Die Freiheit, arm zu sein
Als Studentin ließ sich Laura Cárdenas-Krenz vom Lebensideal des heiligen Franziskus begeistern. Inzwischen hat sich für ein Leben als Franziskanerin entschieden. Ort ihres Noviziats ist Kiel – und das nicht ohne Grund.
Einmal, erzählt Schwester Laura, kam ihr in der Kieler Innenstadt eine Frau auf einem Elektroroller entgegen. Verwundert musterte die Rollerfahrerin ihr Gegenüber, eine junge Frau in grauer Ordenstracht. Dann sagte sie: „Na, das ist ja’n Outfit.“ Die Antwort der Schwester: „So lauf’ ich immer rum.“ Ordensfrauen sind in Kiel nicht überall zu sehen – aber sie sind zu sehen. Sechs Schwestern der Mauritzer Franziskanerinnen leben im Gästekloster Haus Damiano. Das Kloster gehört zu den stärksten aktiven Konventen im ganzen Norden. Eine der Schwestern ist Laura Cárdenas-Krenz, die Novizin. Sie trägt zwar die gleiche Tracht, nur ihr Tau-Kreuz ist nicht das silberne Ordenskreuz im Ring, sondern ein hölzernes, wie man es in jeder religiösen Buchhandlung kaufen kann.
Schwester Laura ist die einzige Novizin der Mauritzer Franziskanerinnen. „Aber viele Novizinnen anderer Kongregationen sind auch allein. Es ist deshalb schön und wichtig, dass wir miteinander in Kontakt sind.“ Kiel ist auch deshalb Ort des Noviziats, weil der Konvent dort eine gute Altersmischung hat und die pastoralen Aufgaben vielfältig sind. Allein muss sich die junge Novizin dort nicht fühlen. Manchmal allerdings spürt sie die Sonderstellung in Form von Erwartungen wie: Wann bringen Sie denn die nächste junge Schwester mit? Davon lässt sie sich aber nicht unter Druck setzen: „Ich kann keine Berufungen bewirken. Das tut nur Gott.“
Laura Cárdenas-Krenz kommt aus Hannover. Studiert hat sie in Magdeburg und Münster. Aber ein großer Teil ihrer Familie lebt in Lima, Peru. „Meine Gläubigkeit kommt aus Peru“, erzählt sie. „Meine Großmutter spielte dabei eine große Rolle. Sie hatte ein ganzes Regal voll Heiligenfiguren. Mich hat immer beeindruckt, mit welcher Hingabe sie jeden Morgen eine Kerze vor der Marienfigur angezündet hat.“ Nicht nur der peruanische Einfluss ist bei Schwester Laura anders als in „klassischen“ Wegen junger Ordensfrauen. Sie hat als Jugendliche Fußball gespielt und gerudert. Sie rudert heute noch – allerdings nicht im Boot auf dem Maschsee oder der Ostsee, sondern auf einem Rudergerät, das im Keller des Klosters steht. Kloster? Die Studentin in Magdeburg und Münster hatte eigentlich andere Pläne. Studium, Beruf, heiraten… Aber durch ein Seminar zur „Armutsbewegung des heiligen Franziskus“ an der Uni Münster entfachte sich eine Neugier und Suche nach diesem Franziskus, der der Armut Jesu folgte, und die Frage nach der Armut selbst.
Armut, das heißt für den hl. Franz ganz radikal: Nichts besitzen, denn alles gehört Gott. Armut bedeutet auch Freiheit. „Was brauche ich wirklich? Was besitze ich – und was besitzt mich?“ Schwester Laura stellt sich diese Fragen, wenn sie in der Kleiderkammer für Obdachlose in St. Heinrich Kleidung ausgibt. Auch wenn sie selbst nie im Luxus gelebt hat; das Bedürfnis nach Kontrolle, nach Sicherheit könne einen Menschen sehr in Beschlag nehmen und besitzen, ohne dass der Mensch merke, wie unfrei er werde, wenn er sich nur auf Materilles verlasse, sagt die Novizin.
Ein verlorener Koffer: Gelassenheit lernen
Manchmal gibt es in diesen Dingen unfreiwillige Nachhilfe. Als Laura nach dem Franziskus-Seminar in Münster zum ersten Mal für einige Tage ein Kloster aufsuchte – das ehemalige Kapuzinerkloster in Stühlingen –, fuhr sie mit dem Vorsatz, Gelassenheit zu lernen, los. Und prompt ging ihr Koffer im Zug verloren. „Nun musst du Gelassenheit lernen“, sagte sie sich und kaufte schnell im Sommerschlussverkauf Socken, Pulli und Badeschlappen – das Nötigste für die Klostertage – und fuhr weiter.
Die Woche Urlaub mit gemeinsamen Beten, Arbeiten im Garten und geselligem Essen war zwar sehr schön, „aber nicht für immer.“
Zurück im Alltag merkte die junge Frau: „Der liebe Gott meldet sich immer wieder. Das ist mehr als Neugierde. Er lässt dich nicht los.“ Süddeutschland lockte mit dem oberschwäbischen Kloster Reute und den Bamberger Franziskanerinnen von Vierzehnheiligen. „Das klappte aber mit dem Essen nicht. Ich esse vegan, das kannte man dort in den Mutterhäusern nicht. Und da diese Lebensweise Teil meiner Spiritualität ist, gebe ich sie nicht einfach auf. “
Am Ende wurden es dann doch die Mauritzer Franziskanerinnen aus Münster. Nicht das große, alte Mutterhaus, in dem überwiegend ältere Schwestern ihrem Tagesablauf nachgehen, sondern das lebendige Gästekloster im Norden. Die erste Phase des Noviziats geht jetzt nach einem Jahr zu Ende. Im Januar wechselt Schwester Laura für ein halbes Jahr in die Niederlassung nach Ahaus im Münsterland. Dann steht wieder Kiel an. Und danach? Vielleicht noch ein Theologiestudium? Eine Qualifikation für einen speziellen sozialen Dienst? Laura Cárdenas-Krenz hat keinen Plan. Genauer gesagt: Ihr Plan ist, sich immer von neuem Gottes Führung anzuvertrauen. „Ich wollte mal nach Südamerika. Das wurde nichts. Ich wollte nach Süddeutschland. Wurde auch nichts. Und es ist gut so. Ich gehe ja nicht, weil es in einem bestimmten Kloster so schön ist. Sondern weil ich Jesus nachfolge.“
VON ANDREAS HÜSER