Teil 8 unserer Credo-Serie
Der unfassbare Geist
Unsere Serie zum Apostolischen Glaubensbekenntnis beschäftigt sich mit den Grundpfeilern des christlichen Glaubens. Der dritte Abschnitt handelt vom Heiligen Geist: wo er lebt, wie er wirkt und was die Kirche damit zu tun hat.
Von Susanne Haverkamp
Der dritte Abschnitt des Credos wirkt wie eine Kette unzusammenhängender Glaubensinhalte, die auch noch irgendwie genannt werden müssen. Aber so ist es nicht: Der Heilige Geist ist es, der alles zusammenhält. Denn er hat mit allem zu tun, was danach kommt.
Ich glaube an den Heiligen Geist
Dass Gott Geist ist, ist keine Erfindung des Christentums. Auch das Alte Testament spricht an vielen Stellen vom „ruach“, von Gottes Geist, der die Schöpfung und die Menschen erfüllt. Besonders bemerkenswert ist dabei die Geisttheologie des Propheten Ezechiel, der Gott sagen lässt: „Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt.“ (Ezechiel 36,27) 600 Jahre später schreibt Paulus, dass nun die Zeit angebrochen ist, in der sich diese Verheißung erfüllt. (2. Korintherbrief 3,3)
Paulus schließt dabei an die Evangelien an, für die der Heilige Geist die tragende und treibende Kraft Jesu ist. In der Taufe am Jordan, wo der Geist Gottes wie eine Taube auf ihn herabkommt; in seiner Antrittspredigt in Nazaret, in der Jesus sagt: „Der Geist Gottes ruht auf mir“; in seinen Abschiedsreden, in denen Jesus den kommenden Geist verheißt.
Das alles sind die biblischen Grundlagen dafür, dass 381 das Konzil von Konstantinopel den Heiligen Geist als dritte Person der Trinität definiert. Hier liegen auch die Wurzeln für das Große Glaubensbekenntnis (Gotteslob 586), das den knappen Satz „Ich glaube an den Heiligen Geist“ dogmatisch ausfaltet.
Doch trotz Dogmatik: Der Heilige Geist bleibt unfassbar. Ja, er ist sogar ein bisschen subversiv. Denn wenn der Geist weht, wo er will, wer kann ihn eingrenzen? Oder beurteilen? Schon in der frühen Kirche gab es deshalb Konflikte zwischen Charismatikern, die unmittelbare Geisterfahrungen ins Feld führten, um Teile der kirchlichen Lehre abzulehnen. Dem musste ein Riegel vorgeschoben werden, und so wurde der Geist, wie Kardinal Walter Kasper kritisiert, im Laufe der Zeit „kirchlich domestiziert“. Soll heißen: Das Amt gab sich die Hoheit über den Geist, der doch eigentlich in Taufe und Firmung allen verliehen wird und der bei uns allen die Art und Weise ist, wie Gott in uns lebt.
Bis heute gibt es diese Frage: Woraus spricht der Geist? Was ist eher Ungeist? Und wer beurteilt das? Das Amt, sagt die Kirche. Doch der Beschluss „Unsere Hoffnung“ der Würzburger Synode betont: „Das Amt hat nicht nur die Pflicht, falschem Geist zu wehren, die Geister zu scheiden, sondern auch die Pflicht, den Geist zu suchen und mit seiner unkalkulierbaren, oft unbequemen Spontaneität immer neu zu rechnen.“ Wohl wahr.
Die heilige katholische Kirche
Mit dem Wort „Amt“ sind wir mitten im nächsten Satz, in einem, der vielen Gläubigen nur schwer über die Lippen geht. Verstehen kann man ihn nur, wenn man weiß, was der Heilige Geist mit ihm zu tun hat.
Warum soll die Kirche heilig sein, wo doch bekanntermaßen unfassbar viel Unheiliges in ihr lebt? Die Antwort: Weil der Heilige Geist von all dem Unheiligen nicht totzukriegen ist. Anders gesagt: Die Kirche ist von Gott her so heilig, dass das Bodenpersonal das nicht zerstören kann.
Dieser Gedanke ist bedeutsam, denn er zeigt gerade heute, dass wir uns unsere Kirche nicht kaputtmachen lassen sollten. In der Kirche – in ihren Sakramenten, ihrer Verkündigung, ihrem caritativen Handeln – steckt so viel von Gottes Geist, dass sie heilig ist und bleibt. Was im Übrigen nicht dazu führt, dass ihre Sündigkeit – zu der jeder von uns mehr oder weniger beiträgt – egal ist; sie ist im Gegenteil um so schmerzlicher.
Zum Wort „katholisch“ nur eine kurze Erläuterung, denn inzwischen dürfte bekannt sein, dass es nicht konfessionell gemeint ist, sondern griechisch: „Katholikos“ heißt „das Allgemeine“; das Adverb „kath‘olon“ übersetzt man mit: „zusammen, eins sein“. Deshalb ist dieser Satz ein Bekenntnis zur Einheit der Christen. Missverständlich formuliert, aber ökumenisch gemeint.
Gemeinschaft der Heiligen
Was jetzt kommt, wird vielleicht erstaunen. Denn mit „Gemeinschaft der Heiligen“ sind zunächst keine Heiligen im Himmel gemeint, sondern Christen, die sich sonntags um den Altar versammeln, um miteinander Eucharistie zu feiern.
Sprachlich, sagen Latinisten, denn das Credo wurde auf Latein verfasst, ist das Wort „sanctorum“ der Genitiv Plural des (Neutrum-)Wortes „sancta“ = das Heilige, die heiligen Dinge und das wiederum bezieht sich auf die Hauptsakramente Taufe und Eucharistie. So hat es auch Paulus gemeint, wenn er seine Briefe „an die Heiligen“ in Rom oder Ephesus adressiert: Er schrieb an die Getauften, die den Auftrag Jesu erfüllten, gemeinsam Abendmahl zu feiern.
Wer also sagt: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen“, bekennt sich zu einer Kirche, die sich im Heiligen Geist um den Tisch des Herrn versammelt. Und das nicht nur heute, und so sind in einem zweiten Schritt mit der „Gemeinschaft der Heiligen“ alle Menschen gemeint, die sich zu allen Zeiten und an allen Orten zur Eucharistie versammelt haben. Durch diese Feier werden wir zu einer Gemeinschaft von Himmel und Erde, Raum und Zeit, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Noch einmal: In diesem Satz geht es nicht um Heilige im Himmel, um Auferstehung oder ewiges Leben. In diesem Satz geht es um die Kirche, um die Frage, was sie ist und wie sie ist. Die Antwort des Credo: Die Kirche ist Eucharistiegemeinschaft. Und deshalb ist die Sonntagsmesse nicht irgendein nebensächlicher Teil der Kirche, sondern ihr Kern. Dass das aus vielerlei Gründen nicht mehr spürbar ist und gelebt wird, kratzt an den Fundamenten der Kirche. Und die Diskussionen um Priesteramt und Abendmahlsgemeinschaft bekommen ein noch schwereres Gewicht.