Die ZDF-Reihe Terra X beschäftigt sich mit metaphysischen Fragen
Der Grenzgänger

Foto: ZDF/Lukas Salna
Harald Lesch: ein Physiker mit philosophischen Interessen
„Meine Redaktion musste sich erst mal daran gewöhnen, dass ich mit solchen Fragen komme“, sagt Harald Lesch und lacht. „Aber wir entscheiden über die Themen gemeinsam und ich konnte sie überzeugen.“ Zu Lesch passt es, sich nicht auf Naturwissenschaften zu beschränken. „Ich habe Physik und Philosophie studiert“, sagt er. „Ich habe mich immer dafür interessiert, wo die Grenzen der empirischen Forschung sind. Es verbessert ja auch die Forschung selbst, wenn man sie nicht überschätzt.“
Ein Beispiel ist die Frage, ob es eine Seele gibt. Die Terra-X-Folge dazu erzählt von einem Bericht in der New York Times von 1907: Ein amerikanischer Arzt versuchte, die Existenz der Seele zu beweisen, indem er Menschen und Tiere vor und nach dem Tod wog. Der Mensch wurde 27 Gramm leichter, der Hund blieb gleich schwer. Ergo: Der Mensch hat eine Seele, das Tier nicht. „Das Experiment war wissenschaftlich aus vielen Gründen schlecht gemacht“, sagt Lesch im Film. „Die Naturwissenschaft hilft hier nicht weiter.“ Andererseits: „Keinen Beweis zu haben, ist auch kein Gegenbeweis.“
Aus dem Argument spricht Logik, denn die ist auch den Filmen über die großen Fragen eigen. „Wir betrachten verschiedene Perspektiven: die empirischen, die philosophischen und auch die religiösen“, sagt Lesch. So vergleicht der Physiker etwa in der Folge über das Schicksal das Universum mit dem Spielen am Flipperautomaten: „In beiden Fällen gelten Regeln, Naturgesetze – und dennoch ist nicht alles berechenbar.“ Diese Lücke, die Unberechenbarkeit, wirft Fragen auf: Gibt es einen Masterplan fürs Leben? Oder ist es nur eine Kombination aus Zufällen und getroffenen Entscheidungen?
„Wieder was gelernt!“
So gerne Harald Lesch sich mit Astrophysik beschäftigt: „An Fragen wie denen nach Gott, der Seele oder dem Schicksal bin ich ganz anders beteiligt“, sagt er. „Es ist unser und mein Innerstes, was da fragt, das hat für mich eine ganz andere Relevanz.“ Für diese Auffassung erntet er allerdings auch Kritik. „Es gibt Leute, die fragen, wie ich als Naturwissenschaftler den Boden der Empirie so verlassen kann“, sagt er. „Aber wieso sollte ich das nicht tun? Ich sehe das Konfliktpotenzial gar nicht.“
Im Gegenteil sind gerade diese Grenzgänge spannend. Und Lesch empfindet es als Geschenk, neben seinen universitären Aufgaben solche Sendungen machen zu dürfen. „Es ist wirklich ein toller Job“, sagt er. „Jedes Mal sage ich: Wieder was gelernt!“ Er genieße „das hemmungslose Staunen“ über Wissensgebiete, in denen er nicht zu Hause ist und das „Schlendern im Panorama der Wissenschaften“, sagt er.
Dass das heute nicht immer gewollt ist und gerade junge Menschen oft auf Technik, IT und Spezialisierungen gedrillt werden, bedauert er. „Diese Spezialisierung engt ein und die Superdigitalisierung führt dazu, dass wir uns treiben lassen von den technischen Entwicklungen. Wir fragen gar nicht mehr: Wollen wir das?“ Lesch ist sicher: „Wir sollten mehr Philosophen ausbilden, mehr Menschen, die das große Ganze sehen.“
Zuschauer schätzen seine Grenzgänge. Das zeigt sich daran, wie erfolgreich gerade diese Sendungen sind. „Die Zahlen sind eindeutig“, sagt Lesch. So sei die Folge „Gibt es Gott?“ 2023 „eingeschlagen wie eine Bombe“. Nach wie vor höre er bei Fortbildungen für Religionslehrerinnen und -lehrer, an denen er regelmäßig beteiligt ist, dass sie sie „eins-zu-eins im Unterricht einsetzen“. Natürlich, weil der Film inhaltlich gut ist, aber auch, sagt Lesch, „weil er nicht journalistisch-neutral ist, sondern jemand hindurchleitet. Diese persönliche Anteilnahme ist enorm wichtig.“ Gerade bei den großen Fragen, auf die es keine eindeutige Antwort gibt.
Die großen Fragen: Teil 1: Haben wir eine Seele? Teil 2: Gibt es ein Schicksal? Am 18. und 25. Mai um 19.30 Uhr im ZDF