Wie geht man mit schlechten Nachrichten um?
Der Tag braucht eine Struktur
Corona-Krise – mancher kann das Wort schon jetzt nicht mehr hören, dabei weiß niemand, wie lange die Phase noch dauern wird. Jeden Tag neue schlechte Nachrichten – wie geht man damit um? Ein Gespräch mit dem Theologen und Pädagogen Christoph Hutter.
Der eine lässt sich über sein Smartphone zu jeder Minute über die neuesten Nachrichten informieren: Wieder ein Bundesland hat eine Ausgangssperre verfügt, wieder ist die Zahl der Toten durch das Corona-Virus gestiegen. Der andere schaltet bewusst die Nachrichten aus, nimmt die Neuigkeiten nur dosiert auf – und hat zugleich ein schlechtes Gewissen, sich womöglich nicht ausreichend zu informieren. Christoph Hutter, Berater und im Bistum Osnabrück verantwortlich für die Arbeit der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen (EFLE), rät sogar dazu, je nach Typ den Nachrichteneingang zu filtern. „Man kann da gut auf sein Bauchgefühl hören“, sagt er. „Mancher Mensch braucht eben diesen Filter, weil er sonst in Panik verfallen würde.“
In den 1970er Jahren hat es Befragungen von Frauen gegeben, die ein Konzentrationslager der Nationalsozialisten überlebt hatten. Die Ergebnisse, die auf den Psychologen Aaron Antonovsky zurückgehen, drehten sich um die Frage, was ihnen half, diese existenzbedrohende Situation zu überleben. „Der Vergleich hinkt sicherlich etwas“, sagt Hutter, „es ging im Konzentrationslager natürlich nicht um unsere heutige Not, dass ich gerade Kartoffeln kochen muss, weil keine Nudeln mehr im Haus sind“, und spielt damit auf die „Hamsterkäufe“ der vergangenen Wochen an. Wer im Konzentrationslager täglich damit rechnen musste, ermordet zu werden, der hatte natürlich ganz andere Sorgen. Und dennoch sind für die Psychologie daraus wichtige Impulse entstanden.
Antonovsky hat drei Aspekte entwickelt, die ihm zeigten, wie die Frauen stabiler durch die Situation kamen: Sie erhielten sich minimale Gestaltungsmöglichkeiten, gaben ihrem Leben einen Sinn und versuchten wenigsten ansatzweise zu verstehen, was um sie herum passierte. Die Psychologin Emmy Werner, die von derselben Frage umgetrieben wurde, warum Menschen gesund bleiben, fand eine vierte Antwort: Sie pflegen Beziehungen zu anderen Menschen. Hutter entwickelt daraus Ratschläge für den Umgang mit der Corona-Krise.
Beziehung
Pflegen Sie weiter Ihre Freundschaften. Das geht zurzeit nicht persönlich, aber Sie können die sozialen Medien dafür nutzen. Enkel können einen Podcast für Ihre Großeltern entwickeln und darin erzählen, was sie gerade tun. Greifen Sie zum Telefon, rufen Sie Nachbarn, Freunde oder Familienmitglieder an oder nutzen Sie dafür den Computer und skypen Sie miteinander. Natürlich können Sie auch weiterhin Briefe schreiben. Kommen Sie auf jeden Fall aus der Isolation heraus.
Gestaltung
Die größte Gefahr besteht darin, zu Hause zu sitzen und den Kopf in den Sand zu stecken. Suchen Sie sich eine Aufgabe, gestalten Sie Ihren Alltag. Was ich schon immer mal machen wollte, wozu mir aber meist die Zeit fehlt: Nehmen Sie ein lange vergessenes Musikinstrument wieder zur Hand, schreiben Sie eine Geschichte auf, greifen Sie zu Pinsel und Farbe, räumen Sie den Keller auf, nehmen Sie sich Zeit, liebevoll das Essen zuzubereiten, reparieren Sie Gegenstände – wie man das macht, kann man sich gut im Internet auf Youtube zeigen lassen. Gartenarbeit oder Basteln geht natürlich auch.
Sinn
Viele Menschen entdecken in Krisenzeiten ihre Beziehung zu Gott ganz neu. Viele Kirchengemeinden bieten jetzt im Internet geistliche Impulse an, Gottesdienste werden im Livestream übertragen, die meisten Kirchen sind tagsüber geöffnet, um dort die Stille suchen zu können, eine Kerze zu entzünden oder zu beten. Beratungsstellen haben telefonische Hotlines geschaltet. Natürlich geben auch andere Angebote dem Leben einen Sinn, aber der Glaube ist da eine gute Option.
Verstehen
Werfen Sie einen realistischen Blick auf die Situation, entscheiden Sie nach Ihrem Bauchgefühl, wie viel Sie an sich heranlassen, damit Sie zwar Bescheid wissen, aber nicht in Panik verfallen.
Schließlich gibt Christoph Hutter noch einen aus seiner Sicht wichtigen Ratschlag: „Geben Sie dem Tag eine Struktur.“ Gerade wenn mehrere Familienmitglieder über einen längeren Zeitraum zu Hause sind, sei das wichtig, um sich nicht ins Gehege zu kommen: Wann stehen wir auf, wann sind die Mahlzeiten, wer kümmert sich wann um die Kinder, wer setzt sich – falls Home-Office angesagt ist – wann an den Computer. Schaffen Sie Rückzugsräume für die Familienmitglieder, bauen Sie Erholungszeiten ein. Gucken Sie zum Beispiel einmal am Tag einen Film, aber versacken Sie nicht ab dem frühen Morgen vor dem Fernseher.
Matthias Petersen
Jede der zehn EFLE-Beratungsstellen im Bistum Osnabrück hat für Ratsuchende eine telefonische Hotline geschaltet. Eine Übersicht gibt es hier