„Die ersten Tage werden krass“
Bernhard Zanner pilgert von Hamburg aus auf dem Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela. Auf Instagram kann man seinen Weg mitverfolgen.
„Da muss noch was ‘raus“. Bernhard Zanner ruckelt an seinem Rucksack. An allen Seiten ist seine Ausrüstung befestigt. Faltbare Wanderstöcke, Schirm, Flasche, Reflektor – und hinten, ganz groß, eine kleine und eine große Muschel. Zwölf Kilo Gepäck im Rucksack, das ist zuviel. Zanner wird sich noch von einer Hose trennen, bevor er sich auf den Weg macht.
Sein Weg ist weit. 2771 Kilometer von Hamburg bis Santiago de Compostela. Sieben Monate wird der Pilger dazu brauchen. Eigentlich ist sein Rucksack gar nicht schwer, wenn man bedenkt, was alles darin ist. Ein Zelt, Matte, Schlafsack, Plane, Navigationsgerät, Ersatzkleidung, Lampe, Proviant, Spray zur Selbstverteidigung. Denn der Pilger wird nicht nur auf Campingplätzen und in Pilgerherbergen, sondern auch in Wäldern übernachten, wo kein Mensch ist.
Die Wegbeschreibung, ausgedruckt auf 200 Seiten, gehört auch zum Gepäck. Dabei kennt Bernhard Zanner den Weg. Zweimal ist er schon von Hamburg bis zum Grab des heiligen Jakob gekommen. Das erste Mal im Jahr 2010 mit dem Fahrrad, das zweite Mal 2016 zu Fuß.
Zwei Bronzeengel für harte Stunden
Die kleine Muschel hinten am Rucksack erinnert an die erste Tour, die große Muschel an die zweite. Auf dem Jakobsweg, spätestens auf den letzten Etappen in Südfrankreich und Spanien, weiß jeder, was die Jakobsmuschel bedeutet. „Da wird man angesprochen. Manchmal geht man ein Stück mit anderen zusammen. Ich bin auch schon in ein Haus eingeladen worden für die Nacht.“
Aber es kommen auch die langen, einsamen und harten Kilometer. „Ich weiß genau, die ersten Tage werden krass“, sagt Zanner. Er ist 70 Jahre alt, der Körper will nicht mehr so wie früher. „Aber wenn es schwer wird, hat man etwas zu kämpfen. Kampf ist gut.“ Eine Pilgertour ist ja nicht Wanderlust. Früher haben die Menschen durch Pilgern ihre Sünden abgebüßt. „Pilgern ist beten mit den Füßen, und das ist eine große Ehre.“
Erst als Erwachsener wurde Zanner getauft. „Ich bin kein großer Kirchgänger, aber ich sitze gern in einer stillen Kirche.“ Sein Weg hat in einer solchen Kirche begonnen. Sein Taufpate, Diakon Andreas Petrausch, hat mit ihm den Angelus gebetet, den Pilgersegen gespendet und den ersten Stempel in den Pilgerpass gedrückt. Und noch etwas hat Petrausch dem Pilger geschenkt: zwei Bronzeengel als Trost für harte Tage. „Der eine ist für dich. Den anderen kannst du verschenken an einen anderen, der ihn braucht.“
Jetzt, da Sie diesen Text lesen, ist Bernhard Zanner irgendwo in Niedersachsen, auf der Via Baltica in Richtung Osnabrück. Man kann seinen Weg mitverfolgen, denn auf „Instagram“ stellt er laufend Fotos vom Weg ein. Stichwort: bzanner1952.
Von Andreas Hüser