Geschichten aus der Bahnofsmission

Der Lebenswille war stärker

Adelheid Bornholdt hat von 1991 bis 2015 die Ökumenische Bahnhofsmission Magdeburg geleitet. Hier erzählt sie von ihren Erfahrungen:


Es war eine warme Sommernacht, als während eines ruhigen Nachtdienstes eine 31-jährige suizidgefährdete Frau die Ökumenische Bahnhofsmission betrat. Die junge Frau war sehr verzweifelt und berichtete während eines langen Gespräches einem Mitarbeiter, dass sie von einer diakonischen Einrichtung in die Bahnhofsmission vermittelt wurde und sie in ihrer großen Not vor nicht allzu langer Zeit einen Selbstmordversuch unternommen habe. Während des  Gespräches wurde die junge Frau etwas ruhiger, so dass sie auf einer ihr angebotenen Ruhemöglichkeit einschlief. Gegen Morgen verabschiedete sie sich, bedankte sich für das hilfreiche Gespräch und fuhr wieder nach Hause.
Wenige Tage später, an einem Feiertag, kam am Vormittag ein gut gekleideter junger Mann mit mehreren Gepäckstücken in die Bahnhofsmission. Wortlos betrat er den Aufenthaltsraum für die Besucher und suchte sich einen Platz. Nach langem Schweigen fragte eine Mitarbeiterin nach seinen Wünschen und so eröffnete sich die Möglichkeit zu einem persönlichen und intensiven Gespräch. Der junge Mann erzählte, dass er Angestellter einer größeren Firma sei und täglich dienstlich unterwegs sein müsse, ohne einen geregelten Feierabend zu haben. Dieser, bereits über mehrere Jahre andauernde Zustand führte zu großen familiäre Spannungen und auch die eheliche Gemeinschaft nahm großen Schaden. Weitere große Probleme führten zu existentiellen Sorgen und für ihn gäbe es keinen anderen Ausweg, als seinem Leben ein Ende zu setzen. Als er diesen Satz ausgesprochen hatte, sprang er auf und lief aus der Bahnhofsmission, ohne sich zu verabschieden und sein Gepäck mitzunehmen. Die Sorge, der junge Mann würde sein Vorhaben in die Tat umsetzen, zumal der Bahnhof reichlich Gelegenheit dazu bietet, war bei den Mitarbeitern groß und so informierten sie die Bundespolizei auf dem Hauptbahnhof. Die Suche nach dem aufgeregten Gast blieb leider erfolglos. Am folgenden Tag geschah jedoch etwas Unerwartetes. Der junge Gast holte, wiederum wortlos, sein Gepäck aus der Bahnhofsmission und verließ eilig die Einrichtung.
So fanden zwei Suizidabsichten ein gutes Ende – Gott sei Dank !

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