vorbereitungen für das Gedenken zum vierten Jahrestag. „Auch vier Jahre nach dem Unglück bleibt der Gottesdienst ein wichtiger geschützter Raum für die Angehörigen. Zu vielen ist inzwischen ein tiefes Vertrauensverhältnis 
gewachsen.“ 

Große Unglücksfälle und Katastrophen passieren plötzlich. „Man kann sich nicht darauf vorbereiten“, sagt Markus Hoffmann. „Ich bin wirklich froh darüber, dass es auch im Angesicht einer solchen Katastrophe gelungen ist, in vielerlei Hinsicht Brücken zu schlagen – auch für mich ganz persönlich zwischen meinem heutigen Beruf und dem, was ich einmal während meines Studiums lernen durfte.“

Matthias Holluba