Lehrpfad erinnert an den Priester und Dichter Jakub Bart-Ćišinski
Der Goethe der Sorben
An den sorbischen katholischen Priester, Dichter, Dramatiker und Publizisten Jakub Bart-Ćišinski (1856–1909) erinnert seit April in Panschwitz-Kuckau ein Lehrpfad. Die Idee stammt von Jadwiga und Fabian Kaulfürst. Eine Station ist das Kloster St. Marienstern. Fotos: Andreas Kirschke |
„Die Zeit läuft ab, es sinkt die Sonne, die Tage, die mein Lied durchwehte, erloschen müd wie Funkenglut“, beginnt Jakub Bart-Ćišinski (1856-1909) sein Gedicht „Prolog“. Unter dem Titel „Mein Leben“ ist es ins Deutsche übertragen von Kito Lorenc. An den sorbischen katholischen Priester, Dichter, Dramatiker und Publizisten Jakub Bart-Ćišinski erinnert seit einem halben Jahr in Panschwitz-Kuckau bei Kamenz ein sechseinhalb Kilometer langer Lehrpfad.
„In seinen Gedichten hat er die sorbische Sprache auf ein hohes literarisches Niveau gehoben. Seine Lyrik ist durchdrungen von tiefer Heimatliebe und zeugt von seinem Engagement für sein Volk“, meint Fabian Kaulfürst (42) aus Panschwitz-Kuckau. Er ist Sprachwissenschaftler am Sorbischen Institut in Cottbus. Seine Frau Jadwiga (44) arbeitet im Witaj (sorbisch: Willkommen)-Sprachzentrum Bautzen als wissenschaftliche Begleiterin für sorbischsprachige Erziehung in Kindergärten. Zusammen mit ihrem Mann hat sie den Lehrpfad zu den Lebensstationen des Dichters entwickelt. Hunderte Stunden forschten, schrieben, designten und programmierten sie dafür, machten Tonaufnahmen und bearbeiteten sie.
In der Schule gibt es ein kleines Museum
„Seit vielen Jahren besteht in der Panschwitz-Kuckauer Schule ein kleines Ćišinski-Museum. Mit Herz engagierten sich Einwohner dafür. Wir wollten mit dem Lehrpfad daran anknüpfen“, sagt Fabian Kaulfürst. Die Domowina-Ortsgruppe Panschwitz-Kuckau, der die beiden angehören, reichte das Projekt beim Wettbewerb Sächsischer Mitmachfonds ein. 1000 Euro Preisgeld gab es dafür. Sie dienten für die Erstellung der Tafeln, auch ein Mikrofon wurde von dem Geld beschafft. Unterstützung kam von der Gemeinde Panschwitz-Kuckau, vom Kloster St. Marienstern, von privaten Grundstückseigentümern und vom Sorbischen Kulturarchiv.
Im Lippe-Park in Panschwitz-Kuckau erinnert ein Denkmal an Jakub Bart-Ćišinski. |
Ćišinski und seine Werke kannten die Kaulfürsts aus ihrer Schul- und Studentenzeit. „Jetzt lasen wir vieles erneut. Vor allem die Originalquellen: seine Briefe und Gedichte. Für uns war das wie eine Wieder- und Neu-Entdeckung“, sagt Fabian Kaulfürst und unterstreicht: „Der Lehrpfad soll Jakub Bart-Ćišinski als Menschen – mit seinem besonderen Können, aber auch mit seinen Schwächen, seinen Zweifeln und seiner Verzweiflung nahebringen.“
In Kuckau kam Jakub Bart (amtlich deutsch Jacob Barth) zur Welt. Dort besuchte er sieben Jahre lang die Dorfschule. Nach zwei weiteren Schuljahren in Bautzen besuchte er ab 1871 in Prag das Gymnasium und studierte anschließend Theologie. „Dort erwarb er sich seine literarische Bildung. Er lernte mit Leidenschaft unter anderem Polnisch, Russisch und Tschechisch und sog Weltliteratur in verschiedenen Sprachen in sich auf. Er las die Werke bekannter Dichter.“ Hier ging er auch die ersten Schritte als Autor.
Jadwiga Kaulfürst ist fasziniert von Ćišinskis Sprache und erfreut sich besonders an seinen Naturgedichten. „Seine Lyrik kann man beim bloßen Hören oft nicht sofort erfassen, sie ist eher für das Lesen geschrieben. Der Satzbau ist anspruchsvoll. Erst nach und nach erschließt er sich dem Leser.“
1883 wurde Jakub Bart zum Priester geweiht. Die Primiz fand in der Klosterkirche in seinem Heimatort statt. Er wurde Kaplan in Ralbitz, später in Radibor. „Von dort versetzte ihn die Kirche auf mehrere Stellen außerhalb des sorbischen Sprachgebietes: nach Schirgiswalde, Dresden, Chemnitz und Radeberg“, erläutert Fabian Kaulfürst. „Bekannt war er als Prediger, der sich für die Rechte der Arbeiter einsetzte. 1903 begab sich Jakub Bart-Ćišinski nach unzähligen Scherereien mit der kirchlichen Obrigkeit kurz nach seinem 47. Geburtstag vorzeitig in den Ruhestand, den er in der Lausitz verbrachte.“
Bereits in jungen Jahren hatte er den Roman „Narodowc a wotrodźenc“ (Patriot und Renegat) geschrieben. Ćišinski verfasste zudem das erste originale sorbische Drama „Na hrodźišću“ (Auf dem Burgwall). Im Laufe seines Lebens schrieb er mehr als 800 Gedichte.
Zehn Stationen umfasst der Ćišinski-Lehrpfad. Mit QR-Code via Smartphone können Besucher die Inhalte anhören oder lesen. Der Lehrpfad beginnt in Kuckau am Maibaum-Platz. Weiter führt er zum Geburtshaus des Dichters. Nächste Station ist das Kloster-Torhaus. „Gegenüber lag früher die Knabenschule. Ćišinski lernte als Kind dort“, sagt Fabian Kaulfürst. Im Klosterhof führt der Lehrpfad weiter zum Brunnen mit dem böhmischen Löwen. Diese Station steht für Ćišinskis Prager Studentenzeit. Damals wurde ihm klar: Die sorbische Sprache kann in ihrer Lyrik und Literatur Weltniveau erreichen. Weiter geht es in den Lippe-Park. Dort steht heute das Ćišinski-Denkmal. Vom Lippe-Park führt der Lehrpfad weiter durch Cannewitz nach Ostro. Unterwegs kann der Leser einen wunderbaren Blick auf den Burgwall – die Ostroer Schanze – genießen. Solch einer mittelalterlichen Wehranlage widmete Ćišinski 1880 das erste originale sorbische Drama „Na hrodźišću“ (Auf dem Burgwall). „Ćišinski war zeitlebens vom Theater begeistert. Er spürte: Gerade das Theater erreicht die Herzen der Menschen.“
Ostroer Kirche mit Ćišinskis Grab
Weiter gehts zur Ostroer Kirche. Dort am Eingang befindet sich Ćišinskis Grab. Der Leser kann hier die Schmerzen durch sein Nervenleiden, seine tiefe Depression, seine oft wochenlange Schlaflosigkeit und Unruhe nachvollziehen. „Zu Hause in der Lausitz fand er zu Lebzeiten keine Anerkennung. Er wurde nie zum Pfarrer benannt“, sagt Jadwiga Kaulfürst. Auch damit setzt sich der Lehrpfad auseinander.
Der Lehrpfad eignet sich für Projekttage von Schulklassen oder als Exkursion für Domowina-Ortsgruppen, Wandergruppen, Seniorenkreise, Kirchenchöre, Vereine und Touristen aus aller Welt. „Wir sind jetzt dabei, einen Flyer zu entwickeln. Für Lehrer wird das Material zum Lehrpfad auch auf der Lernplattform ‚LernSax‘ bereitgestellt“, sagt Fabian Kaulfürst.
Der Lehrpfad – erschließbar via Smartphone mit QR-Code – schildert anschaulich die Lebensstationen des Dichters Jakub Bart-Ćišinski. |
In vier Versionen ist der Lehrpfad erschließbar. Version 1 richtet sich in Sorbisch an Grundschüler. Im Audioguide spricht der Dichter quasi selbst zu den Kindern. Mit eingebunden sind kleine Quizrunden und Bewegungsspiele. Version 2 richtet sich in Sorbisch an Oberschüler und Gymnasiasten. Inbegriffen sind hier historische Fotos und Gedichte als Hörbeispiele. Version 3 richtet sich in Sorbisch an Erwachsene. Version 4 zielt in Deutsch auf Touristen und interessierte Einheimische. In den Versionen 2 bis 4 bieten die Tonaufnahmen ein fiktives Interview mit Ćišinski. Die Informationen werden so lebhaft und kurzweilig vermittelt. Jadwiga und Fabian Kaulfürst hoffen jetzt auf viele Besucher. Langfristig soll auch das Ćišinski-Museum in der Schule in neuem Glanz erstrahlen. Der Dichter soll die Würdigung erfahren, die ihm zu Lebzeiten verwehrt blieb. In seinem Gedicht „Prolog“ schrieb er: „Ich brannte auf das Glück der Sorben und wollte in der Heimat bauen – an fremden Strand trieb mich die Flut. Ich wäre fast vor Gram gestorben und hielt doch aus und fand Vertrauen: Gott war mir gut.“
Weitere Informationen: www.scezka-cisinskeho.de
Von Andreas Kirschke