Die heilige Woche

Die frömmste Woche im ganzen Jahr

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Am Palmsonntag beginnt sie: die Woche, die Christen eine heilige nennen. Weil sie voll ist mit Gebet und Gottesdienst und weil sich in ihr der gesamte Glaube verdichtet. Triumph, Verrat, Tod und Leben: All das fordert auch heute noch heraus.

Foto: kna
Ein goldenes Kreuz, geschmückt mit Palmzweigen:
Gerade in diesen Tagen können wir uns fragen, was
dieses Symbol mit uns und unserem Leben zu tun hat. 
Foto: kna

Ein Jahr ist lang, da kann man nicht immer gleich fromm sein. Sicher, manches trägt durch: das Grundvertrauen in Gott, die Sonntagsmesse, vielleicht auch das tägliche Gebet. Und doch gibt es Zeiten, in denen der Glaube eher Routine ist, und es gibt andere, besondere Zeiten.

Eine dieser besonderen Zeiten ist die Karwoche. Sie lädt mit ihren vielen Gottesdiensten ein, sich besonders auf Gott zu konzentrieren, genauer gesagt: auf Jesus Christus. Und sich zu fragen, was das alles mit mir und meinem Leben zu tun hat. 
Zum Beispiel am Palmsonntag. Der Einzug Jesu in Jerusalem ist ein Triumph. Fahnenschwenken und Hoch-Rufe. Seht, da kommt er, der Mann, der alles besser macht, der für Recht und Gerechtigkeit sorgt. Die halbe Stadt ist auf den Beinen. Manche aus Überzeugung, andere, weil offenbar etwas Großes im Gange ist. Zuschauen kostet ja nichts, dabei sein ist alles.

Hosianna! Jubeln ist leicht, wenn alle mitjubeln. Beim Papstbesuch vielleicht oder wenn man selbst auf dem Petersplatz steht. Wenn beim Katholikentag alle ihre Liedblätter schwenken. Aber wie sieht es aus, wenn der Gegenwind stürmt? In der Öffentlichkeit, im Verein, im Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz. Wenn alle schreien: „Mieser Laden, alles Verbrecher, kreuzigt sie!“ Wer ist dann noch da – auf den Straßen Jerusalems, in den Kirchen und Gemeindehäusern?

Dann kommt Gründonnerstag. Zwölf Männer mit Jesus im Abendmahlssaal. Es muss toll sein, zum engsten Kreis zu gehören, eine herausgehobene Stellung zu haben, an einem Tisch mit dem Herrn und Meister. Und dann: „Ich will euch die Füße waschen.“ Und: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt.“ Einander dienen, Drecksarbeit übernehmen, erst auf die anderen schauen und dann auf sich selbst: eine gute Idee, im Alltag aber leider schwer zu leben. Versuchen sollte man es trotzdem, vielleicht in der Karwoche.

Karfreitag: Jetzt wird es heikel. Jetzt hört der Spaß auf. Mitgefangen, mitgehangen, das weiß man ja. Also besser Abstand halten, allenfalls von weitem zuschauen, so, als ginge mich das alles nichts an. „Ich kenne ihn nicht.“
Würden Sie und ich natürlich nie tun. Wir stehen zu unseren Freunden, auch wenn sie in Schwierigkeiten geraten oder auf Abwege. Obwohl: Ein bisschen Distanz kann ja nicht schaden. Vielleicht ist ja was dran an den Vorwürfen. Und ob er (oder sie) sich immer ganz korrekt verhalten hat? Nachher bleibt was an mir hängen, von dem Dreck, der gerade geschleudert wird. Irgendwie kann man es verstehen, dass von den elf besten Freunden nur einer übrig geblieben ist. Und ein paar Frauen. Naja, die sind ja von Natur aus eher emotional als vernunftbetont.

Dann ist Stille. Karsamstag. Grabesruhe, auch im übertragenen Sinn. Rückzug in die eigenen vier Wände. Bloß nicht auffallen. Ein paar Tage abwarten und dann zur Tagesordnung übergehen. Wir haben uns halt geirrt, die Hoffnung auf den Falschen gesetzt. Traurig ist es, ja, aber nicht zu ändern. Es gibt eben keine Wunder, auch wenn man noch sehr darauf
hofft ...

Die Karwoche: die frömmste Woche im Jahr. Gehen Sie sie mit. Und gehen Sie noch einen Schritt weiter. Nächsten Sonntag. Ostern.

Susanne Haverkamp